Magazin #22 - Der Club zu Bremen
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Franz Ganss<br />
Weil der Vortragssaal im Schütting <strong>zu</strong> klein war, musste der <strong>Club</strong><br />
<strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong> für den Vortrag von Dirk Roßmann, Gründer und Geschäftsführer<br />
der inhabergeführten Drogeriekette Rossmann in<br />
den Konferenzsaal des Hilton Hotels ausweichen. Knapp 200 Mitglieder<br />
des <strong>Club</strong>s und ihre Gäste waren gekommen, um den Chef<br />
der zweitgrößten Drogeriemarktkette Deutschlands, den Herren<br />
über 1800 Filialen mit 26 000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz<br />
von fast 6 Milliarden Euro kennen <strong>zu</strong> lernen.<br />
Und der 1946 in Hannover Geborene entschuldigte sich erst einmal,<br />
dass er kein Manuskript mitgebracht habe. Er hätte so viel<br />
Interessantes <strong>zu</strong> erzählen, dass er stundenlang vortragen könnte<br />
über sein Leben, seine Arbeit, seine Geschäfte, sein unternehmerisches<br />
Selbstverständnis, seine Moral und sein Verhältnis <strong>zu</strong>r<br />
Politik und, und, und. „Bitte Herr Vorsitzender, unterbrechen Sie<br />
mich, wenn ich <strong>zu</strong> lang oder ausschweifend werde.“ Um es vorweg<br />
<strong>zu</strong> nehmen, Dirk Roßmann wurde nicht unterbrochen. Als er<br />
nach knapp eineinhalb Stunden selbständig <strong>zu</strong>m Ende kam, war<br />
eher Bedauern der Zuhörer <strong>zu</strong> spüren. Gerne hätte man ihm, der<br />
so lebendig und unverstellt sein Publikum mit immer neuen Geschichten<br />
traktiert, noch weiter <strong>zu</strong>gehört.<br />
Wie er 1972 seinen ersten Drogeriemarkt mit Selbstbedienung<br />
nahe der Lister Meile in Hannover gründete und selbst überrascht<br />
war, dass die Monatsumsätze von Anfang an das Zehnfache<br />
dessen betrugen, was er vorsichtig kalkuliert hatte. <strong>Der</strong><br />
Mann, der sich <strong>zu</strong>m Frühstück am liebsten ein Müsli und einen<br />
grünen Tee gönnt, habe schon als Kind gewusst, dass er später<br />
einmal etwas Großes machen werde. Sein erstes Geld im Handel<br />
verdiente er als Schüler mit dem Verkauf von Drogeriewaren aus<br />
der elterlichen Drogerie an Nachbarn. Gewinn 10 Prozent, das<br />
hat Appetit auf mehr gemacht. Nach der Volksschule absolvierte<br />
er eine Lehre im elterlichen Geschäft, um nach dem Tod des früh<br />
verstorbenen Vaters die Verantwortung in der kleinen Drogerie<br />
<strong>zu</strong> übernehmen. Dass er ein eigenständiger, nicht selten auch<br />
eigenwilliger Kopf ist, bekam die Bundeswehr <strong>zu</strong> spüren. Weil er<br />
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mit Erreichen der Volljährigkeit von der Bundeswehr ohne Rücksicht<br />
auf seine Verantwortung im elterlichen Betrieb eingezogen<br />
wurde, leistete er subtilen Widerstand. „Angesichts der Tatsache,<br />
dass ich der einzige Ernährer meiner Familie war, fühlte ich mich<br />
<strong>zu</strong> Unrecht eingezogen“, erzählt er. Seine Klage gegen den Einberufungsbescheid<br />
zog sich hin und so führte er in der Kaserne<br />
grundsätzlich keine Befehle seiner Vorgesetzten aus. Statt dessen<br />
wiederholte er Tag ein Tag aus seine stereotype Ansage: „Mein<br />
Name ist Dirk Roßmann und ich klage gegen die Bundesrepublik<br />
Deutschland.“ Daraufhin sei er in die Nervenklinik Langenhagen<br />
verbracht worden, wo er nach vier Wochen entlassen wurde,<br />
nicht nach Hause, sondern <strong>zu</strong> seiner Einheit. Dort stieg er, so<br />
erzählt er schmunzelnd seinen Bremer Zuhörern, auf den höchsten<br />
Baum der Kaserne, um den Feldjägern, die ihn <strong>zu</strong>m Abstieg<br />
veranlassen wollten, mit<strong>zu</strong>teilen, dass er freiwillig erst herunterkäme,<br />
wenn er die Zusage hätte, in seine Drogerie entlassen <strong>zu</strong><br />
werden. Das geschah an seinem Geburtstag.<br />
Diese Geschichte erzählt Roßmann gerne, um Mut <strong>zu</strong> machen,<br />
dem Staat auch einmal Paroli <strong>zu</strong> bieten. Die Kasernenepisode<br />
erzählt aber auch viel über Dirk Roßmann, seine Kämpfernatur,<br />
seine Unerschrockenheit, steile Wege <strong>zu</strong> gehen und sein schier<br />
grenzenloses Selbstbewusstsein. Wenn andere Romane gelesen<br />
hätten, habe er Kant, Hegel und andere deutsche Geistesgrößen<br />
studiert. Und nicht nur ein Buch. Wenn ihn ein Philosoph gepackt<br />
hätte, habe er nicht ruhen können, bevor er alle bedeutenden<br />
Werke dieses Klassikers gelesen hätte. Offen erzählt er<br />
auch von schweren Stunden. 1996 habe die Expansion seiner<br />
Drogeriemarktkette so viel Kapital verschlungen, dass die Banken<br />
unruhig wurden und angesichts der „hohen Verschuldung“<br />
einen „tierischen Druck“ gemacht hätten. <strong>Der</strong> erfolgverwöhnte<br />
Roßmann bekam einen Herzinfarkt. Die Lektion aus diesen Tagen<br />
habe er gelernt.<br />
Seine Beziehung <strong>zu</strong> dem ehemaligen Konkurrenten Anton Schlecker<br />
sei nach wie vor gut. „Unser Verhältnis ist freundschaft-