Europa liest - Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
Europa liest - Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
Europa liest - Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Wir unterhielten uns auf Deutsch, und<br />
ich übersetzte <strong>für</strong> das publikum ins Französische.<br />
unsere ausführungen waren weder<br />
besonders akademisch noch schwer verständlich,<br />
vielmehr war es eine lebensnahe<br />
erfahrung sprachlichen Miteinanders und<br />
europäischer themen.<br />
Der leiter des ehrwürdigen hauses aber<br />
versuchte uns zu unterbrechen, stieg auf das<br />
podium und insistierte auf dem angekündigten<br />
thema: europa! in seinen augen waren<br />
Bernhard, Jelinek und Kofler nicht „europäisch“<br />
genug. Dann wiederholte er mit<br />
Nachdruck einen berühmten ausspruch<br />
umberto ecos: „Die Übersetzung ist die<br />
sprache europas.“ ohne jeden Willen zur<br />
polemik bin ich der ansicht, dass wir es<br />
hier mit einem guten Beispiel <strong>für</strong> die Gefahren<br />
von allgemeinplätzen zu tun haben,<br />
die die Debatte plagen. Die herausforderungen,<br />
mit denen europa nämlich allzu oft<br />
zu tun hat, sind mitunter technischer und<br />
sogar ziemlich nüchterner Natur und betreffen<br />
die Übersetzung, das Dolmetschen<br />
sowie die Übersetzer- und Dolmetschervergütung.<br />
„Ein Zeichen sind wir, deutungslos,<br />
Schmerzlos sind wir und haben fast<br />
Die Sprache in der Fremde verloren.“<br />
Hölderlin, Mnemosyne<br />
es hat etwas Beruhigendes, sich über das<br />
Übersetzen im allgemeinen oder die Bedeutung<br />
ausländischer literaturen zu verständigen,<br />
aber tatsächlich ist es so, dass<br />
sehr wenige autoren außerhalb der Grenzen<br />
ihrer sprache wahrgenommen werden, und<br />
dass der Kulturbetrieb sich weiterhin um<br />
seine nationalen autoren herum organisiert.<br />
(eine ausnahme bildet die amerikanische<br />
literatur, der – weitgehend verdient – allseits<br />
große aufmerksamkeit zuteil wird.)<br />
For tschritt <strong>Europa</strong> ?<br />
Man muss also immer wieder an die wesentliche<br />
rolle der Übersetzer erinnern. als<br />
französischer romanautor, der ins Deutsche<br />
übersetzt wurde (von Katja roloff) als auch<br />
als französischer Übersetzer von peter Weiss<br />
habe ich viel zu oft die erfahrung gemacht,<br />
dass der Name des Übersetzers in rezensionen<br />
oder Buchpräsentationen nicht einmal<br />
erwähnt wird.<br />
Anonyme Dienstleistung<br />
Die empfindliche Übertragung von einer<br />
sprache in einer andere, die vielen stunden,<br />
in denen man sich wegen dieser oder jener<br />
idiomatischen Wendung die haare rauft,<br />
autoren oder native speakers befragt, um<br />
einen unbekannten ausdruck zu verstehen<br />
und nachzubilden – all diese arbeit wird<br />
als vage anonyme Dienstleistung angesehen<br />
und viel zu oft nicht anerkannt. Der Glaube<br />
an eine transparenz der sprachen, die süßliche<br />
ideologie eines tout communicationnel,<br />
einer Vorstellung allgegenwärtiger Kommunikation,<br />
ist weiter verbreitet als gedacht.<br />
im Februar 2007 entbrannte in Deutschland<br />
eine auseinandersetzung, in deren<br />
Zuge mehrere leitartikler die auf eine<br />
bessere Vergütung drängenden Übersetzer<br />
scharf kritisierten und als Diven verspotteten.<br />
es ist bestürzend, wenn man erfährt,<br />
dass die 1800 Zeichen umfassende <strong>deutsch</strong>e<br />
Normseite schlechter bezahlt wird als<br />
die um 300 Zeichen kürzere französische<br />
Normseite. Man muss auch wissen, dass ein<br />
Übersetzer meistens mehrere Berufe gleichzeitig<br />
ausübt: er soll der agent desjenigen<br />
autors sein, den er zu übersetzen wünscht,<br />
und es ist oft an ihm, einen anderssprachigen<br />
lektor davon zu überzeugen, sich <strong>für</strong><br />
149