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PDF-Datei - Religiosophie

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(37) George Steiner, weltweit tätiger Dozent für philosophische Hermeneutik,<br />

Schriftsteller und Heidegger-Interpret führte in seiner Rede in der Paulskirche am<br />

25.5.2003 anlässlich der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises an ihn, die ich im<br />

Fernsehen verfolgte und die in der FAZ vom 31.5.2003 abgedruckt wurde, folgendes<br />

aus:<br />

24<br />

„Der Mensch ist ins Leben geworfen, um Heideggers gewaltigen Ausdruck zu benützen.<br />

Für diese Geworfenheit gibt es kein Warum, keine grundsätzliche Erklärung. Man kommt<br />

blind oder taub oder von genetischer Krankheit schon im Voraus verurteilt in die<br />

Existenz. Man ist schön wie Apoll oder hässlich wie Sokrates. Einer wird im Wohlstand, in<br />

der Kultur, in der Sicherheit zur Welt kommen, der andere in einem von Hunger oder<br />

Aids verwüsteten afrikanischen oder asiatischen Hinterland. Der eine hat Genie, der<br />

andere verbringt seine Tage in sturer Dummheit oder Hilflosigkeit. ... Geworfenheit ist<br />

ein unergründliches Würfelspiel. ... Es gibt keine mögliche Erklärung für die Lotterie, das<br />

Monte Carlo der Geworfenheit. Dies bedeutet, dass wir alle Gäste des Lebens sind. Das<br />

Sein ist unser Gastgeber. ... Leben heißt, eine willkürliche Gabe in Empfang nehmen.“<br />

Gabe kommt von geben. Das Leben ist uns gegeben, willkürlich bedeutet, dass wir keine<br />

Wahlmöglichkeit hatten. Hätte ein weiser Gott uns nicht über das Leben, das uns auf<br />

diesem Planeten erwartet, ein Leben mit glücklichen Umständen aber auch mit Leid,<br />

Schmerz, Not, Ungerechtigkeit und Grausamkeit aufgeklärt und dann uns die Wahl<br />

überlassen, in dieses Leben einzutreten oder nicht?<br />

Von den in Abschnitt 31 aufgeführten Aussagen will ich in den Abschnitten 38 bis 41 auf<br />

die beiden ersten näher eingehen (Gott, Leben nach dem Tode).<br />

Kein Glaube an die Existenz eines Schöpfergottes<br />

(38) Eine Person soll das Weltall und das Leben auf Erden aus dem Nichts erschaffen<br />

haben. Dieser Person werden weitere unglaubliche Eigenschaften beigemessen: Sie sei<br />

in der Lage, das Leben aller Menschen zu kontrollieren, alle ihre Handlungen<br />

wahrzunehmen und im Gedächtnis zu behalten. Sie verstehe alle Sprachen und Dialekte<br />

und könne sogar Gedanken lesen, und zwar gleichzeitig die Gedanken vieler Milliarden<br />

Menschen und auch diese speichern, um sie zusammen mit den gespeicherten<br />

Handlungen jedem einzelnen Menschen nach seinem irdischen Tod in einem göttliche<br />

Gericht vorhalten zu können. Eine Person mit derartigen Fähigkeiten vermag ich mir nur<br />

schwer vorzustellen.<br />

Es gibt aber noch einen anderen Umstand, der mir den Glauben an einen Schöpfergott<br />

erschwert: die Unvollkommenheit der Schöpfung und das Negative (das Schlechte und<br />

Böse) in der Welt. Für ein überirdisches Wesen mit den beschriebenen Eigenschaften<br />

wäre es doch ein Leichtes gewesen, eine vollkommene und heile Welt zu schaffen, statt<br />

einer Welt, in der jedenfalls die meisten Lebewesen mit der Angst leben müssen, von<br />

anderen gefressen, umgebracht, bedroht, ausgebeutet, beraubt, übervorteilt oder in<br />

anderer Weise schlecht behandelt zu werden. Es geht hier um das Problem der<br />

Theodizee. Dieses hat Georg Steiner im letzten Kapitel seines 1999 in deutsch<br />

erschienenen Werks „Errata, Bilanz eines Lebens“ treffend dargestellt. Die Seiten 206 bis<br />

211 oben sind als Anlage beigefügt.

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