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PDF-Datei - Religiosophie

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Doch es gibt gewiss nicht die Spur eines Beweises dafür, dass dem Menschen eine<br />

derartige Karte überhaupt ausgestellt wurde.<br />

42<br />

Das sind klassische Befunde. Der umfassende Charakter, die Verifizierbarkeit und die<br />

prognostische Kraft des Darwinismus haben ihr Gewicht mit in die Waagschale geworfen<br />

(auch wenn es immer noch hartnäckige Unklarheiten gibt). Während das Jahrtausend<br />

seinem Ende zugeht, liefern Kosmologie<br />

209<br />

und Astrophysik immer kohärentere, experimentell immer besser untermauerte Modelle<br />

der Schöpfung. Der Begriff des »Anfangs« gewinnt seine Mathematik. Die Frage, was<br />

»vor« den Nanosekunden des Urknalls kam, ist Un-Sinn. Mit einer Argumentation, die<br />

unheimlich an Augustinus erinnert, postulieren Kosmologen, dass die Zeit selbst erst<br />

zusammen mit ihrem zugehörigen Kosmos ins Sein tritt - und davon gibt es aller<br />

Wahrscheinlichkeit nach eine unbegrenzte Vielzahl, jeder von ihnen mit seinen eigenen<br />

raumzeitlichen Koordinaten, n-dimensionalen »Strings« von Materie und Anti-Materie,<br />

und keiner durch eine besondere Schöpfung privilegiert. Wir hacken nur deshalb auf<br />

dieser Frage nach dem »Davor« herum, weil der allgemeine Ablauf des menschlichen<br />

Gehirns in einem atavistischen Sprachspiel gefangen ist. Lange Zeit nach Kopernikus<br />

halten wir an »Sonnenuntergang« und »Sonnenaufgang« fest. (Die Mondlandungen<br />

hätten die Vernunft dazu veranlassen sollen, von »Erdaufgang« und »Erduntergang« zu<br />

sprechen.)<br />

Die Erzeugung von sich selbst replizierenden Molekülen in vitro und die Manipulation der<br />

DNS zu geplanten sozio-genetischen Zielen — die Auslöschung von Erbkrankheiten, das<br />

Klonen von Armeen - sind in Reichweite. Diese Entwicklungen werden eine gründliche<br />

Revision unseres konzeptuellen Alphabets erforderlich machen. Was jahrtausendelang<br />

die Bausteine aller theologischen und teleologischen Erzählungen waren, das deistische<br />

Postulat eines universellen Entwurfs durch einen höchsten Baumeister, die Zuschreibung<br />

eines persönlichen, einzigartigen Schicksals, das wird jetzt ausgelöscht oder grundlegend<br />

neu gedacht. Was wird der ontologische Status des menschlichen Lebens, der<br />

Persönlichkeit sein, wenn diese im Laboratorium, in der computerisierten Samenbank<br />

kopiert, verbessert und kontrolliert werden?<br />

Das Bewusstsein ist immer noch ein schwer fassbares Problem. Indem sie, vielleicht<br />

ironisch, Anleihen bei einem ausrangierten Vokabular machen, bezeichnen Biochemiker,<br />

Neurophysiologen, Genetiker und klinische Psychologen das<br />

210<br />

Bewusstseinsproblem als den »Heiligen Gral«. Es stellt heutzutage das überragende Ziel<br />

ihrer Suche dar. Dafür wird man Zeit und Genie brauchen. Doch es besteht, so erklärt<br />

ein Francis Crick, keinerlei Anlass dazu, das Problem als unlösbar zu betrachten. In einer<br />

Wendung, deren aufreizende Zweideutigkeit und Arroganz Eingang in die Sprache<br />

gefunden haben, sind die Naturwissenschaften, die »Theoretiker von allem«, bald so<br />

weit, dass sie »den Geist Gottes« (Hawking) kennen. Das heißt, sie werden bald ein<br />

theoretisch-experimentelles Verständnis von dem neurochemischen Organismus haben,<br />

der aus primitivem, zeitweiligem Mangel an einer besseren Erzählung »Gott« erfand.<br />

Noch einmal Hobbes: »Außerdem riefen sie ihre eigenen Verstandeskräfte unter dem

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