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Magazin #22 - Der Club zu Bremen

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Müde streckt sich Engels auf dem Bett aus, lauscht den Glocken<br />

des nahen Domes und schläft ein. Sein letzter Gedanke ist, ich<br />

muss einen Ausweg finden. Eine Woche später, sein Vater war<br />

bereits wieder nach Wuppertal abgereist, hatte er Quartier bezogen<br />

bei Pastor Treviranus, Martinikirchof 2, und war vorstellig<br />

geworden beim Großhandelskaufmann und Sächsischen Konsul,<br />

Heinrich Leupold, in der Martinistraße 11, bei ihm sollte er seine<br />

Ausbildung fortsetzen.<br />

Das Martiniviertel an der Weser gefiel dem jungen Engels sofort.<br />

Die alte, im 12. Jahrhundert erbaute Kirche nebst Pfarrhaus ,in<br />

dem er wohnte, der <strong>zu</strong>r Weser gelegene Kirchgarten, in dem, wie<br />

er schnell feststellte, sich herrlich lesen und denken ließ, die<br />

prächtigen Bürgerhäuser und der nahe Ratskeller, all das versprach<br />

eine leidlich angenehme Zeit.<br />

Weniger erfreut war Engels über die Bibelsprüche und Ermahnungen<br />

des orthodoxen, calvinistischen Pastors, mit denen ihm<br />

dieser täglich begegnete. Ansonsten war der Pastor sehr umgänglich.<br />

Sogar einen Schnurrbart, der in den Kontorräumen verpönt<br />

war, und den Engels sich wachsen ließ, wurde von ihm toleriert.<br />

<strong>Der</strong> Pastor und seine Frau hatten viele Schicksalsschläge<br />

verkraften müssen, dennoch war sein Glaube unerschütterlich.<br />

Sechs Kinder waren ihm früh verstorben. Zwei Töchter, die<br />

19-jährige Katharina-Maria und die 10-jährige Margarethe gehörten<br />

noch <strong>zu</strong>r Familie. Außerdem waren häufig Gäste im Haus.<br />

Die ältere Tochter Maria betrachtete der lebenslustige Rheinländer<br />

mit Wohlgefallen, hielt sich aber <strong>zu</strong>rück, da der Pastor nachdrücklich<br />

auf Sitte und Anstand achtete. Sie entsprach so gar<br />

nicht dem Bild, welches ein Bremer Literat, Eduard Beumann in<br />

seinen Skizzen aus den Hansestädten von den Bremerinnen gezeichnet<br />

hatte.<br />

Mit großer Heiterkeit hatte Engels diese Skizzen gelesen. Beumann<br />

hatte geschrieben:<br />

„Wo die Bremerin mit dem Fuß hintritt, da wächst kein Gras<br />

mehr…“<br />

„Sie sind eher plump als graziös und haben meist niederländische<br />

Züge…“<br />

„Sie sind Blei an den Füßen ihrer Ehemänner…“<br />

Nach einigen Wochen fühlte sich der junge Engels in <strong>Bremen</strong><br />

recht heimisch. Die Monotonie des Kontorlebens ertrug er mit<br />

stoischem Gleichmut, Ebenso die frömmelnden Tischgespräche<br />

bei Treviranus. Oh, diese Religion! Schon im Elternhaus, als<br />

Schüler, hatte er innerlich aufbegehrt gegen die pietistische Erziehung<br />

und enge Auslegung der Bibel, als sei Gott ein Buchhalter.<br />

Schon mit seinem Freund Wilhelm Graeber hatte er heimlich<br />

darüber gelästert und sich früh angewöhnt, ein Doppelleben <strong>zu</strong><br />

führen. Er hatte gelernt, seine inneren Kämpfe, seine ketzerischen<br />

Gedanken sorgfältig vor der Öffentlichkeit <strong>zu</strong> verbergen.<br />

73<br />

Diese Haltung behielt Engels auch in <strong>Bremen</strong> bei. Lesend saß er<br />

häufig im neuen Caféhaus am Domshof, hier gab es sogar ein<br />

Billardzimmer. Er besuchte das alte Theater am Wall oder verbrachte<br />

ganze Abende disputierend im Ratskeller. Am liebsten<br />

aber saß er im Kirchgarten, sah den Schiffen auf der Weser nach<br />

und las, was er nur in den Buchhandlungen auftreiben konnte.<br />

Heine, Schiller, Goethe, Schelling…<br />

Buch um Buch befreite Engels sich mittels Lektüre und Zwiegespräch<br />

von der Tradition der Rechtgläubigkeit. Ich bin jetzt dahin<br />

gekommen, nur die Lehre für göttlich <strong>zu</strong> halten, die vor der<br />

Vernunft bestehen kann, gestand er sich ein.<br />

An den Freund Graeber schrieb er:<br />

……bei kostbarem Wetter im Garten gesessen, geraucht und Lusiande<br />

gelesen…<br />

es liest sich nirgends so gut als im Garten, mit einer Pfeife im<br />

Mund. Bin <strong>zu</strong> großen Erkenntnissen gelangt……..<br />

Eines Abends im Ratskeller beim flackernden Licht der Kerzen,<br />

der Wein hatte seine Phantasie angeregt, kam ihm eine zündende<br />

Idee. Seinem klaren Verstand war schon lange aufgefallen,<br />

dass in der bremischen Bürgerschaft kein revolutionärer Geist<br />

vorherrschte. Allenfalls unter den Zigarrenmachern gab es einige<br />

Arbeiter, die aufrührerischen Ideen nahe standen.<br />

<strong>Der</strong> Senat, unter Führung von Bürgermeister Smidt, einem sonst<br />

weitschauenden Politiker, betrieb eine autoritäre Politik. Was also<br />

war <strong>zu</strong> tun? Ich muss schreiben, denkt er, muss Sprachrohr neuer<br />

Ideen werden. Aber wie? Wer würde Artikel von einem unbekannten,<br />

jungen Kaufmannslehrling veröffentlichen? Wer, Wer, Wer?<br />

Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. „Oswald“, ruft er. Ab jetzt<br />

schreibe ich unter dem Namen Friedrich Oswald. „Friedrich Oswald“,<br />

flüstert er nochmals gedehnt.<br />

Ob dieses genialen Einfalls ordert er mit ausholender Geste einen<br />

weiteren Humpen Wein. Schon überschlagen sich in seinem<br />

Kopf Pläne. Für die Geheimorganisation -Junges Deutschland-<br />

werde ich Artikel schreiben. Kritische, aufwühlende Artikel wie<br />

Heine, Börne, Laube, Gutzkow. Engels ist voll entflammt. Schon<br />

bald erscheinen seine Berichte in wichtigen deutschen Publikationen.<br />

In Gutzkows „Thelegraph für Deutschland“, im „Deutschen<br />

Courier“, im „Morgenblatt für gebildete Leser und Mitternachtszeitung“.<br />

Seine Artikelserie „Briefe aus Wuppertal“ erregen schon bald die<br />

Gemüter. Er schreibt: Die Barmer Stadtschule liegt ganz in den<br />

Händen eines beschränkten, knickerigen Kuratoriums……..<br />

Leute, die zwar einen Posten sehr korrekt ins Hauptbuch übertragen<br />

können, aber von Griechisch, Latein oder Mathematik keine

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