03.09.2013 Aufrufe

PDF-Datei - Religiosophie

PDF-Datei - Religiosophie

PDF-Datei - Religiosophie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

36<br />

Wie ist es zu erklären, dass die meisten Menschen, die einigermaßen ernsthaft als<br />

religiös betrachtet werden können, sich zu solchen Religionen bekennen, Religionen, bei<br />

denen es sich – im Lichte analysierenden Verstandes - ganz offensichtlich um von<br />

Menschenhand gefertigte Konglomerate aus Mythen, Wunschvorstellungen, naiven<br />

Phantasien, Geiser- und Dämonenglauben und archaischen Lebensvorstellungen handelt,<br />

vielfach in Verbindung mit Regelwerken und Mechanismen, die den<br />

Religionsfunktionären Geltung und Macht über viele Menschen sichern, Macht, die sich<br />

nicht selten auf Leib und Leben der betreffenden Religionsangehörigen erstreckt und<br />

darüber hinaus auch noch auf das Schicksal in einem angenommenen jenseitigen Leben<br />

(„Wem Ihr die Sünden behalten werdet, dem sind sie behalten“, er kommt also in die<br />

„Hölle“)?<br />

a) Religionen der Erkenntnis zu anspruchsvoll für die breite Masse<br />

„Für die meisten Frommen viel zu anspruchsvoll“, schreibt der Stern über den<br />

Buddhismus. Dieses gilt in gleicher Weise für die anderen Religionen der Erkenntnis. Die<br />

einfachen Menschen wollen Götter, und zwar solche zum Anfassen und zum Anbeten.<br />

Sie wollen auch Wunder erleben (oder wenigstens von solchen hören), und sie wollen<br />

Zeremonien, Mysterien und das ganze Brimborium, mit dem die Religionen des Ich sich<br />

umgeben.<br />

Einer der großen arabischen Philosophen des Mittelalters, Ibn Roschd, latinisiert Averroes<br />

(1126-1198), verstand das Verhältnis von Philosophie und Religion so, „dass die höhere<br />

und reine Wahrheit, die der Philosoph in seiner Philosophie erkennt, in der Religion in<br />

einer bildhaften Einkleidung erscheint, die dem schwachen Verstand der Menge<br />

angepasst ist“ (Störig, S. 279). Im gleichen Sinne hatte sich bereits 1100 Jahre früher<br />

Seneca geäußert. Nietzsche formulierte, Religion sei Platonismus für`s Volk. Averroes<br />

selbst, obwohl dem Islam zugehörig, glaubte wie sein hoch geschätztes Vorbild<br />

Aristoteles und sein großer Vorgänger Ibn Sina, latinisiert Avicenna (980-1037), an einen<br />

gedachten Gott; Allah war die bildhafte Einkleidung für die Menge. Die einfachen<br />

Menschen brauchen Bilder, um das Leben zu verstehen. Die aus philosophischen<br />

Reflektionen gewonnenen Religionen erreichen die Köpfe einer geistigen Aristokratie<br />

(Stern), nicht die Herzen der Frommen. Daher gilt: Die Verbreitung einer Religion<br />

steht im reziproken Verhältnis zu ihren intellektellen Anforderungen.<br />

b) Herdentrieb, gesellschaftliche Zwänge<br />

Wie in Abschnitt 5 dargelegt, vermitteln die Religionen des Ich dem Einzelnen das Gefühl<br />

der Zugehörigkeit zu einer meist großen Gruppe und auch Halt und Trost. Viele ziehen<br />

die Behaglichkeit der Herde und ein beschauliches Leben einem autonom gestalteten<br />

vor, bei dem man ja von seinen Geistesgaben regen Gebrauch machen müsste. Im<br />

Übrigen ist es für viele nicht möglich, die angestammte Religion zu verlassen, ohne aus<br />

Familie und Volk verstoßen oder gar getötet zu werden.<br />

c) Gefährlichkeit unabhängigen Denkens<br />

Nicht an die Meinung der Mächtigen angepasstes Denken war schon immer gefährlich.<br />

Sokrates wurde 400 v.Chr. zum Tode verurteilt, Aristoteles und Averroes wurden gegen<br />

Ende ihres Lebens verbannt, Giordano Bruno 1600 in Rom von der katholischen Kirche

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!