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aufgetischt hat? Nein, der Kritiker kann von dem Plural nicht lassen,<br />

auch wenn er die armen Theaterleute, die bei solcher Gel^enheit<br />

eines ganzen Jahres Sünden abbüßen, schwitzend um sein leibliches<br />

Wohl bemüht sieht. In Prag scheint nämlich »das Theatervölkchen<br />

auf der tiefsten Stufe der Demütigung vor der Presse angelangt zu<br />

sein: »Unsere ersten Schauspielkräfte mühen sich, uns<br />

ein reiches Souper aus zahllosen Hin- und Hergängen<br />

zu verschaffen.« Ich habe in meinem ganzen, an Erfahrungen<br />

vom Wesen der Presse reichen Leben einen Satz von ähnlicher<br />

Verworfenheit nicht gelesen. Der Stolz eines Schmocks, dem Schau-<br />

spieler Kellnerdienste leisten müssen, und die höhnische Generosität,<br />

die statt Trinkgelder Kalauer verabreicht, vereinigen sich zum Ein-<br />

druck einer Gesinnungsniedrigkeit, die selbst mich abgehärtetsten<br />

Leser verblüfft hat. Aber zur Verhöhnung der Rolle, in welche die<br />

Diener der Kunst gezwungen sind, tritt verdientermaßen die Gering-<br />

schätzung des gastfreien Direktors, der sie ihnen, einer verwöhnten<br />

Kritik zu Gefallen, aufgezwungen hat. »Man würde es gar<br />

nicht glauben«, ulkt unser Feinschmecker, nachdem er sich<br />

bei Neumanns breit gemacht hat, »daß in eine solche<br />

Privatwohnung mehr Menschen hineingehen, als tatsächlich<br />

Platz haben.« Ja, gibt's denn so viele Theaterkritiker<br />

in Prag? Ach nein, »die ganze Presse«, erzählt er, »sämtliche<br />

Rubriken vom Leitartikel bis zur Geschäftszeitung« waren ja vertreten.<br />

Und wenn man dazu bedenkt, daß jedes Ich in dieser Ge-<br />

sellschaft eigentlich ein »Wir« ist und nicht bloß sich, sondern<br />

gleich »uns« anpampfen will, so wird es begreiflich, daß Büffet<br />

und Wohnung sich als zu klein erwiesen.<br />

Viele, aber nur zum Schein<br />

Kamen zu den Fresserei'n,<br />

Gingen zum Büffet direkt,<br />

Nahmen sich, was ihnen schmeckt,<br />

Gratulierten nicht einmal<br />

Und verließen das Lokal.<br />

Der Unterschied zwischen der gesamten übrigen Publizistik<br />

und mir wird wieder einmal offenbar: Wir fressen, und ich<br />

übergqj)e mich . .<br />

.<br />

7<br />

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