PDF-Datei - Religiosophie
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Ethische Grundsätze<br />
(28) Eine Reihe von Philosophen seit Konfuzius (551-479 v. Chr.) haben mit<br />
vergleichbaren Worten die goldene Regel der Ethik aufgestellt, die ich so formulieren<br />
möchte:<br />
„Verhalte dich anderen Menschen gegenüber so, wie du möchtest, dass sie<br />
sich dir gegenüber verhalten.“ Ergänzen möchte ich sie noch um den Satz:<br />
„Respektiere andere Lebewesen und die Natur “ und um den Satz: “Verhalte<br />
dich so, das du die Lebensgrundlagen und die berechtigten Interessen der<br />
künftigen Generationen, soweit möglich, nicht beeinträchtigst “.<br />
17<br />
Dieses Verhalten bedeutet nicht, dass ich meine Wünsche und Bedürfnisse auf andere<br />
übertrage, sondern dass ich bemüht bin, die Wünsche und Bedürfnisse des anderen zu<br />
erkennen und, soweit sie legitim sind, danach zu handeln.<br />
Die goldene Regel betrifft das Verhalten gegenüber anderen. Es gibt aber auch<br />
Verpflichtungen gegenüber sich selbst, die man so formulieren könnte: „Liebe dich<br />
selbst und trage Sorge für dich.“<br />
Aus den vorstehenden Grundsätzen kann ein Mensch mit Charakter, Weisheit und<br />
Verstand m. E. alle Regeln für sein Verhalten (Tun oder Unterlassen) in den meisten<br />
Lebenssituationen ableiten.<br />
Kant und Jaspers haben als höchstes moralisches Prinzip die "unbedingte Forderung"<br />
formuliert, siehe in Abschnitt (15) die Ausführungen zu Ziffer 3. Dieses Prinzip stellt sehr<br />
weitgehende Anforderungen an uns.<br />
Weitere Ausführungen zu diesem Thema enthält u. a. das Buch Philosophie für Dummies<br />
von Tom Morris, Kapitel 9 „Ethische Regeln und moralischer Charakter“. Hingewiesen sei<br />
auch auf die „Erklärung zum Weltethos“ des Parlaments der Weltreligionen vom<br />
4.9.1993. Die Verantwortung gegenüber unseren Nachkommen ist besonderes Anliegen<br />
des aus meiner Heimatstadt Mönchengladbach stammenden Philosophen Hans Jonas<br />
(1903-1993) in seinen Werken Das Prinzip Verantwortung und Technik, Medizin und<br />
Ethik, zur Praxis des Prinzips Verantwortung.<br />
Es mag Grenzsituationen geben, in denen es schwer fällt, die ethisch/moralisch richtige<br />
Entscheidung zu treffen. Ich denke dabei z. B. an die Situation einer vergewaltigten<br />
Frau, die vor der Entscheidung einer Abtreibung steht, oder die Situation eines<br />
Genforschers, der sich fragt, wo er die Grenze für seine Tätigkeit ziehen soll. Zu dieser<br />
Thematik hat sich aus konservativ-katholischer Sicht Robert Spaemann in zahlreichen<br />
Veröffentlichungen geäußert. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, will er die "sittliche<br />
Vernunft" zum Maßstab des Verhaltens machen. Die Frage ist nur, auf welche Maßstäbe<br />
sich wiederum diese sittliche Vernunft stützen soll. Wilhelm Schmid, von dem im<br />
nächsten Abschnitt näher die Rede sein wird, hat als oberstes Prinzip der Kunst des<br />
Lebens herausgestellt, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten die richtige Wahl zu<br />
treffen. Dabei weist er darauf hin, dass wir grundsätzlich für eine Wahl Kriterien<br />
brauchen, die Auswahl der Kriterien ihrerseits aber wiederum ein Wahlakt ist, für den wir<br />
erneut Kriterien benötigen, ebenso wie für die Auswahl der letztgenannten Kriterien usf.<br />
und dass wir dabei irgendwann an den Punkt kommen, wo uns keinerlei Auswahlkriterien