03.09.2013 Aufrufe

PDF-Datei - Religiosophie

PDF-Datei - Religiosophie

PDF-Datei - Religiosophie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

18<br />

mehr zur Verfügung stehen. An diesem Punkt gelte es, allein aus unserem Gefühl für das<br />

Richtige oder Falsche heraus eine Basisentscheidung zu treffen. Ich denke, dass der<br />

Einzelne in den genannten Grenzsituationen auch nur nach diesem Gefühl entscheiden<br />

kann.<br />

Natürliche Glaubensgrundsätze<br />

(29) Hierunter verstehe ich die auf die irdischen Gegebenheiten gerichteten<br />

Überzeugungen. Die in Abschnitt 22 dargestellten Grundüberzeugungen des Dalai Lama<br />

sind offenbar Bestandteil der buddhistischen Lebenstechniken. Der erste Satz enthält<br />

eine Aussage über den Sinn des Lebens. Die katholische Kirche sieht den Sinn des<br />

Lebens ausschließlich in der Erfüllung der Gebote und Verbote Gottes, auch in der<br />

demütigen Hinnahme von Leid, das uns Gott schickt. Der Dalai Lama ist mit Aristoteles<br />

und anderen Philosophen der Überzeugung, der Sinn bestehe in dem Streben nach Glück<br />

oder wenigstens nach Zufriedenheit. Ich möchte, nicht zuletzt wegen der dem deutschen<br />

Begriff Sinn anhaftenden Vieldeutigkeit und Unschärfe, die hinter dieser Frage stehende<br />

Suche des Menschen etwas anders angehen und dabei zunächst weiter ausholen. Eine<br />

der wichtigsten Fragen, mit denen sich die Philosophie seit Schopenhauer beschäftigt,<br />

lautet: Warum ist überhaupt etwas (und jemand) und nicht vielmehr nichts (und<br />

niemand)? Die Frage nach dem warum ist schlechterdings nicht beantwortbar. Wer eine<br />

Antwort sucht, könnte fragen: Wäre es nicht besser, es gäbe nichts als das, was ist?<br />

(ausführlich hierzu Ludger Lütkehaus, Nichts) Betrachtet man das ganze Leid und<br />

Unrecht dieser Welt, könnte man diese Frage durchaus bejahen (vgl. auch Abschnitt 38,<br />

2. Absatz). In der altgriechischen Midassage verrät ein Halbgott dem König, was die<br />

Menschen eigentlich nicht erfahren sollten: „Das Allerbeste für sie wäre nicht geboren<br />

worden zu sein, nicht zu sein, nichts zu sein; das Zweitbeste ... bald zu sterben.“ Nach<br />

Nietzsche ist das Leben des Einzelnen wie das Fortleben der Gattung „im Grunde Trieb,<br />

Instinkt, Torheit, Grundlosigkeit“ (III 371). Zuvor hatte bereits Schopenhauer von der<br />

„Grundlosigkeit des blinden Lebenswillens“ gesprochen. Wie dem auch sei, wir sind<br />

jedenfalls in eine höchst unvollkommene Welt hinein geworfen – ohne dass wir vorher<br />

hätten gefragt werden können. Manche Philosophen sprechen vom Diktat der Geburt.<br />

Selbst wenn wir es als besser ansähen, es gäbe nichts und auch uns nicht, an der<br />

Tatsache der Existenz der Welt und unserer Geburt können wir nichts ändern. Vor<br />

diesem Hintergrund glaube ich, dass wir die Aufgabe haben, das Beste aus der<br />

gegebenen Situation zu machen. Die Frage lautet, was sollen, müssen oder können wir<br />

tun, um zu einem erfüllten, bejahenswerten oder doch wenigstens einem im Großen<br />

und Ganzen zufriedenstellenden Leben zu gelangen? Hierzu weist uns die Philosophie,<br />

deren eigentlicher Bereich seit jeher die Lehre vom richtigen Leben ist (Theodor W.<br />

Adorno, Minima Moralia), den Weg. Nach Sokrates ist das ungeprüfte Leben seinen Preis<br />

nicht wert. Daraus ergibt sich das Postulat, das Leben nicht einfach unreflektiert und<br />

unbewusst dahin ziehen zu lassen sondern die für uns wichtigen Fragen des Lebens zu<br />

prüfen, um schließlich zu einer im Rahmen der gegebenen Bedingungen möglichst<br />

weitgehenden autonomen Lebensführung zu gelangen, die auf das formulierte Ziel, so<br />

wie das einzelne Individuum es versteht, seinen Lebenshorizont, ausgerichtet ist. Es ist<br />

das Anliegen der Philosophie der Lebenskunst, uns bei dieser Arbeit, die wie immer in<br />

der Philosophie ein Unterwegssein ist, insbesondere durch theoretische Reflektion über<br />

die Bedingungen und Möglichkeiten eines gekonnten Lebensvollzugs zu unterstützen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!