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Einladung nach BozEn

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Die Entdeckung<br />

10<br />

gen in allen Einzelheiten veranschaulicht.<br />

Die Mumie selbst ist in einer<br />

Kühlzelle untergebracht, einer in ihrer<br />

Art einzigartigen Anlage, wo der Mann<br />

aus dem Eis nun bei einer Temperatur<br />

von -6 Grad seine Ruhestätte gefunden<br />

hat. Eine Öffnung von 40x40 cm<br />

gestattet den Besuchern, ihn zu betrachten.<br />

Es ist der 19. September 1991 gegen 13:30h, als<br />

ein deutsches Touristenpaar aus Nürnberg sich auf<br />

dem Abstieg vom Hauslabjoch an der Wasserscheide<br />

zwischen dem Vintschgau und dem Ötztal befindet.<br />

Am Rande eines felsigen Beckens in 3.210 m Höhe<br />

ü.M. entlanggehend, bemerken sie unversehens<br />

etwas Dunkles, das aus dem Wasser ragt. Nähertretend<br />

gewahren sie mit Bestürzung, daß es sich um<br />

einen menschlichen Leichnam handelt und nehmen<br />

an, vermutlich den Körper eines vor vielen Jahren<br />

zu Tod gekommenen Alpinisten gefunden zu haben,<br />

der nun erst wieder zutage kam, <strong>nach</strong>dem ihn das<br />

ewige Eis aufgrund des seit einigen Jahren allenthalben<br />

in den Alpen vorherrschenden Gletscherschwunds<br />

wieder freigegeben hatte. In der Berghütte<br />

am Similaun angekommen, melden sie ihren<br />

Fund dem Wirt, der seinerseits die Gendarmerie in<br />

Sölden/Österreich und die Carabinieri von Schnal-<br />

64<br />

dEr mann aus dEm Eis dEr mann aus dEm Eis<br />

stal/Italien verständigt. In den folgenden Tagen<br />

begeben sich viele Menschen vor Ort, doch keiner<br />

von ihnen ahnt, daß binnen Kurzem dieser Tote und<br />

seine Ausrüstung zu Weltruf gelangen würden.<br />

Zuerst wird der Tote geborgen: dies erfolgt aufgrund<br />

des einsetzenden Schlechtwetters mit Hilfe<br />

eines Hubschraubers gegen Mittag des 23. September;<br />

<strong>nach</strong>dem er in das gerichtsmedizinische Institut<br />

von Innsbruck verbracht worden ist, wird am<br />

Dienstagmorgen, dem 24., ein Archäologe hinzugezogen,<br />

Prof. Conrad Spindler, Ordinarius für Vorund<br />

Urgeschichte, der anhand der bei dem Toten<br />

aufgefundenen Axt, diesem ein Alter von mindestens<br />

4.000 Jahren zuschreibt. In weiterer Folge<br />

wird diese Einschätzung mit Hilfe von in vier verschiedenen<br />

Instituten in Europa und Amerika angestellten<br />

Radiokarbonuntersuchungen auf eine Zeit<br />

zwischen 3.350 und 3.100 v.Chr. eingegrenzt.<br />

Gar nicht so einfach war es, für den Toten einen<br />

Namen zu finden. Mehr als 500, teils bizarre und<br />

phantasievolle Vorschläge wurden eingereicht, bis<br />

schließlich seine offizielle Bezeichnung am 2. Juli<br />

1997 vom Bozner Landtag festgelegt wurde: L’uomo<br />

venuto dal ghiaccio/Der Mann aus dem Eis.<br />

Allerdings kennt man ihn auch unter der - ihrer<br />

Kürze wegen weit gebräuchlicheren - Bezeichnung<br />

“Ötzi”, einer Erfindung des Wiener Reporters Karl<br />

Wendl in Anspielung auf das nächst dem Fundort<br />

endende Tiroler Ötztal.<br />

Expertenteams aus aller Welt sind immer noch mit<br />

der Untersuchung und Aufarbeitung der einzelnen<br />

Aspekte des Lebens von Ötzi befaßt. Zum Zeitpunkt<br />

seines Todes war er vollständig bekleidet; in minutiöser,<br />

geduldiger Kleinarbeit ist es den Restauratoren<br />

gelungen, die einzelnen Teile seiner Bekleidung<br />

zu rekonstruieren: eine Mütze, die Oberbekleidung,<br />

ein Paar Beinkleider, ein Gürtel, ein Lendenschurz,<br />

ein Paar Schuhe und eine Grasmatte - alles<br />

Gegenstände, die aufgrund der auf diesen Höhen<br />

selbst im Sommer vorherrschenden niedrigen Temperaturen<br />

durchaus verständlich erscheinen. Seine<br />

Ausrüstung bestand in einem Bogen, einem Köcher<br />

mit Pfeilen, einem Beil mit Kupferklinge, einer Rükkentrage,<br />

einem Dolch mit Scheide, und zwei Behältern<br />

aus Birkenrinde, typischen Gegenständen<br />

