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Europa liest - Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit

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Menschen um eine bessere Weltordnung, verstand,<br />

dass proteste damals und in Zukunft<br />

nötig sind, dass menschliche Freiheit und gesellschaftliche<br />

Verantwortung immer Mangelware<br />

sind. Doch Künstler und schriftsteller,<br />

die offen als Kommunisten auftraten,<br />

zeigten in meinen augen vor allem, dass sie<br />

den gegen die träger europäischer Werte gerichteten<br />

holocaust, dass sie das schicksal<br />

von Mandelstam, achmatowa und vielen anderen<br />

unbekannteren schriftstellern nicht<br />

nur begrüßten, sondern durch den Besitz<br />

eines roten parteibuchs geistig unterstützten.<br />

eigentlich war das, was wir erlebten,<br />

gegen ende weniger grausam als vor allem<br />

von himmelschreiender Dummheit. und<br />

da schon lange niemand mehr an die ideologie<br />

der terrorjahre und die ganze Dialektik<br />

des Kommunismus glaubte, war es<br />

uns ein rätsel, wie es möglich sein konnte,<br />

dass eine Gruppe von Mächtigen, die<br />

sich angesichts des akuten und chronischen<br />

Mangels an Grundprodukten schamhaft in<br />

extrageschäften, extrakrankenhäusern, extravillen<br />

etc. verbarrikadierte, die von Zeit<br />

zu Zeit eine Farce von Wahlen veranstaltete<br />

und sich beinahe halb europa unterworfen<br />

hatte, warum diese Gruppe von Menschen<br />

auch auf den freien rest europas einen solch<br />

lang anhaltenden geistigen einfluss ausüben<br />

konnte.<br />

ich will nicht behaupten, dass man den<br />

Kommunismus als theoretische und soziale<br />

ich hätte mir gewünscht, dass<br />

europäische intellektuelle sich<br />

bei der Wahl ihrer Weltanschauung<br />

nicht derart von den verbalen<br />

Vortäuschungen dieses tönernen<br />

Kolosses hätten blenden lassen.<br />

For tschritt <strong>Europa</strong> ?<br />

lehre vom aufbau eines Gemeinwesens vor<br />

Gericht schleifen sollte oder könnte. aber<br />

ein regime, das im Namen der kommunistischen<br />

partei derartige Gewalttaten beging,<br />

kann mit europäischem Maßstab gemessen<br />

meiner Meinung nach nicht anders<br />

als verbrecherisch bezeichnet werden.<br />

Trauer der Neuankömmlinge<br />

um aber auf die Frage nach den heutigen<br />

Verflechtungen europäischer Geisteskulturen<br />

zurückzukommen, so scheint mir,<br />

dass diese verhindert werden, da das alte,<br />

geistreiche und großherzige Zentrum europas<br />

von der trauer der Neuankömmlinge<br />

ermüdet ist.<br />

Mir scheint, dass sich europa zum teil<br />

ganz einfach <strong>für</strong>chtet und das Übermaß<br />

grausamer schicksalsschläge, das ihm in<br />

den Übersetzungen aus den kleinen sprachen<br />

europas so plötzlich entgegenschlagen<br />

könnte, teils nicht erträgt, teils nicht<br />

zu hören wünscht.<br />

aber vielleicht ist genau das die Frage<br />

– was können wir, „die geistigen esel der<br />

Beladenen”, wir schriftsteller kleiner europäischer<br />

sprachgemeinschaften, dem übersättigten<br />

europäischen literaturmarkt anstelle<br />

der be<strong>für</strong>chteten Klagelieder bieten?<br />

Die Frage ist umso wichtiger, als die Verleger<br />

sehr wohl wissen, was sich verkauft,<br />

und ohne möglichen profit keine wirtschaftlichen<br />

risiken eingehen.<br />

Der Zweite Weltkrieg und seine Nachwirkungen<br />

sind in europa kein thema mehr.<br />

Für die osteuropäer, die Balten, endete er<br />

aber erst wirklich mit dem Fall der Berliner<br />

Mauer, und mir scheint, dass wir es erneut<br />

mit einer Zeitverschiebung zu tun haben, die<br />

sich um Jahreszahlen nicht kümmert.<br />

aus Gründen, die wir nicht beeinflussen<br />

können, ist uns der totalitarismus der Vor-<br />

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