Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
PSYCHOLOGIE<br />
samt ihren Wünschen, Ängsten und<br />
Fähigkeiten – zu entwickeln und dieses<br />
Wissen im Alltag zu nutzen.<br />
Die beiden letzten Intelligenzen beschreiben<br />
auch das von anderen Autoren<br />
mit emotionaler Intelligenz (EQ) beschriebene<br />
Verständnis für Gefühlsvorgänge,<br />
das dazu benutzt werden kann,<br />
in anderen positive Empfindungen zu<br />
wecken, Konflikte zu lösen oder zu Hause<br />
und im Alltag vermittelnd zu wirken.<br />
Untersuchungen der letzten Jahre<br />
lassen vermuten, dass soziale und emotionale<br />
Fähigkeiten den „Erfolg“ im Leben<br />
vielleicht noch stärker bestimmen<br />
als die so genannten intellektuellen<br />
Fähigkeiten eines Menschen. Die im Gegensatz<br />
zum Intelligenzquotienten (IQ)<br />
mit emotionaler Intelligenz (EQ) beschriebenen<br />
Eigenschaften umfassen<br />
z.B.<br />
Mitgefühl<br />
Ausdruck und Verstehen von Gefühlen<br />
Kontrolle über seine Stimmungen<br />
Unabhängigkeit<br />
Anpassungsfähigkeit<br />
Beliebtheit<br />
Fähigkeit zur zwischenmenschlichen<br />
Problemlösung<br />
Ausdauer<br />
Freundschaftlichkeit<br />
Respekt<br />
Optimismus<br />
Die Theorie der multiplen Intelligenzen<br />
beruht auf der Annahme, dass<br />
Expertentum sowohl in der Schule als<br />
auch in anderen Bereichen auf vielen<br />
Wegen erreichbar ist. Über das Gesamtbündel<br />
der Intelligenzen verfügen wir<br />
alle, es repräsentiert in gewisser Hinsicht<br />
das intellektuelle Erbe der biologischen<br />
Art, doch unsere Stärken und unsere<br />
Intelligenzprofile sind nicht identisch,<br />
weil die verschiedenen Intelligenzen<br />
individuell unterschiedlich stark<br />
ausgebildet sind. Wenn also die geistigen<br />
Möglichkeiten mit den unterschiedlichen<br />
Stärken, Interessen und Strategien<br />
tatsächlich individuell ausgeprägt<br />
sind, dann lohnt es zu überlegen, ob<br />
zentrale Lerninhalte nicht auf vielfältige<br />
Art unterrichtet und vor allem beurteilt<br />
werden können.<br />
Sind Menschen mit Down-Syndrom<br />
intelligent?<br />
Um noch einmal zusammenfassend auf<br />
die eingangs gestellte Frage zurückzu-<br />
28 Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>, <strong>Mai</strong> 2005<br />
kommen, ob Menschen mit Down-Syndrom<br />
intelligent sind, so sollte sie – unter<br />
Berücksichtigung der Theorie der<br />
multiplen Intelligenzen – mit „Ja“ beantwortet<br />
werden.<br />
Betrachtet man u.a. die Subintelligenzen<br />
der emotionalen, musikalischen<br />
und körperlich-kinästhetischen Intelligenzen,<br />
so zeichnen sich viele Menschen<br />
mit Down-Syndrom gerade durch<br />
diese Fähigkeiten aus, die es im Kindergarten,<br />
in der Schule, aber auch im späteren<br />
Leben in der Berufswelt zu entdecken,<br />
zu fördern und einzusetzen gilt.<br />
„Die Aufgabe für das nächste Jahrhundert<br />
besteht nicht nur darin, unser<br />
Bewusstsein für die Vielfalt unserer Intelligenzen<br />
und deren adäquaten Gebrauch<br />
zu sensibilisieren. Wir müssen<br />
