Die Geschichte der Politischen Korrektheit - WikiMANNia
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Kapitel 4 – Politische <strong>Korrektheit</strong>: Dekonstruktivismus und Literatur<br />
von Jamie McDonald<br />
<strong>Die</strong> Literatur ist, wenn nicht sogar <strong>der</strong> bedeutendste kulturelle Indikator, so doch ein<br />
signifikanter Maßstab für das Zivilisationsniveau einer Gesellschaft. Unsere Natur und unser<br />
Umfeld formen zusammen jede individuelle Persönlichkeit, und diese nutzt wie<strong>der</strong>um<br />
Worte, um sich auszudrücken. <strong>Die</strong> Literatur, als Abbild <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Gesellschaft genutzten<br />
Sprache, ist entsprechend <strong>der</strong> Startpunkt <strong>der</strong> Umgangssprache, ein Fenster zur Kultur.<br />
Eben deshalb ist die heutige Literatur wert, betrachtet zu werden: für die Einblicke, die sie in<br />
unser gegenwärtiges kulturelles Milieu erlaubt. <strong>Die</strong> zeitgenössische amerikanische Literatur<br />
ist mit „-ismen“ überflutet: Marxismus, Freudianismus, Feminismus und so weiter. Viele<br />
dieser „Ismen“ sind akademische Verwandte dessen, was heutzutage als „Politische<br />
<strong>Korrektheit</strong>“ bezeichnet wird. Literarische Theoretiker nehmen ihre spezifische<br />
Interpretation <strong>der</strong> Kritik 32 und wenden Sie auf Literatur an, um in einer „neu entdeckten“<br />
Bedeutung vorhandener Bücher und Schriften Selbstbestätigung zu finden. Für einen<br />
feministischen Kritiker zum Beispiel hat Andrew Marvels „Upon Appleton House“ 33 nicht die<br />
Schönheit <strong>der</strong> Landschaft als Thema, son<strong>der</strong>n handelt statt dessen vom Negativen <strong>der</strong><br />
patriarchalischen Erbfolge. <strong>Die</strong>se „Kulturkritiker“, so bezeichnet, weil sie Literatur aus <strong>der</strong><br />
Sichtweise einer bestimmten Kultur heraus kritisieren, kamen in den 1960ern auf, aber ihre<br />
Art <strong>der</strong> Kritik begann erst mit dem Dekonstruktivismus 34 in den 1970ern Fahrt aufzunehmen.<br />
<strong>Die</strong> Arbeiten des Vaters des Dekonstruktivismus, Jacques Derrida, wurden ab Mitte <strong>der</strong><br />
1970er Jahre aus dem Französischen vom amerikanischen Professor Gayatri Spivak<br />
übersetzt, 35 einer Zeit, in <strong>der</strong> die amerikanische Literaturlandschaft reif für den Einfluß<br />
32 AdÜ.: hier ist die Kritische Theorie gemeint<br />
33 AdÜ.: ein Country house poem, ein Genre <strong>der</strong> englischen Literatur. Mit den Gedichten wurden Freunden o<strong>der</strong><br />
vermögenden Wohltätern Komplimente gemacht, indem <strong>der</strong>en Landhäuser beschrieben wurden.<br />
34 AdÜ.: Der Dekonstruktivismus ist in <strong>der</strong> Tat eine <strong>der</strong> wirksamsten Waffen <strong>der</strong> kulturellen Marxisten, da er die<br />
„Belegung“ von Texten und Worten mit Doppeldeutigkeiten vornimmt, um auch sehr alten Texten losgelöst<br />
von den Hintergründen ihrer Entstehung eine dem jeweils gewünschten kulturellen Duktus entsprechende<br />
Deutung aufzudrücken. Durch das völlige Außerachtlassen <strong>der</strong> kulturellen Umstände und auch <strong>der</strong><br />
Wortbedeutungen während des Entstehens <strong>der</strong> Werke, und die Anwendung heutiger Wortbedeutungen,<br />
insbeson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> durch die Politische <strong>Korrektheit</strong> verän<strong>der</strong>ten Bedeutungen, ziehen die Kulturellen Kritiker<br />
Textinterpretationen an den Haaren herbei, so daß auch sehr alte Werke augenscheinlich die Thesen <strong>der</strong><br />
kulturellen Marxisten bestätigen.<br />
35 AdÜ.: ins Englische. Nach Deutschland kam dieser Kelch schon eher, 1972 erschien das erste Werk im<br />
Suhrkamp-Verlag<br />
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