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Einladung nach BozEn

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OBSTMARKT<br />

2<br />

In der Nachkriegszeit entstand hier auch ein kleines,<br />

zum Großteil von Eisenbahnern bewohntes,<br />

vorwiegend italienisches Viertel. Von der dortigen,<br />

1961 zu Ehren des Hl. Josef eingeweihten Pfarrkirche<br />

wissen auch in Bozen selbst nur die wenigsten,<br />

daß sie ein Werk von Piacentini ist. Ursprünglich<br />

für Addis Abeba entworfen, war die Planung,<br />

da sie dort nicht mehr verwirklich werden konnte,<br />

unverändert <strong>nach</strong> Bozen verlagert worden. Der Bau<br />

ist ein interessantes architektonisches Dokument<br />

Piacentinis: die Front aus Reihen von Sichtziegeln<br />

springt oben vor und ist senkrecht durch drei rechteckige<br />

Nischen unterteilt. Ein einziges großes Portal<br />

mit einem Rahmen aus weißem Travertin in einfachen<br />

rechtwinkeligen Linien lädt zum Eintritt.<br />

Die gleiche Backsteinfläche in wechselweise vorspringenden<br />

Ziegelreihen verbindet die Front mit<br />

der Kapelle zur Linken und dem Pfarramtsgebäude<br />

zur Rechten, worüber sich der ebenfalls durch klare<br />

geometrische Linien gekennzeichnete Glockenturm<br />

erhebt. Der Kreuzgang mit seinem Brunnen in<br />

der Mitte und seinen viereckigen Laubengängen ermahnt<br />

an die klösterliche Bestimmung des Baus.<br />

Jenseits der Bahnlinie zeichnet sich der alte Vorort<br />

Rentsch durch ein ganz anderes Erscheinungsbild<br />

aus: von hier zweigte in römischer und mittelalterlicher<br />

Zeit der alte Maultierpfad ab, der infolge<br />

der Unwegsamkeit des Talgrundes über den Ritten<br />

und wieder hinab <strong>nach</strong> Klausen zum Becken von<br />

20<br />

Bozens verschiedene stadtviertel <strong>BozEn</strong>s vErschiEdEnE stadtviErtEl<br />

