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Europa liest - Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit

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For tschritt <strong>Europa</strong> ?<br />

der roten-armee-Fraktion bis hin zu der<br />

sängerin Nico. ich habe mich nie als historiker<br />

oder spezialist <strong>für</strong> diese Fragen auf<br />

ein so eminent heikles und problematische<br />

terrain gewagt, sondern ich habe meine<br />

eigenen bio grafischen spannungen darauf<br />

projiziert.<br />

ich habe also versucht, einen möglichen<br />

Baader und Fassbinder zu imaginieren (genauso<br />

glaubwürdig und wahrscheinlich wie<br />

ihre historischen Vorbilder), und zwar mit<br />

dem Blick des Franzosen, der die filmischen<br />

collagen eines Godard ebenso aufgesogen<br />

hat wie die Gedichte eines apollinaire und<br />

von der Boxtechnik eines Mohammed ali<br />

nicht weniger fasziniert war; indem ich also<br />

aus historischem und künstlerischem oder<br />

sportlichem und fremdländischem Material<br />

schöpfte und mich so der <strong>deutsch</strong>en<br />

Geschichte näherte.<br />

Dass auch Genres und einflüsse vermischt<br />

werden können, bringt Malcolm<br />

lowry vortrefflich in dem Vortwort zu<br />

seinem roman „unter dem Vulkan“ zum<br />

ausdruck. er selbst sagte dazu: „er kann<br />

als eine art symphonie betrachtet werden<br />

oder in anderer hinsicht als eine art oper<br />

– oder sogar als Western. ich wollte aus ihm<br />

Jazz, ein poem, ein chanson, eine tragödie,<br />

eine Komödie, eine Farce und noch mehr<br />

machen. (…) er ist eine prophetie, eine politische<br />

Warnung, ein Kryptogramm, ein irrer<br />

Film, ein Menetekel, eine Wandparole.“<br />

Diese Querverbindungen, diese absonderlichen<br />

historischen, sprachlichen und<br />

Genreübertragungen sind es, die eines tages<br />

wohlmöglich die Besonderheit der europäischen<br />

literatur ausmachen werden und<br />

die bereits zur ihren Bestandteilen gehören<br />

– möglich machen sie die Übersetzer.<br />

Aus dem Französischen von Gregor Runge<br />

152<br />

Alban Lefranc, Jahrgang 1975, lebt als Schriftsteller<br />

und Übersetzer in Paris und ist Mitherausgeber<br />

der <strong>deutsch</strong>-französischen Literaturzeitschrift<br />

„La mer gelée“. Anfang 2009 erschien sein<br />

neuester Roman „Vous n‘étiez pas là“ bei Verticales/Gallimard.<br />

Auf Deutsch kam im Oktober 2008<br />

sein Band „Angriffe. Fassbinder, Vesper, Nico. Drei<br />

Romane“ im Blumenbar Verlag heraus.

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