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Europa liest - Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit

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Sebastian Köber,<br />

Stellvertretender<br />

Generalsekretär,<br />

Institut <strong>für</strong> Auslandsbeziehungen<br />

Vor wor t<br />

Die Kamele europas<br />

Wer schreibt, der bleibt, sagt ein altes <strong>deutsch</strong>es<br />

sprichwort. umberto eco drückt seine liebe zur<br />

literatur etwas gewählter aus und nennt das Buch<br />

eine „lebensversicherung, eine kleine Vorwegnahme der unsterblichkeit“.<br />

trotzig begegnet er den Feinden des Buches – von<br />

Würmern und schimmel bis hin zu Zensoren und Bibliotheksverachtern<br />

– und lässt sich die lust am lesen nicht nehmen.<br />

Für den Grandseigneur der zeitgenössischen literatur in europa<br />

bedeutet das lesen eine sinnliche erfahrung und literatur<br />

einen leidenschaftlichen Dialog zwischen autor und leser.<br />

Der dritte Band des Kulturreports „Fortschritt europa“ fragt<br />

nach der rolle der literatur und des Buchmarkts in europa,<br />

aber auch danach, wie schriftsteller die rolle der Kultur in<br />

europa verstehen. Wie definieren sie europäische Kultur und<br />

welche Fort- oder rückschritte sind in den vergangenen Jahren<br />

in den europäischen Kulturbeziehungen zu verzeichnen?<br />

Die antworten fallen äußerst unterschiedlich aus. Fachleute<br />

wie der oxford-Wissenschaftler angus phillips analysieren<br />

die europäischen lesegewohnheiten und gehen auf die Frage<br />

ein, ob Google dumm macht. ist jemand, der gewohnt ist,<br />

twitter-Nachrichten zu versenden, die nicht mehr als 140 Zeichen<br />

umfassen dürfen, noch fähig und willens, umfangreiche<br />

texte im stile von tolstois „Krieg und Frieden“ zu lesen? Keine<br />

angst vor Digitalisierung und staccato-Denken hat rüdiger<br />

Wischenbart, der hier weniger den Niedergang des geschriebenen<br />

Kulturguts wittert als vielmehr die chance auf neue<br />

Zielgruppen und Vertriebsmöglichkeiten.<br />

und die schriftsteller? auch hier ist die reaktion sehr variabel.<br />

rafik schami, der sich selbst – in Damaskus zwischen palästinensern,<br />

Juden, armeniern, Kurden, tscherkessen, afghanen<br />

und libanesen aufgewachsen und inzwischen äußerst erfolgreich<br />

in <strong>deutsch</strong>er sprache publizierend – als Vermittler zwischen<br />

den Welten versteht, sieht in genau dieser Vermittlerrolle<br />

auch eine große chance <strong>für</strong> europa. tim parks hingegen, der<br />

in englischer sprache Millionenauflagen publiziert und in italien<br />

lebt, hält die Vorstellung, schriftsteller könnten den Dialog<br />

der Kulturen befördern, <strong>für</strong> naiv. Dass<br />

das thema europa einen antrieb zum<br />

schreiben liefern könnte, lehnt er genauso<br />

ab wie literaturförderung auf europäischer<br />

ebene. Den Gedanken, dass die<br />

eu darüber entscheide, welcher schriftsteller<br />

gefördert wird und wer sich selbst<br />

durchschlagen muss, findet er mehr als<br />

beunruhigend.<br />

Nicht zu vergessen die Übersetzer: hoch<br />

gelobt und schlecht bezahlt bilden sie die<br />

immer wieder beschworene Brücke zwischen<br />

ansonsten auch in europa voneinander<br />

abgeschotteten Kulturen und<br />

Märkten. in diesem Band sind sie das<br />

zentrale element, indem sie die stimmen<br />

aus Malta, lettland oder portugal<br />

verständlich machen, ihre eigenen Beweggründe<br />

erzählen und da<strong>für</strong> sorgen,<br />

dass der Kulturreport in fünf sprachfassungen<br />

erscheinen kann. auch wenn es<br />

da<strong>für</strong>, um es in den Worten von rafik<br />

schami zu sagen, der Geduld eines Kamels,<br />

des Mutes einer löwin und des langen<br />

atems eines Blauwals bedarf.<br />

Der Kulturreport „Fortschritt europa“<br />

könnte niemals ohne partner realisiert<br />

werden. Daher möchte ich mich bei<br />

der robert Bosch stiftung, dem British<br />

council, der stiftung <strong>für</strong> Deutsch-<strong>polnische</strong><br />

<strong>Zusammenarbeit</strong>, der schweizer<br />

Kulturstiftung pro helvetia und bei der<br />

portugiesischen calouste Gulbenkianstiftung<br />

sehr herzlich <strong>für</strong> die vertrauensvolle<br />

<strong>Zusammenarbeit</strong> bedanken.<br />

ich freue mich, dass sich dieses Beispiel<br />

europäischer Kooperation schon ein wenig<br />

etabliert hat und in Zukunft weiter<br />

wachsen wird.<br />

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