Brixen führte; daß sich hier in jenen Zeiten eine<br />

kleine Ansiedlung entwickelte, ist nur allzu natürlich<br />

- möglicherweise ist sie die älteste im gesamten<br />

Bozner Becken.<br />

Die Enge zwischen der alten Brenner-Staatsstraße<br />

und den von Weingärten bedeckten Hügeln<br />

hat fast ausschließlich deutschsprachige Bewohner;<br />

Neubauten haben in jüngster Zeit die architektonischen<br />

Merkmale dieses ländlichen Vorortes<br />

ein wenig verwischt, doch noch heute lassen sich<br />

unschwer hier und dort formschöne, solide Bauten<br />

von altehrwürdiger Vornehmheit ausmachen. Schon<br />

in geringer Entfernung von der Brennerstraße landeinwärts<br />

gelangt man in ein vollkommen anderes<br />

Ambiente: auf der engen Untermagdalenastraße<br />

erreicht man in wenigen Minuten das auf einem<br />

Sattel zwischen den Bergabhängen und einem<br />

völlig von Weingärten bedeckten, runden Hügel<br />

gelegene malerische Dörfchen St. Magdalena.<br />

Links und rechts der Straße ruhen, inzwischen zu<br />

Weinbaubetrieben umfunktionierte, uralte, festgefügte<br />

Bauerngehöfte: hier wird der <strong>nach</strong> dem Örtchen<br />

benannte Rotwein produziert und verkauft.<br />

Vier, fünf Bauernhäuser mit blumengeschmückten<br />

Balkonen umstehen die Kirche mit dem nadelspitzen<br />

Turm: sie beherbergt bedeutende, von italienischen<br />

Künstlern aus der Schule Giottos angefertigte<br />

Fresken aus der zweiten Hälfte des 14. Jhdts.<br />

(Öffnungszeiten: Dienstag und Freitag von 15.00<br />

bis 17.00 Uhr)<br />

4. Gries<br />

Den Besucher, der von der Museumstraße kommend<br />

die Talferbrücke überschreitet, empfängt ein<br />

vollkommen andersgeartetes Bozen. Das Siegesdenkmal<br />

und der es umgebende gleichnamige Platz<br />

sind ein sehr deutliches Beispiel für die ideologische,<br />

von allen lokalen Traditionen abweichende<br />

Architekturform, die der Faschismus Italien in den<br />

30er Jahren aufzwang: hier herrschen Bögen und<br />

Säulen vor, gerade geometrische Linien verbinden<br />

kantige Ecken, auf jedwede überflüssige Dekoration<br />

wurde verzichtet. Mit diesen “römischen” bzw.<br />

imperialistischen Architekturelementen sollte im<br />

“neuen” Teil Bozens das Gegengewicht zu dem in<br />

der Altstadt vorherrschenden gotischen oder neogotischen<br />

Baustil geschaffen werden. Die das Monument<br />

auf drei Seiten umgebenden Gebäude des<br />

Siegesplatzes sollten als zugehöriger Gesamtkomplex<br />

empfunden werden und sind daher an den<br />

Straßeneinschnitten durch Bögen miteinander verbunden,<br />

in denen sich das Bauschema der römischen<br />

Triumphbögen wiederholt. Die in großen Lettern<br />

an den Gebäuden angebrachten Zitate von Virgil<br />

(Tu regere imperio populos ... ) und Horaz (Carmen<br />

Saeculare), welch letzteres heute nicht mehr<br />

vorhanden ist, sollten den feierlichen Gesamteindruck<br />

noch weiter unterstreichen.<br />

Die lateinische Aufschrift auf der Rückseite des<br />

Denkmals wird heute nur mehr von wenigen verstanden;<br />

einer jüngsten Umfrage zufolge konnten<br />

90% der Spaziergänger über die Talferbrücke die<br />

2<br />

Frage, auf welchen Sieg hiermit Bezug genommen<br />

worden war, nicht beantworten. Und dennoch<br />

ist das Überleben dieses imperialistischen<br />

Zeitdokumentes - und mehr noch der Aufschrift,<br />

als dessen programmatisches Manifest - Anlaß<br />

für die Auseinandersetzungen zwischen denjenigen,<br />

die für einen Abriß plädieren und jenen,<br />

die das Mahnmal aus Respekt vor der gelebten<br />

Vergangenheit zu erhalten wünschen.<br />

Nach langen Diskussionen ist man schließlich<br />

zu folgendem Beschluß gekommen: Das Monument<br />

bleibt so wie es ist erhalten, doch wird<br />

am Gehsteig auf der Talferbrücke eine vom Gemeinderat<br />

beschlossene viersprachige Inschrift angebracht,<br />

die folgendes besagt: “Dieses Denkmal<br />

ist vom faschistischen Regime errichtet worden,<br />

um den Sieg Italiens im ersten Weltkrieg zu feiern.<br />

Dieser brachte die Teilung Tirols und die Abtrennung<br />

der Bevölkerung dieses Landes vom Vaterland<br />

Österreich mit sich. Frei und demokratisch verurteilt<br />

die Stadt Bozen die Zwistigkeiten und Diskriminierungen<br />

der Vergangenheit und jede Form<br />

von Nationalismus und verpflichtet sich im europäischen<br />

Geist, die Kultur des Friedens und des Zusammenlebens<br />

zu fördern”.<br />

Rechter Hand des Denkmals stellt die Freiheitsstraße<br />

in gerader Linie die Verbindung zwischen<br />

dem Stadtzentrum und dem Griesplatz her; ihre<br />

Achse ist so ausgerichtet, daß dabei der Blick auf<br />

den Rosengarten im Hintergrund fällt. Diese Dolomitengruppe<br />

verfärbt sich während des Tages mehrmals<br />

verschiedentlich, gegen Abend jedoch leuch-<br />

21<br />

SIEGESDENKMAL<br />

NYMPHENBRUN-<br />

NEN AM<br />

GERICHTSPLATZ

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