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Lasst Gerechtigkeit walten - Weltgebetstag der Frauen

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WGT-Arbeitsheft 2012 Malaysia<br />

verstoßen. Neben ihrer Traumatisierung hatte sie zusätzlich mit enormen finanziellen Problemen zu<br />

kämpfen. Sie kam zu uns, als sie nicht mehr weiter wusste. Die Therapie half ihr neue Kraft zu<br />

schöpfen und Entscheidungen zu treffen. Sie besuchte dann eine Schule und machte den<br />

Führerschein. Zusätzlich begann sie selbstständig Kleidung am Bazar zu verkaufen, auf einem<br />

Standplatz, <strong>der</strong> ihr von <strong>der</strong> Gemeinde zur Verfügung gestellt wurde.<br />

Vor einigen Monaten ereilte uns die Nachricht, dass eine Frau in Dêrsim ermordet wurde. Es war<br />

Frau E. Am Tatort fand man eine Polizeikappe. Wir machten daraufhin sofort eine Presseerklärung<br />

und for<strong>der</strong>ten die rasche Aufklärung <strong>der</strong> Tat. Doch <strong>der</strong> Staat unternimmt offensichtlich alles, um den<br />

Verantwortlichen zu schützen. Vor kurzem erfuhren wir, dass <strong>der</strong> Staatsanwalt beschloss, den Fall<br />

unter absoluter Geheimhaltung zu bearbeiten. Unserer Anwältin werden damit Informationen und<br />

Beweismittel vorenthalten.<br />

Kıymet Ceviz ist Vorstandsmitglied von LeEZA und ist in Dêrsim (Türkisch-Kurdistan) geboren. Sie<br />

arbeitet als diplomierte Sozialarbeiterin bei Sozial Global Beratungszentrum für ältere Migrantinnen<br />

und Migranten "Terra", sowie bei „Verein Wiener <strong>Frauen</strong>häuser" und bei <strong>der</strong> Caritas als<br />

Dolmetscherin (Kurdisch und Türkisch).<br />

MK - Dêrsim ist das kulturelle Zentrum <strong>der</strong> Zaza-sprachigen AlevitInnen. Hat die<br />

Liberalisierung <strong>der</strong> Sprachpolitik unter <strong>der</strong> AKP-Regierung positive Auswirkungen auf das Zaza in<br />

Dêrsim? Gibt es heute Schulunterricht in <strong>der</strong> Muttersprache?<br />

KC - In Dêrsim wird nicht nur Zaza son<strong>der</strong>n auch Kurmanci gesprochen. Die Mehrheit <strong>der</strong> Dêrsimer<br />

spricht Zaza. Von <strong>der</strong> sogenannten Liberalisierung spüren die Menschen we<strong>der</strong> in Dêrsim noch in<br />

den an<strong>der</strong>en kurdischen Gebieten etwas. Denn muttersprachlicher Unterricht ist nach wie vor strikt<br />

verboten. Menschen dürfen jetzt zwar ihre Muttersprache sprechen, aber in den Schulen darf diese<br />

nicht unterrichtet werden. Es können nur privat<br />

Kurse angeboten werden. Eine staatliche<br />

Unterstützung gibt es hierfür nicht. Buchstaben wie<br />

Q, W o<strong>der</strong> X sind immer noch tabu. Zwar ist es nun<br />

erlaubt, kurdische Namen zu verwenden, jedoch<br />

dürfen diese ausschließlich türkische Buchstaben<br />

enthalten, aber die klassischen kurdischen Namen<br />

enthalten oft Q,W o<strong>der</strong> X, und sind somit verboten.<br />

Die ursprünglichen Namen kurdischer Orte, welche<br />

türkisiert wurden, bestehen nach wie vor. Einige<br />

Dinge sind durch bloße Verordnungen „geregelt“,<br />

sodass die Justiz willkürlich vorgeht. Fakt ist, dass<br />

auch heute immer noch Menschen bestraft werden,<br />

Mitarbeiterinnen besuchen die <strong>Frauen</strong><br />

weil sie kurdisch sprechen o<strong>der</strong> schreiben. Verordnungen sind bekanntlich keine Rechte, die in <strong>der</strong><br />

Verfassung verankert sind. Nur Sprachkurse zuzulassen ist doch keine Liberalisierung!<br />

Verordnungen können je<strong>der</strong>zeit zurückgenommen werden und die Menschen können dann ihre<br />

Rechte nicht einklagen.<br />

MK - Mit <strong>der</strong> AKP regiert seit 2002 eine konservativ-sunnitische Partei. Welche Auswirkungen<br />

hat das auf die Situation <strong>der</strong> AlevitInnen in Dêrsim?<br />

KC - Es gibt in <strong>der</strong> Türkei ein „Diyanet İşleri Başkanlığı“ (Amt für Religionsangelegenheiten), das sich<br />

um die Angelegenheiten <strong>der</strong> SunnitInnen kümmert, aber nicht um jene <strong>der</strong> AlevitInnen. Diese<br />

Institution wird durch Steuergel<strong>der</strong> finanziert. Die AlevitInnen zahlen ganz normal ihre Steuern,<br />

profitieren aber nicht vom Diyanet wie die SunnitInnen. Es gibt also keine staatliche Institution, die<br />

sich um ihre Angelegenheiten kümmert. In <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Türkei wurden mehrmals Massaker an<br />

AlevitInnen verübt, bei denen Hun<strong>der</strong>te umgebracht wurden. So z.B. 1938 in Dêrsim, 1978 in<br />

Malatya, 1978 in Maraş, 1993 in Sivas und 1995 in einem Istanbuler Vorort. Der türkische Staat hat<br />

sich bis heute nicht entschuldigt. Von einer Verbesserung <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Aleviten kann lei<strong>der</strong> nicht<br />

die Rede sein. Doch die AKP-Regierung hat seit 2002 bis heute sehr wohl Probleme <strong>der</strong> AlevitInnen

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