Einladung nach BozEn
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HÖFISCHES TANZ-<br />
VERGNÜGEN<br />
TAFELRUNDE<br />
in welchem sich das Leben abspielt:<br />
daher werden die einzelnen<br />
Monate dargestellt mit den<br />
jahreszeitlich bedingten unterschiedlichen<br />
Tätigkeiten und Aufgaben,<br />
wie sie sich auch auf Kapitell-<br />
und Türornamenten mittel-<br />
21<br />
alterlicher Skulpturen finden. Alle<br />
diese Motivelemente sind im einzelnen<br />
genommen naturbezogen<br />
und realistisch - es ist ihre idealisierte<br />
Zusammenstellung, die sie<br />
“phantastisch” macht und eine<br />
Märchenlandschaft daraus entstehen<br />
läßt.<br />
Bürgerschaft und Adel befriedigen<br />
ihren Wunsch <strong>nach</strong> einem heroischen<br />
Leben und ihr Streben<br />
<strong>nach</strong> gefühlsbetonten Zerstreuungen<br />
durch die Lektüre ritterlicher<br />
Epen, die den Künstlern jener<br />
Zeit eine schier unerschöpfliche<br />
Vielfalt an Motiven für die<br />
Ausschmückung der Wohnräume<br />
lieferten. Die in den wertvollen<br />
liturgischen und auch literarischen<br />
Handschriften jener Epoche<br />
enthaltenen Miniaturen wurden<br />
zum hauptsächlichen Träger<br />
für die Verbreitung dieser Kunstrichtung.<br />
In Italien lag das Zentrum dieser<br />
Kunstgattung in Verona; Stefano<br />
da Verona (1374-1438)<br />
schuf in dieser Zeit seine Meisterwerke.<br />
Es war eine Gruppe von der<br />
italienischen Malerei des Padovaner<br />
und Veroneser Raumes eng<br />
verbundenen Bozner Malern, denen<br />
die Fresken im Westpalas zu<br />
verdanken sind, dem ersten Ziel<br />
auf unserem Besichtigungsrundgang<br />
durch Burg Runkelstein.<br />
Westpalas<br />
Dieses Wohngebäude ist vom<br />
Hof über eine Außentreppe begehbar.<br />
Eine Holztreppe aus dem<br />
19. Jahrhundert führt vom ersten<br />
weiter in den zweiten Stock.<br />
140<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
Spielzimmer: an zwei Wänden<br />
und in der Fensternische Szene im<br />
Freien: links schlägt ein Musiker<br />
die Laute, plaudernde und spielende<br />
Paare halten einander bei<br />
den Händen; rechts eine Gruppe<br />
sechs junger Leute, die mit einem<br />
mittelalterlichen Ritterspiel<br />
beschäftigt sind: eine Dame und<br />
ein Herr stemmen, mit Unterstützung<br />
von je zwei Helfern, Fuß gegen<br />
Fuß im Versuch, einander,<br />
die Beine in der Höhe, umzuwerfen.<br />
Als Landschaftshintergrund<br />
sind burgbewehrte Hügel dargestellt:<br />
bei der ersten Burg rechter<br />
Hand handelt es sich zweifelsohne<br />
um Runkelstein selbst,<br />
wie sie sich <strong>nach</strong> den 1388 begonnen<br />
Umbauten dem Betrachter<br />
darstellte. Die Palasse sind<br />
bereits aufgestockt, doch auf der<br />
linken Seite fehlt noch das erst<br />
später errichtete “Sommerhaus”.<br />
Aus der zinnengekrönten Mauer<br />
ragt eine Winde mit Flaschenzug,<br />
woran das Baumaterial in die Höhe<br />
gezogen werden soll. Im Talgrund<br />
rauscht ein Fluß, sicherlich<br />
die Talfer, die durch ihre Windungen<br />
die einzelnen Szenen miteinander<br />
verbindet.<br />
Badestube: auch dies ist ein<br />
Aufenthaltsraum; seinen Namen<br />
bezieht er von den in den Fresken<br />
enthaltenen unbekleideten<br />
Figuren, die eine Seltenheit in<br />
der damaligen Malerei darstellen.<br />
Es ist der am besten erhaltene<br />
Raum: an den vier Wänden<br />
im unteren Teil rotes Teppichgehänge<br />
mit Tiermotiven (Adler,<br />
Hirsche) und Sternen; oberhalb<br />
ist rund um den Raum eine Loggia<br />
mit Figuren aufgemalt: auf<br />
der einen Seite die Edeldamen,<br />
auf der gegenüberliegenden die<br />
Kavaliere, auf der dritten Tiere<br />
und Fabelwesen und auf der<br />
