PDF-Datei - Religiosophie
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Für mich ist wie für Steiner und viele andere Denker die völlig verunglückte Schöpfung<br />
mit kaum beschreibbarem Leid und Unrecht und der Gedanke an einen allmächtigen und<br />
allgütigen Gott schlichtweg unvereinbar. Statt mir einen unfähigen oder gar bösartigen<br />
Gott vorzustellen, habe ich mich für die Hypothese „Gott ist nicht“ entschieden und<br />
befinde mich damit in Übereinstimmung mit Nietzsche: „Gott ist eine viel zu extreme<br />
Hypothese“ (XII 212 ff).<br />
Natürlich bin ich mir bewusst, dass viele Menschen an einen Schöpfergott glauben. Man<br />
kann immer wieder beobachten, dass die Menschen vorwiegend das glauben, was sie<br />
glauben möchten. Gewiss gibt es viele, die sich in der Vorstellung eines allmächtigen<br />
Schöpfergottes, der sie leitet und beschützt und ihnen in einem späteren Leben<br />
vollkommene Glückseligkeit verspricht, geborgen fühlen, also an solch einen Gott gerne<br />
glauben möchten und dann auch an ihn glauben.<br />
(39) Ein Hinweis auf die Entstehung des Glaubens der Juden an ihren Gott: Ursprünglich<br />
hatten die Juden (wie übrigens alle archaischen Völker) mehrere Götter; Jehova war nur<br />
einer von ihnen. Sie haben sich dann entschlossen, ihn als alleinigen Gott anzuerkennen,<br />
allerdings nicht ohne Gegenleistung: Er sollte sie zu seinem auserwählten Volk machen<br />
und zu ihnen und nur zu ihnen stehen. Der vielgepriesene Pakt war ein also Geschäft:<br />
Do ut des. So schnell und unter solchen Umständen wurde der Schöpfergott, an den<br />
auch die Christen glauben, geschaffen.<br />
(40) Wenn ich der Annahme, dass kein Schöpfergott existiert, eine höhere<br />
Wahrscheinlichkeit beimesse als der gegenteiligen Annahme, schließe ich damit die<br />
Möglichkeit der Existenz Gottes nicht aus. Daher muss ich ihn, seine Existenz unterstellt,<br />
auch ontologisch einordnen können. Das Alte Testament weist den Weg: Es lässt Jehova<br />
zu Moses sagen: „Ich bin der Seiende.“ Existiert Gott, ist er zweifellos das höchste<br />
Seiende, das alles andere Seiende geschaffen hat, wenn auch nicht aus dem nichts,<br />
sondern durch Umschaffung aus schon immer vorhandenen kleinsten Bausteinen. Als<br />
seiende Entität kann er nicht das Sein selbst sein, wie die Scholastiker annahmen; ich<br />
würde sagen, er ist (von Ewigkeit zu Ewigkeit) mit dem Sein.<br />
Seit Menschengedenken ist der Mensch auf der Suche nach dem Höchsten. In dem<br />
bereits am Ende des Abschnitts 21 auszugsweise wiedergegebenen etwa 3200 Jahre<br />
alten Schöpfungshymnus der Rigveda, heißt es:<br />
Damals war nicht das Nicht-Sein noch das Sein,<br />
kein Luftraum.., kein Himmel..., nicht Tod... noch Unsterblichkeit, nicht Nacht,<br />
nicht Tag.<br />
Es hauchte windlos in Ursprünglichkeit das Eine, außer dem kein anderes war.<br />
Aus diesem ging hervor, zuerst entstanden als der Erkenntnis Samenkorn die<br />
Liebe.<br />
Des Daseins Wurzelung im Nicht-Sein fanden die Weisen forschend in des Herzens<br />
Triebe.<br />
Auch einige Philosophen unseres Kulturkreises haben in späteren Jahrtausenden den<br />
Begriff der oder das Eine für den Urgrund des Lebensstroms verwendet. Lao Tse spricht<br />
in seiner ebenfalls bereits genannten Schrift Tao Te King vom Tao: