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Einladung nach BozEn

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BALLSPIEL<br />

stein kommt unmißverständlich<br />

politische und militärische Bedeutung<br />

zu: ihre ursprüngliche<br />

Funktion ist die eines Verteidigungsbaus<br />

für das Land am rechten<br />

Talferufer gegen die Expansionstendenzen<br />

Meinhards II, der<br />

von seinem Sitz auf Schloss Tirol<br />

oberhalb Merans aus da<strong>nach</strong><br />

trachtete, sein Einflußgebiet<br />

auszudehnen, um schließlich das<br />

ganze Land in einer Hand unter<br />

dem Namen Tirol zu vereinen.<br />

Nach wechselhaftem Kriegsglück<br />

besiegte Meinhard 1277<br />

schließlich die Wangen und eroberte<br />

deren Burgen, darunter<br />

auch Runkelstein. Das ursprüngliche<br />

Gebäude wurde wohl soweit<br />

verwüstet, daß es nicht mehr<br />

bewohnbar war, doch wurde es<br />

21<br />

nicht gänzlich zerstört; völlig<br />

abgerissen hingegen wurde der<br />

über dem Burggraben thronende<br />

und mit einer Zugbrücke <strong>nach</strong><br />

der einzigen zugänglichen Seite<br />

hin ausgestattete Bergfried. Außer<br />

den Palassen, den Wohngebäuden<br />

der beiden Brüder Wangen,<br />

ragte auch noch eine Kapelle<br />

in den inneren Burghof. Es<br />

waren solide, doch nur mit sehr<br />

bescheidenem Wohnkomfort ausgestattete<br />

Gebäude. Wirklich bewundernswert<br />

ist hingegen die<br />

architektonische Kühnheit, das<br />

Fundament der umlaufenden Außenmauern<br />

auf den äußersten<br />

Rand der steil abfallenden Felswände<br />

aufzusetzen, sodaß sie<br />

mit diesen verwachsen eine trutzige<br />

Einheit bilden. Dieser Eindruck<br />

verstärkt sich noch durch<br />

die Verwendung des Felsgesteins<br />

als Baumaterial: graue und rosafarbene<br />

Porphyrblöcke, die an<br />

manchen Stunden des Tages den<br />

selben finster-düsteren Farbton<br />

wie ihre Umgebung annehmen.<br />

Nach ihrer Niederlage bewohnten<br />

die Wangen die Burg nicht<br />

mehr und <strong>nach</strong> dem Aussterben<br />

der Familie gelangte das Anwesen<br />

in den Besitz anderer Vasallen,<br />

bis es der letzte von ihnen<br />

schließlich 1385 an Nikolaus<br />

Vintler verkaufte. Schon drei<br />

Jahre später setzten umfangreiche<br />

Erneuerungs- und Ausbaumaßnahmen<br />

ein, die aus Burg<br />

Runkelstein eine der elegantesten<br />

Wohnstätten ihrer Zeit machen<br />

sollten.<br />

Die Burg war niemals wohnlich<br />

und bequem gewesen, nun aber<br />

wurde sie eigens in diesem Sinne<br />

138<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

radikal “modernisiert”: die Palasse<br />

wurden erweitert und um einen<br />

Stock erhöht, an der Nordseite<br />

wurde ein weiteres Gebäude<br />

mit Loggia und überdachtem<br />

Söller hinzugefügt; sämtliche<br />

Räumlichkeiten, einschließlich<br />

der Kapelle, wurden mit reichen<br />

Wandmalereien ausgestattet,<br />

die dem Geschmackssinn<br />

und Weitblick des Bauherren alle<br />

Ehre machen.<br />

Leider blieb Burg Runkelstein<br />

nur wenige Jahre im Besitz des<br />

Nikolaus Vintler: zur Flucht vor<br />

Herzog Friedrich mit der leeren<br />

Tasche gezwungen, starb er<br />

1413 ohne Erben. Nie wieder<br />

sollte Burg Runkelstein in späteren<br />

Jahren den Glanz dieser Zeiten<br />

erleben; alles was nun kam,<br />

war eine traurige Abfolge von<br />

Verwahrlosung und Verwüstung,<br />

selten unterbrochen von kurzen<br />

Perioden mehr oder weniger radikaler<br />

oder gelungener Renovierungen.<br />

1893 gelangte Burg Runkelstein<br />

schließlich als Geschenk Kaiser<br />

Franz Josefs definitiv in den Besitz<br />

der Stadt Bozen. Seit dem<br />

zweiten Weltkrieg bemüht sich<br />

die Oberintendantur für Kunst im<br />

Zuge gezielter und wissenschaftlich<br />

fundierter Sanierungs- und<br />

Instandsetzungsarbeiten um die<br />

Erhaltung des Mauerwerks und<br />

der Fresken. So hat die Stadtverwaltung<br />

Burg Runkelstein zu<br />

einem Kultur- und Kongreßzentrum,<br />

einem Veranstaltungsort<br />

für Sommerspiele und Musikaufführungen<br />

gemacht. Auf diese<br />

Weise ist es gelungen, die Burg<br />

erneut ihrer Berufung als kultureller<br />

Mittelpunkt zuzuführen,<br />

wie es sich ein Nikolaus Vintler<br />

in jenem kurzen Frühling am<br />

Übergang zwischen zwei Jahrhunderten<br />

für sie erträumt haben<br />

mag.<br />

Die noch immer in der Burg erhaltenen<br />

mittelalterlichen Wandmalereien<br />

wurden bereits erwähnt.<br />

Die Motive und die Maltechnik<br />

lassen sie in die ausklingende,<br />

als “international” oder “Flamboyant”<br />

bezeichnete Gotik einordnen.<br />

Diese von Frankreich ausgehende<br />

Kunstrichtung verbreitete<br />

sich in den letzten Jahrzehnten<br />

des 14. Jahrhunderts in ganz<br />

Europa. Sie ist hauptsächlich gekennzeichnet<br />

durch einen ausgeprägten<br />

„Naturalismus“: die Natur<br />

wird als Ort der Entspannung,<br />

der Zerstreuung und Erholung, als<br />

passender Hintergrund für höfische<br />

Konversation und Liebeständeleien<br />

gesehen; das Leben spielt<br />

sich im Freien, in blumigen Gärten<br />

ab, die Burg aber, Symbol der<br />

Macht und des höfischen Lebens,<br />

ist im Hintergrund stets präsent.<br />

Nach diesem Vorbild beginnt sich<br />

auch das Leben der Bürgerschaft<br />

auszurichten, die durch den wirt-<br />

21<br />

schaftlichen Aufschwung und die<br />

reger werdenden Handelsbeziehungen<br />

an Reichtum gewinnt. Somit<br />

kommt auch der Kleidung, den<br />

Frisuren, allem, was Eleganz und<br />

Wohlstand ausmacht, in der Malerei<br />

immer größere Bedeutung zu.<br />

Die innere Harmonie spiegelt sich<br />

in der harmonischen Naturdarstellung:<br />

die langgestreckten Linien<br />

der Gesichter und Hände und aller<br />

zusätzlicher Details sollen der Heiterkeit,<br />

Beschwingtheit und Musikalität<br />

Ausdruck verleihen, welche<br />

Hauptelemente des damaligen<br />

Kulturempfindens waren.<br />

Die Landschaft ist das Umfeld,<br />

139<br />

SAUHATZ<br />

FISCHEREI

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