Europa liest - Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
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in ganz arabien werden jährlich<br />
35 Bücher pro eine Million araber<br />
gedruckt, in Deutschland sind<br />
es über 700 Bücher pro Million<br />
einwohner.<br />
pal gab, der in der Zeit von 660 bis 630 vor<br />
christus ein mächtiges reich von Ägypten<br />
bis zur heutigen türkei beherrschte. Dieser<br />
mächtige König war belesen und ging gerne<br />
auf löwenjagd. später wurde er zu einem<br />
häufchen kalkhaltiger Mineralien und noch<br />
ein wenig später saugten primitive pflanzen<br />
seine letzten spuren auf.<br />
auch ermuntert mich eine Besonderheit<br />
meiner Biografie zum lachen. Meinen lebenslauf<br />
kann man mit einem Wort charakterisieren:<br />
Minderheitensammler. Dieses<br />
Dauerleben am rande schenkt einem komische<br />
Momentaufnahmen von der Mehrheit,<br />
die vieles nicht sieht, weil sie mitten im<br />
strudel in Bewegung ist.<br />
Lachen aus der Wunde<br />
Vielleicht war das lachen auch ein Versuch<br />
der auflehnung gegen das Düstere. ich<br />
nannte die satiren der arabischen schriftsteller<br />
in einem essay: „lachen aus der<br />
Wunde“. ich habe zudem mit fünfzehn,<br />
sechzehn Jahren als süchtiger Zuhörer und<br />
angehender erzähler entdeckt, dass lachen<br />
ein raffinierter schmuggler ist. Man kann<br />
manchmal in einer kurzen lachgeschichte<br />
mehr verstecken, als ernsthafte autoren in<br />
dicken Bänden.<br />
ich habe das selbst erprobt und fand meine<br />
eigene Mischung: zwischen heiterkeit<br />
und trauer, härte und Zärtlichkeit, lüge<br />
und Wahrheit. und auch zwischen orient<br />
For tschritt <strong>Europa</strong> ?<br />
und okzident. als ich in die Bundesrepublik<br />
kam, verstummte ich vor staunen und<br />
brauchte eine Weile, um meine sprache wieder<br />
literarisch zu gebrauchen. Deutsch habe<br />
ich verhältnismäßig schnell gelernt, aber ich<br />
beherrsche die sprache nicht. ich liebe sie.<br />
Während ich noch über die moderne Gesellschaft<br />
staunte, begriff ich schnell, dass in<br />
Deutschland heitere und spannende literatur<br />
nicht ernst genommen wird. Nie gerät<br />
ein schlechtgelaunter autor in diesem land<br />
in den Verdacht unseriös zu sein und das ist<br />
einer der größten irrtümer der <strong>deutsch</strong>en literatur<br />
der Gegenwart, der auch Mitschuld<br />
trägt am rückgang der stellung der <strong>deutsch</strong>en<br />
literatur auf der Weltrangliste.<br />
aber diese erkenntnis erleichterte nicht<br />
den start. ich stand vor einem großen problem.<br />
Natürlich fragt man sich beim schreiben<br />
nach der rezeption seiner literatur. es<br />
gibt immer die simple Frage, ob ich beim<br />
schreiben an die leser denke. Die antwort<br />
lautet „nein“ in dem sinne, dass ich <strong>für</strong> niemand<br />
spezielles schreibe, nicht <strong>für</strong> die literaturkritik<br />
und auch nicht <strong>für</strong> eine bestimmte<br />
partei oder Menschengruppe. aber<br />
es wäre schlicht verlogen zu sagen, ich schreibe<br />
und es interessiert mich nicht, ob mein<br />
Buch gelesen wird.<br />
Was also tun?<br />
Damit ich nicht <strong>für</strong> einen helden gehalten<br />
werde, muss ich etwas über die wichtigste<br />
entscheidung in meiner literarischen<br />
laufbahn kundtun. exil ist nicht nur bitter.<br />
exil macht mutig, öffnet Wege und Wunden,<br />
verlangt viel arbeit, aber beschenkt<br />
auch mit beiden händen. ich wäre nie zu<br />
dem autor geworden, der ich heute bin,<br />
wäre ich nicht nach Deutschland gekommen.<br />
hier genoss ich die Freiheit und die<br />
Demokratie, die mich bis heute fasziniert.<br />
Mit einem schlag war ich meiner sippe einschließlich<br />
erpresserischer tanten, onkel<br />
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