Europa liest - Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
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For tschritt <strong>Europa</strong> ?<br />
nehmen es als überaltert wahr oder finden,<br />
dass es nicht die innovative Kraft amerikas<br />
hat bzw. ebenso kraftvoll seine interessen<br />
durchsetzt.<br />
es wäre müßig, sich darüber zu ärgern<br />
oder dagegen anzugehen. Möglicherweise<br />
ist es sogar ein Vorteil, weil es den europäern<br />
ermöglicht, ihr leben zu leben und ihre<br />
Ziele zu verfolgen, ohne unter dem rampenlicht<br />
zu leiden, das auf alles fällt, was<br />
aus amerika kommt.<br />
Aufgeblähte Gedanken<br />
Von entscheidender Bedeutung ist in<br />
diesem Zusammenhang, dass der schriftsteller<br />
sich möglicherweise nach dem ruhm<br />
und reichtum sehnt, den Übersetzungen<br />
und internationale anerkennung vielleicht<br />
mit sich bringen. andererseits ist es wohl<br />
das schlimmste, was ihm als Mensch und<br />
schriftsteller passieren kann, diese Ziele zu<br />
erreichen. Nichts wird seine arbeit mehr<br />
verwässern, ablenken und verfälschen als<br />
ein bedeutender internationaler erfolg und<br />
die das ego aufblähenden Gedanken, wenn<br />
er zeitgleich in mehreren ländern veröffentlicht<br />
wird.<br />
es gibt nichts, was einen nationalen<br />
Kulturkreis stärker der wertvollen Beiträge<br />
seiner autoren beraubt, als die Verlockungen<br />
weltweiter Berühmtheit. auch<br />
wenn schriftsteller genau wie afrikas talentierte<br />
Fußballspieler nicht unbedingt ins<br />
ausland gehen, so sind sie in Gedanken<br />
doch anderenorts.<br />
Mehr als der ersehnte ruhm ist <strong>für</strong> den<br />
schriftsteller der Freiraum <strong>für</strong> seine arbeit<br />
von großer Bedeutung – jene Freiheit, genau<br />
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das zu sagen, was er sagen möchte – jetzt,<br />
genau in diesem augenblick, in Glasgow,<br />
in Bonn, in Dijon – und nicht mit Blick auf<br />
die Verkaufszahlen in New York.<br />
Genau das macht die europäische union<br />
so bedeutend. Dies ist die einzige rolle,<br />
mit der sie sich nach auffassung der autoren<br />
befassen soll: <strong>für</strong> Freiheit zu sorgen. innerhalb<br />
der eu genießen britische, irische,<br />
italienische und <strong>polnische</strong> schriftsteller die<br />
völlige Freiheit der Meinungsäußerung. sie<br />
verfügen über das beruhigende Wissen, dass<br />
es <strong>für</strong> den jeweiligen nationalen Kulturkreis<br />
sehr schwer sein wird, sie innerhalb der<br />
größeren Gemeinschaft zu verfolgen. Diese<br />
Freiheit ist das größte Geschenk, das jede<br />
regierung ihren Künstlern machen kann,<br />
und gleichzeitig die stärkste Zurechtweisung<br />
all jener länder, die sich anders verhalten.<br />
es ist sehr wichtig, zu erkennen, dass ich<br />
nicht von wirtschaftlicher Freiheit spreche.<br />
es ist nicht die aufgabe der europäischen<br />
union, zu entscheiden, ob dieser oder jener<br />
schriftsteller gefördert werden soll, während<br />
ein anderer sich selbst durchschlagen<br />
muss. Derartige entscheidungen werden<br />
stets politischer oder – noch schlimmer –<br />
persönlicher Natur sein. um heutzutage die<br />
eigene Meinung, die eigenen Gedichte, Geschichten<br />
oder sogar romane zu veröffentlichen,<br />
muss man nur einen Blog starten, der<br />
nichts außer energie und hingabe kostet.<br />
Der Fluss von information, Kreativität oder<br />
schlichten Worten ist schwindelerregend.<br />
Währenddessen entwickelt sich der traditionelle<br />
Buchmarkt immer mehr zu einer<br />
angelegenheit großer Ketten, die eine im-<br />
Mensch zu sein sollte<br />
als Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
genügen.