für einen Jäger jener Zeit, der sich unter schwierigen<br />

Lebensumständen in einer gefährlichen, wenn<br />

nicht gar feindlichen Umwelt behaupten mußte. Uns<br />

Heutigen jedoch bietet all dies die unvergleichliche<br />

Möglichkeit, einen tiefen Einblick in die Alltagswelt<br />

eines Alpenbewohners in der Kupferzeit zu tun.<br />

Ein 5000 Jahre alter Krimi: wie<br />

starb der Mann aus dem Eis ?<br />

Die Todesursache von Ötzi war lange Zeit Anlaß für<br />

heftige Diskussionen und Vermutungen, bis man im<br />

Juli 2001 dank einiger Röntgenaufnahmen in seiner<br />

linken Schulter eine Pfeilspitze und am Rücken eine<br />

kleine Hautverletzung entdeckte. Der Pfeil hat kein<br />

lebenswichtiges Organ verletzt, ist jedoch tief eingedrungen<br />

und machte erst knapp 15 mm vor der<br />

Lunge Halt. Der Mann muß versucht haben, sich des<br />

Pfeils aus seiner Schulter zu entledigen, der ihm vermutlich<br />

bei jeder Bewegung starke Schmerzen verursachte.<br />

Der Schaft dürfte sich auf diese Weise gelöst<br />

haben, doch blieb die Spitze im Körper stecken.<br />

Es steht außer Zweifel, daß dies für ihn das Ende bedeutete;<br />

wohl starb er nicht auf der Stelle, sondern<br />

kämpfte noch einige Stunden gegen den Tod an, bis<br />

er sich schließlich seinem Schicksal ergab.<br />

Wer ihn mit dem Pfeil getroffen haben mag und<br />

warum - das bleibt natürlich ein Rätsel. Eine tiefe<br />

Schnittwunde an der rechten Hand läßt auf einen<br />

Kampf von Mann zu Mann schließen. Mit Sicherheit<br />

steht nur die Verletzung an der Schulter<br />

fest, wobei der Pfeil aus einer gewissen Entfernung<br />

auf ihn abgeschossen worden sein muß, da er den<br />

Körper nicht zur Gänze durchdrungen hat. Befand<br />

sich Ötzi also auf der Flucht ? und vor wem ? oder<br />

wurde er Opfer eines Hinterhalts ? eines Verrates ?<br />

Da von seiner Ausrüstung nichts zu fehlen scheint,<br />

ist wohl die Annahme, es könnte sich um Diebstahl<br />

oder Raub gehandelt haben, auszuschließen. Es<br />

wurde jedoch auch schon daran gedacht, daß er als<br />

Schaf- oder Ziegenhirte attackiert worden sein mag,<br />

als man ihm sein Vieh zu stehlen versuchte.<br />

So bleiben noch viele Fragen bis auf weiteres unbeantwortet.<br />

10<br />

Die Mumie wird zum Medienstar<br />

Noch kein archäologischer Fund hat bisher ein<br />

derartiges Medieninteresse geweckt wie der Mann<br />

aus dem Eis. Kaum war das aufsehenerregende Alter<br />

der Mumie bekannt geworden, erschien Ötzis<br />

Bild bereits auf den Vorderseiten der größten inund<br />

ausländischen Tageszeitungen. Das Interesse<br />

der Öffentlichkeit an dem Mann aus dem Eis ist<br />

nie erlahmt; dies belegen allein schon die Warteschlangen<br />

der Besucher vor dem Museum.<br />

Da liegt es nahe, daß dieser außerordentliche<br />

Fund innerhalb kürzester Zeit zu einer Quelle intensivster<br />

Vermarktung mit den erstaunlichsten<br />

Auswüchsen geworden ist: für Lieder und Postkarten,<br />

Bonbons, Pizza und Eis ist er bereits Pate gestanden<br />

und sein Bild prangt auf T-shirts und Weinetiketten.<br />

Die Souvenirindustrie hat sich dieses<br />

Fundes bemächtigt und ist dabei, die kommerziellen<br />

Möglichkeiten, die der Mann aus dem Eis<br />

zu bieten hat, voll und ganz auszuschöpfen.<br />

Es wurden bereits auch zahlreiche Bücher<br />

aufgelegt, in denen Ötzis Geschichte erzählt<br />

wird; eines der ernstzunehmendsten,<br />

das sich durch eine klare Darstellung<br />

und große Vollständigkeit<br />

der Angaben auszeichnet, verdanken<br />

wir Angelika Fleckinger, die<br />

das Museum seit 2005 leitet:<br />

Ötzi, der Mann aus dem Eis.<br />

Herausgeber: Folio. Dieses<br />

Werk wurde auch als Grundlage<br />

für die in diesem Kapitel<br />

zitierten Fakten herangezogen.<br />

65<br />

ÖTZI, AUS-<br />

GESTELLT IN<br />

DER KÜHL-<br />

ZELLE<br />

VORIGE<br />

SEITE: DIE<br />

FUNDSTELLE

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