Einladung nach BozEn
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KAPUZINER-<br />
KIRCHE: DER<br />
HL. FRAN-<br />
ZISCUS EMP-<br />
FÄNGT DIE OR-<br />
DENSREGELN<br />
funden worden sei, wo später die<br />
Kirche errichtet wurde.<br />
Durch die in den letzten Jahren<br />
erfolgte Errichtung des Pastoralzentrums<br />
<strong>nach</strong> Plänen des Architekten<br />
Othmar Barth entstand an<br />
dieser Stelle ein Platz, der den<br />
Namen Domplatz erhielt und auf<br />
welchem eine Bronzegruppe, die<br />
“Begegnung mit dem Auferstandenen<br />
auf dem Weg <strong>nach</strong> Emmaus”<br />
von Franz Kehrer aus St.<br />
Vigil in Enneberg (1996), ihren<br />
äußerst effektvollen Standplatz<br />
gefunden hat.<br />
Die Kapuzinergasse hinaufgehend<br />
gelangen wir auf den südseitig<br />
von der Kirche und dem<br />
ehemaligen Kloster der Dominikaner<br />
begrenzten Dominikanerplatz.<br />
Die Dominikanerkirche mit Hll.<br />
21<br />
Johannes- und Katharinenkapelle<br />
und dem anschließenden<br />
Kreuzgang ist an sich ein einziges<br />
großes Museum Südtiroler<br />
Malereikunst des 14. und 15.<br />
Jahrhunderts und wurde von den<br />
Dominikanern <strong>nach</strong> deren Eintreffen<br />
in Bozen 1272 in gotischem<br />
Stil erbaut.<br />
In der einzigen erhaltenen Kapelle<br />
auf der linken Seite befindet<br />
sich der vom Veroneser Meister<br />
Mattia Pezzi geschaffene Barockaltar,<br />
dessen Altarbild als bedeutendes<br />
Werk von G. Francesco<br />
Barbieri, bekannt als Guercino,<br />
angesehen werden kann; dargestellt<br />
ist die Erscheinung von Soriano<br />
mit der Jungfrau Maria, die<br />
dem Dorf Soriano Calabro das Gewand<br />
mit der Figur des Hl. Dominicus<br />
als Geschenk reicht.<br />
Von den ehemaligen Wandmalereien,<br />
einer wertvollen Sammlung<br />
südtiroler Malkunst aus dem<br />
14. Jhdt. sind nur wenige Reste<br />
auf der rechten Seite erhalten<br />
geblieben: darunter eine Maria<br />
auf dem Thron in reich verzierter<br />
Umrahmung, ein bedeutendes<br />
Werk, datiert von 1379,<br />
das das Eindringen des Veroneser<br />
Malstils der Schule des Altichiero<br />
in den Bozner Raum markiert.<br />
Auf dem daneben befindlichen<br />
Fresko aus der Schule des<br />
Martino da Verona sind die vier<br />
Heiligengestalten als zwei Edeldamen<br />
und zwei Höflinge dargestellt,<br />
deren elegante Kleidung<br />
und Haltung beispielhaft für das<br />
damalige höfische Leben sind.<br />
Rechter Hand gelangt man in<br />
die St.Johannes-Kapelle: diese<br />
von Giovanni de’ Rossi, ei-<br />
124<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
nem <strong>nach</strong> Bozen übersiedelten<br />
reichen Florentiner Bankier errichtete<br />
Kapelle wurde im Auftrag<br />
seines Sohnes Nicolò zwischen<br />
1330 und 1335 von mehreren<br />
Malern der Giottoschule<br />
mit Wandmalereien versehen.<br />
Die vier verschiedenen Künstlern<br />
zuzuschreibende Bildgeschichte<br />
ist auf die drei Bögen der Kapelle<br />
verteilt und erzählt aus dem<br />
Leben der Hll. Johannes des Täufers,<br />
Johannes Evangelist und<br />
Nikolaus, wohingegen der größte<br />
Bildzyklus der Jungfrau Maria<br />
gewidmet ist.<br />
Obzwar diese Fresken stark beschädigt<br />
wurden, stellen sie doch<br />
ein hochinteressantes Ganzes dar,<br />
da sie Ausdruck des neuen Stils<br />
sind, der sich in Bozen während<br />
der ersten Jahrzehnte des 14. Jhdts<br />
durchzusetzen beginnt und<br />
sich durch eine neue Raumkonzeption<br />
und den Wunsch auszeichnet,<br />
die Heiligengeschichten<br />
in ein konkretes, reales Umfeld<br />
zu übertragen; an die Stelle<br />
der vergeistigten gotischen Kunst<br />
mit ihrer harmonisch-linearen<br />
Ausdrucksform tritt nun das Bemühen<br />
um menschlich-reelle Darstellung,<br />
um eine in Raum und<br />
Zeit unseres tatsächlichen Lebens<br />
wurzelnde Wahrheit.<br />
Von der alten Sakristei gelangt<br />
man in den Kapitelsaal und in<br />
die Katharinenkapelle. Auch diese<br />
wurde gegen die Mitte des<br />