uns darüber hinaus überlegen, wie Intelligenz<br />
und Moral zusammenwirken<br />
können, damit eine Welt zum Wohle<br />
und zum Gefallen der sehr verschiedenartigen<br />
Bevölkerung unseres Planeten<br />
entstehen kann. Intelligenz ist ein Kapital,<br />
aber – um Ralph Waldo Emersons<br />
Diktum zu zitieren – „Charakter ist mehr<br />
als Intellekt“, eine Einsicht, die für das<br />
Individuum ebenso gilt wie für die Gesellschaft“<br />
(Howard Gardner).<br />
Dr. med. Wolfgang Storm<br />
Kinderklinik St.-Vincenz-Krankenhaus<br />
Husener Straße 81<br />
33098 Paderborn<br />
Weiterführende Literatur<br />
1. Gardner, H.: Abschied vom IQ. Die Rahmen-<br />
Theorie der vielfachen Intelligenzen. Klett-<br />
Cotta, Stuttgart (2001)<br />
2. Gardner, H.: Intelligenzen. Die Vielfalt des<br />
menschlichen Geistes. Klett-Cotta, Stuttgart<br />
(2002)<br />
3. Goleman, D.: Emotionale Intelligenz.<br />
Deutscher Taschenbuchverlag, München<br />
(1995)<br />
Bindungssicherheit<br />
An der Universität Potsdam wurde<br />
von Hellgard Rauh und Claudine<br />
Calvet eine Langzeitstudie durchgeführt<br />
über die Bindungsqualität bei Kindern<br />
mit Down-Syndrom. Die Ergebnisse dieser<br />
Studie wurden veröffentlicht in der<br />
Zeitschrift: Kindheit und Entwicklung,<br />
13 (4), 217 – 225, Hogrefe Verlag, Göttingen<br />
2004, aus der auch folgende Zusammenfassung<br />
entnommen wurde:<br />
Ist Bindungssicherheit entwicklungsfördernd<br />
für Kinder mit <strong>DS</strong>?<br />
Die Erfassung und die Bedeutung der<br />
Bindungsqualität bei Kindern mit Down-<br />
Syndrom ist wissenschaftlich umstritten.<br />
Anhand von Längsschnittdaten bei<br />
insgesamt 16 Kindern mit Bindungsqualifikation<br />
im Entwicklungsalter von<br />
13 bis 15 Monaten (Lebensalter um 24<br />
Monate) wird aufgezeigt, dass die Verhaltensentwicklung<br />
dieser Kinder in<br />
Bayley-Entwicklungssituationen (IBR-<br />
Ratings) im ersten bis zum fünften Lebensjahr<br />
in sinnvoller Beziehung zu ihrer<br />
Bindungsentwicklung stand. Ab dem<br />
fortgeschrittenen Vorschulalter entwickelten<br />
sich Kinder mit sicherer Bindung<br />
vor allem in der sprachlichen und<br />
in der sozial-kognitiven Entwicklung<br />
günstiger als Kinder mit unsicherer Bindungsbeziehung.<br />
Bindungssicherheit scheint sich in<br />
den ersten Jahren vor allem im Verhalten<br />
der Kinder und erst nahe dem<br />
Schulalter auch in Testleistungen auszuwirken.<br />
Was ist Bindung?<br />
Unter Bindung versteht man eine<br />
emotionale Beziehung zwischen<br />
Menschen, die sich z.B. in Form der<br />
Kontaktsuche, Aufrechterhaltung<br />
der Nähe zur Bezugsperson insbesondere<br />
angesichts fremder Personen<br />
oder unvertrauter Ereignisse<br />
(z.B. dem so genannten Fremdeln,<br />
der so genannten Acht-Monate-<br />
Angst bei Kindern) oder der so genannten<br />
Trennungsangst (Furcht vor<br />
Abwesenheit oder Abwendung einer<br />
Bezugsperson) äußert. Bindung und<br />
nachfolgende Ablösung gelten als<br />
wesentliche Voraussetzung einer<br />
harmonischen Persönlichkeits- und<br />
sozialen Entwicklung.