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PDF-Datei - Religiosophie

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29<br />

(47) Bevor ich zu einem göttlichen Gericht komme, ist, wie dargelegt, zu ergründen,<br />

welchen Willen in Bezug auf das menschliche Verhalten man einem von uns gedachten<br />

Gott unterstellen könnte. Ich denke hier in erster Linie an die bereits behandelten<br />

ethischen Grundsätze. Danach könnte der Wille Gottes in dem Postulat bestehen, uns<br />

Gedanken über ethisch einwandfreies Verhalten zu machen, d. h. eine eigene Ethik zu<br />

entwickeln oder nach Prüfung ethische Grundsätze anderer zu übernehmen und danach<br />

zu leben. Da es aber durchaus unterschiedliche ethische Auffassungen geben kann,<br />

würde die Seele eines jeden Menschen bei einem göttlichen Gericht danach beurteilt, ob<br />

sie der von ihr für richtig gehaltenen Ethik gefolgt ist. Das würde zu dem absonderlichen<br />

Ergebnis führen, dass der eine Mensch für eine bestimmte Handlung verurteilt werden<br />

könnte, ein anderer für die selbe Handlung nicht. Ich sehe aber keine andere Möglichkeit<br />

als die, dass jeder Mensch, der Gott denkt, seine Vorstellungen über das richtige<br />

menschliche Verhalten auf Gott überträgt, dieses deswegen, weil, wie Jaspers es<br />

ausdrückte, niemand in objektiver Garantie weiß, was Gott will. (Hier wird das Dilemma<br />

des Glaubens an einen Schöpfergott, den sich der menschliche Geist erschafft,<br />

besonders deutlich.)<br />

(48) Wie soll man sich das göttliche Gericht vorstellen? Mit Sicherheit nicht in der Art<br />

eines menschlichen Gerichts wie die Offenbarungsreligionen es tun. Die Art wie<br />

Menschen seit jeher Gericht halten, ist schon für diese, gemessen an ihrem Verstand, auf<br />

den sie sich so viel einbilden, ein Armutszeugnis erster Kategorie, ist ihnen bisher doch<br />

kaum etwas anderes eingefallen, als auf ein tatsächliches oder vermeintliches<br />

Fehlverhalten mit der Knüppel-aus-dem-Sack-Methode zu reagieren. Eine derartige<br />

Veranstaltung kann einem weit über den Menschen stehenden Gott ganz offensichtlich<br />

nicht als Vorbild dienen. Insofern kann man die Vorstellungen der<br />

Offenbarungsreligionen über das göttliche Gericht nur als infantil bezeichnen, wie<br />

übrigens viele andere Vorstellungen dieser Religionen ebenfalls. In Anlehnung an Jaspers<br />

würde ich auch hier sagen:<br />

„Das göttliche Gericht ist nicht, was auch immer wir uns vor Augen stellen.“<br />

(49) Es bleibt die Frage, wie unsere Seele nach dem Tod und nach dem Gang durch das<br />

göttliche Gericht lebt. Die meisten Menschen haben in ihrem irdischen Leben von<br />

anderen Menschen Leid und Unrecht erfahren, viele haben anderen Leid und Unrecht<br />

zugefügt. Menschen haben andere Menschen geliebt, wieder andere gehasst. Das Leben<br />

nach dem Tod sollte schon ein besseres Leben sein als hier, vor allem ein Leben ohne<br />

Zorn oder gar Hass auf andere Seelen, denen man dort begegnen mag, andererseits<br />

auch ohne ein permanent schlechtes Gewissen gegenüber denen, denen gegenüber man<br />

sich auf Erden stets oder in einzelnen Fällen verwerflich verhalten hat. Schafft Gott hier<br />

einen Ausgleich, der dazu führt, dass alle in vollständiger Harmonie miteinander leben?<br />

Man mag es hoffen, aber wie will er das hinbekommen? Man könnte z.B. daran denken,<br />

dass er unsere Erinnerung an das irdische Leben auslöscht oder sie so modifiziert, dass<br />

wir keine belastenden Erinnerungen mehr haben.<br />

(50) Viele stellen sich vor, im Jenseits geliebten Menschen wiederzubegegnen, jedoch<br />

ohne Eifersucht. Hierzu ein einfaches Beispiel: Eine Frau verliert in jungen Jahren ihren<br />

geliebten Ehemann. Später verliebt und verheiratet sie sich erneut. Im Jenseits trifft sie<br />

beide Männer wieder. Dort kann es ja wohl nicht sein, dass die beiden Männer sich

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