vierten unbekleidete Gestalten,<br />
die sich scheinbar anschicken,<br />
ins Bad zu steigen. Die Edelfräulein<br />
und die Ritter auf den ersten<br />
beiden Wänden sind hochelegant<br />
bekleidet und geben lebhaftes<br />
Zeugnis von der damaligen Mode.<br />
Darüber verläuft ein Fries im<br />
Wechselspiel aus Blätterwerk und<br />
Vierpaßen mit verschiedenen Figürchen.<br />
Selbst wenn die Aussage<br />
des Ganzen nicht vollkommen<br />
verständlich ist, stellt dieser<br />
Raum dennoch ein unbezahlbares<br />
Dokument der Profanmalerei<br />
jener Zeiten dar.<br />
Im Oberstock zwei Säle mit<br />
prächtigen Spitzgewölbedecken.<br />
Im unteren Teil des ersten Saales<br />
Szenen aus dem höfischen Leben<br />
im Freien; von links: das Ballspiel,<br />
betrieben von zwei Gruppen,<br />
bestehend aus Edelfräulein<br />
und Kavalieren; der Tanz, wobei<br />
die Tänzer einander bei der<br />
Hand halten und sich zu der Musik<br />
zweier Lautenspieler bewegen;<br />
weiters verschiedene, sehr<br />
bewegte Jagdszenen mit lebendiger<br />
Wiedergabe der beteiligten<br />
Personen, Tiere und auch der Vegetation;<br />
daraufhin die Jagd im<br />
Gebirge, eine eindrucksvolle Abfolge<br />
vieler Kleindarstellungen,<br />
wobei der Wald nur so von Tieren<br />
wimmelt, die von überall her<br />
zu kommen scheinen; sehr präsent,<br />
von Anbeginn bis zum Ende<br />
der Bilderzählung, ist immer<br />
die Burg, von der die Jäger kommen<br />
und zu der sie auch zurück-<br />
21<br />
kehren. An der vierten Wand der<br />
Fischfang, ein seltenes Stück alter<br />
Malerei: Damen und Kavaliere<br />
fischen mit Lanzen und Netzen<br />
in einem von silbrig glitzernden<br />
Fischchen nur so überquellenden<br />
Weiher; Pflanzen, Blumen und<br />
exotische Vögel umrahmen diese<br />
zentrale Gruppe.<br />
Im dreifachen Bogenfeld an<br />
der Südseite ein Fresko mit Ritterturnier:<br />
eine sehr lebendige<br />
Szene mit einem Schiedsrichter,<br />
der von der rechten Seite<br />
her die reguläre Abwicklung des<br />
Wettkampfes überwacht, während<br />
die Edeldamen das Geschehen<br />
von den Söllern und Türmchen<br />
der Burg aus verfolgen. Die<br />
wunderschöne Bildkomposition<br />
unterstreicht das handwerkliche<br />
Geschick des Malers: von<br />
der Bewegung der Pferde angefangen<br />
bis hin zu den geometrischen<br />
Mustern auf den Schilden,<br />
den Rüstungen und dem Sattelzeug<br />
sind sämtliche Details mit<br />
unendlicher Liebe und Genauigkeit<br />
ausgeführt. Wunderschön<br />
auch das Rahmenfries mit Wappen<br />
und Laubgirlanden.<br />
Im nächsten Saal eine weitere<br />
wunderschöne Turnierszene:<br />
in der Mitte tummeln sich Pferde<br />
und Reiter, rechts die Schiedsrichter<br />
mit den Bläsern und Trompetern,<br />
links die Damen, die dem<br />
Wettkampf von zwei, mit großen<br />
Sonnendächern überspannten<br />
Wagen aus zusehen. Unterhalb,<br />
an den Wänden, einander gegenüber<br />
angeordnete Paare hinter<br />
einem Parapet, von welchem bestickte<br />
Draperien herabhängen.<br />
141<br />
Sommerhaus<br />
Von den Fresken, die seinerzeit<br />
die durch vier weite Bögen zum<br />
Hof geöffnete ebenerdige Halle<br />
zierten, sind einfarbige Vierpaßmedaillons<br />
mit Brustbildern der<br />
römischen und deutschen Kaiser<br />
erhalten geblieben. Im ersten<br />
Stockwerk sind noch die Malereien<br />
an den Außenwänden des Söllers<br />
und in den Gemächern zu erkennen.<br />
Sie alle wurden zu Beginn<br />
des 16. Jahrhunderts auf<br />
Veranlassung Kaiser Maximilians<br />
I. restauriert, der sich hier zeitweise<br />
zur Sauhatz aufhielt, als<br />
die wasserreichen Ebenen rund<br />
um Bozen noch von Wildschweinen<br />
in großer Zahl bewohnt waren.<br />
TURNIERSZENE