Magazin #22 - Der Club zu Bremen

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56 Wirtschaft Das Geschäft mit der Nachhaltigkeit Der Bremer, Hasso Nauck, gilt als vielfach ausgewiesener Schokoladenfachmann. Der ehemalige Marketingchef von Jacobs Suchard, verantwortlich für die Schokoladenmarke Milka, hatte im Jahr 2000 zusammen mit seinem Partner Wolf Kropp-Büttner die Bremer Schokoladenmanufaktur Hachez gekauft und damit das Unternehmen, das Naucks Urgroßvater, der belgische Chocolatier Joseph Hachez 1890 gegründet hatte, zurück in die Hände der Familie gebracht. Als Inhaber-Manager gelang es ihm und seinem Partner recht schnell, Hachez zur Nummer zwei im Markt der Premiumschokoladen zu machen. Im Januar 2013 trat Nauck als Geschäftsführer des Unternehmens zurück. 2012 hatten er und sein Mitgesellschafter Kropp-Büttner Hachez an den dänischen „Toms“- Konzern verkauft. Der meinungsfreudige Oldtimer-Liebhaber Nauck hielt seiner Branche, aber auch der Politik nicht selten den Spiegel vor. Seine Branche überraschte der Marketingexperte immer wieder mit süßen Innovationen. Der Nachhaltigkeitsdiskussion, der sich auch die Schokoladenindustrie seit eini gen Jahren stellen muss, begegnete er mit einem ungewöhnli chen Projekt. Der in der Branche auch Schokoladenprinz genannte kreierte ein Wildkakaoprojekt, das nicht nur bei ökologisch enga gierten Konsumenten auf viel Sympathie stieß. In Südamerika, im Amazonasdelta, kaufte er Wildkakao, um daraus eine ganz besonders exklusive Schokolade zu produzieren. Die Kakaobohnen müssen mühsam per Hand von den wild zwischen anderen Urwald pflanzen wachsenden Kakaobäumen geerntet werden. Sie sind wesentlich kleiner als die von Plantagenbäumen aber sehr viel intensiver im Aroma. Nauck vergleicht den Unterschied zwischen dem einer Walderdbeere und einer Planta- generdbeere, räumt gleichwohl ein, dass diese Form nachhaltiger Produktion für den Massenmarkt nicht wirtschaftlich sein kann. Auf einem Schokoladen-Symposium Ende 2012 in Bremen noch hatte Nauck sich kritisch über Nachhaltigkeit als Marketinginstrument der Kakaobranche geäußert. Herr Nauck, was stört Sie an dem Boom der Nachhaltigkeitsdiskussion in der Schokoladenbranche? Der Anteil an ehrlich nachhaltig produzier tem Kakao auf der Welt ist, allen Marketingbekenntnissen zum Trotz, immer noch verschwindend gering. Bei allen Bemühungen, Nachhaltigkeits-Natürlichkeits- und Ehrlichkeitskomponenten in die Produkte zu bringen, die Erwartungshaltung der Konsumenten werde dadurch zwar bedient, die Konsumenten sind in der Breite aber kaum bereit, den erforderlichen Mehrpreis an der Ladentheke zu bezahlen. Das ist die eine Seite. Nachhaltig produzierter Kakao ist teuer. Die andere Seite, das sind die Produzenten in den Ursprungsländern des Kakao, denen schlicht das Geld fehlt, die eigenen Plantagen zu kultivieren, rechtzeitig nachzupflanzen, um die Baumqualität zu erhalten und letztendlich auf Pestizide, die einen Mehrertrag sichern, zu verzichten. Und wie sieht es mit einer Verbesserung der sozialen Bedingungen für die vielen kleinen Kakaobauern aus, wie kann man die Kinderarbeit in diesen Regionen abbauen? Viele Firmen initiieren für einige der Plantagen, von denen sie Kakao beziehen, Sozialprojekte, indem sie in Bildungseinrichtungen investieren und dafür sorgen, dass die Kinder eine Schulausbildung erhalten, dass Kinderarbeit nicht mehr statt findet. Aber, wie gesagt, das sind einzelne Projekte, das sind keine flächendeckenden Maßnahmen. Wir müssen dabei ja auch sehen, dass vieles, was für uns Europäer mittlerweile nicht mehr akzeptabel ist, in den Produzentenländern nichts Verwerfliches ist. Kinderarbeit sichert nicht selten das Existenzminimum für eine ganze Familie. Wer auf die Abschaffung dringt, muss einen sozialen Ausgleich schaffen. Da ist die Schokoladenindustrie alleine hoffnungslos überfordert. Wo sehen Sie die Lösung? Das kann nur von den jeweiligen Regierungen in den Erzeugerländern gelöst werden. Dabei kommt unseren Regierungen in den Nachfrageländern eine besondere Verantwortung zu. Die müssen auf die Erzeugerländer einwirken, auch mit gezielten Entwicklungshilfen, damit diese in die Lage versetzt werden, die Bedingungen anders zu gestalten.
Und was könnte die Rolle der Schokoladenindustrie sein? Gemeinsames Handeln für ein gemeinsames Nachhaltigkeitsziel. Die Großen der Branche haben als Nachfrager zusammen eine gigantische Marktmacht. Wenn diese Nachfragemacht solidarisch gegenüber den Ursprungsländern eingesetzt würde, käme einiges in Bewegung. Mittlerweile ist der Druck auf die Schokoladenindustrie so groß, dass zumindest der Verband der Deutschen Süßwarenindustrie für seine Mitglieder zur, allerdings freiwillig zu erfüllenden, Auflage gemacht hat, dass diese bis 2020 einen erheblichen Teil ihres Kakaos ausschließlich von nachhaltig bewirtschafteten Kakaofarmen beziehen. Die Frage ist nur, wird es bis 2020 überhaupt genug Kakao auf dieser Welt geben, der nachhaltig produziert wird? 57
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