14. Jahrhunderts vollständig mit<br />
Wandgemälden ausgestattet: an<br />
der Eingangswand Jüngstes Gericht;<br />
an der linken Wand Szenen<br />
aus dem Leben Jesu; an der rechten<br />
Wand Szenen aus dem Leben<br />
der Hl. Katharina. Triumphbogen:<br />
Verkündigung, Hl. Jakobus<br />
und Hl. Maria Magdalena.<br />
Der direkt vom Dominikanerplatz<br />
aus erreichbare Kreuzgang<br />
hat eine quadratische Form und<br />
wird von 21 Spitzbögen gesäumt,<br />
die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts<br />
die ursprünglich hölzerne<br />
Decke ersetzen. Von den Fresken<br />
aus dem 14. Jahrhundert,<br />
mit denen alle Wände verziert<br />
waren, sind eine thronende Madonna<br />
sowie die Heiligen Jakobus<br />
und Antonius Abt und Stiftergruppe<br />
erhalten geblieben.<br />
Die Fresken des 1496 mit der<br />
Verzierung der Seitenwände und<br />
Volten an der Süd- und Ostseite<br />
beauftragten Friedrich Pacher<br />
(1440-1508) wurden erst jüngst<br />
restauriert: an den Wänden Szenen<br />
aus dem Leben Jesu und Mariens;<br />
das Gewölbe zeigt biblische<br />
und prophetische Darstellungen.<br />
Zu erwähnen die Kreuzigung,<br />
von Pacher mit der aufrüttelnden<br />
Drammatik nördlicher<br />
Darstellungsweise und in den aus<br />
Venedig und Padua übernommenen<br />
Farbgebungen ausgeführt.<br />
Beim Weitergehen gelangt<br />
man vom Dominikanerplatz in<br />
die Spitalgasse und dann linker<br />
Hand in die Dantestraße und<br />
hier liegt gleich zur Rechten der<br />
lichtdurchflutete Würfelbau des<br />
Museums für Moderne Kunst,<br />
“Museion” genannt. Dieses ist<br />
in zwei Gebäude gegliedert, von<br />
denen das kleinere die Werkstätten<br />
der Künstler enthält. Das eigentliche<br />
Museum ist in der Mitte<br />
gelegen: ein dreistöckiger Bau<br />
21<br />
von 54 Metern Länge mit trichterförmiger<br />
Fassadengestaltung<br />
und einer Metallabdeckung.<br />
Das 1985 gegründete Museion<br />
hat sich im Laufe der Jahre in<br />
zunehmendem Maße auf zeitgenössische<br />
Kunstrichtungen konzentriert<br />
und mehr als 3.000 Exponate<br />
angesammelt. Allein der<br />
Name “Museion” unterstreicht<br />
schon diese Öffnung gegenüber<br />
den unterschiedlichsten künstlerischen<br />
Ausdrucksformen der Gegenwart;<br />
man ist bemüht, nicht<br />
nur als Ausstellungsort zur Verfügung<br />
zu stehen, sondern als Zentrum<br />
der verschiedensten Aktivitäten<br />
zu wirken, als Treffpunkt<br />
der Kunst- und Kulturströmungen<br />
unserer Zeit. Von den Berliner<br />
Architekten Krüger, Schuberth<br />
und Vandreike geplant,<br />
soll die Transparenz und funktionelle<br />
Innengliederung des Baus<br />
die Stadt mit dem, was im Inneren<br />
des Museion vorgeht, in einem<br />
kontinuierlichen Dialog verbinden.<br />
Die beiden Stirnseiten<br />
haben daher Doppelfunktion: sie<br />
sind Schaufenster und gleichzeitig<br />
Projektionsflächen von Stadt<br />
und Umfeld. Ein flexibles System<br />
beweglicher Innenwände gestattet<br />
es, die Räume zu verändern<br />
und den jeweiligen Erfordernissen<br />
anzupassen.<br />
Mit seiner Sammlung, in der<br />
hauptsächlich Werke vertreten<br />
sind, die die seit den Sechzigerjahren<br />
des 20. Jahrhunderts anhaltende<br />
Tendenz zur Entmaterialisierung<br />
in der Kunst bezeugen,<br />
bemüht sich das Museion<br />
um eine ihm eigene Position;<br />
dazu tragen ein weitgesteck-<br />
125<br />
tes, abwechslungsreiches Programm<br />
zeitgenössischer Ausstellungen<br />
ebenso bei wie verschiedene<br />
Projekte und Aktivitäten,<br />
mit denen sich das Haus in die<br />
Kunstentwicklung unserer Zeit<br />
eingliedert, um zu einem Bestandteil<br />
der Stadt und des Lebens<br />
ihrer Bewohner zu werden.<br />
Die Einweihung des neuen Museumsgebäudes<br />
erfolgte im Frühjahr<br />
2008 mit der siebenten Biennale<br />
zeitgenössischer Kunst<br />
“Manifesta”.<br />
KREUZGANG IM<br />
DOMINIKANER-<br />
KLOSTER (INNEN-<br />
ANSICHT)<br />
MUSEUM FÜR<br />
MODERNE UND<br />
ZEITGENÖSSISCHE<br />
KUNST