.RUWLNDOH /LQJXLVWLN - cortical linguistics
.RUWLNDOH /LQJXLVWLN - cortical linguistics
.RUWLNDOH /LQJXLVWLN - cortical linguistics
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
110 Kochendörfer, Kortikale Linguistik, Teil 2<br />
soll. In dieser Hinsicht ist die hier gewählte Ausdehnung minimal: Kontext<br />
ist nur, was im Moment kausal bestimmend wirkt, nicht z. B. etwas, was<br />
zu einem laufenden Verarbeitungsprozess vielleicht auch noch hinzugezogen<br />
werden kann.<br />
Die Verarbeitung sequenzieller Kontexte ist ein prinzipielles Charakteristikum<br />
natürlicher intelligenter Prozesse. Eine Idee zum Funktionieren von<br />
Kontexten ist, dass vorangegangene Ereignisse jeweils Erwartungen bezüglich<br />
der folgenden Ereignisse erzeugen. Ein klassisches anschauliches Beispiel für<br />
diese Sicht – mit Bezug auf die Frame-Theorie in der künstlichen Intelligenz<br />
– findet sich bei Benjamin J. Kuipers:<br />
Consider for a moment an intuitive description of how a frame system<br />
might work in the everyday vision process. As you are walking<br />
”<br />
through an unfamiliar house, you come to a normal interior-type<br />
door, open it, and walk through. At the moment that you open the<br />
door, your (entirely reasonable) expectations have already brought<br />
a “room” frame to mind. There is no delay in comprehending the<br />
fact that you see four walls, floor, and ceiling, since you already<br />
“knew” that they would be there, even without having seen them.<br />
Indeed, if these expectations had not been fulfilled, and you had<br />
been presented with, say, a seashore instead, you would experience<br />
a sense of disorientation.“ (Kuipers, 1975: 154)<br />
Die Erwartungen sind da, ehe ein folgendes Ereignis, dessen Interpretation<br />
sie beeinflussen, eintritt. Eine wichtige Beobachtung ist, dass diese Erwartungen<br />
enttäuscht werden können und dann ein Gefühl der Desorientierung<br />
auslösen. Man kann an dem Beispiel von Kuipers besonders schön sehen,<br />
dass Kontextverarbeitung eine wichtige Funktion hat bei der Wahrnehmung<br />
des Zusammenhangs in der Welt ganz allgemein.<br />
Eine alternative Idee wäre, dass nicht Erwartungen erzeugt werden, die sozusagen<br />
den Ablauf eines künftigen Prozesses schon vorwegnehmen, sondern<br />
dass jeder Prozess, der zu einem bestimmten Zeitpunkt abläuft, auf Informationen<br />
zurückgreift, die durch zurückliegende Prozesse produziert worden<br />
sind. In diesem Fall gibt es keine sozusagen in die Zukunft gerichteten Erwartungen,<br />
sondern stattdessen in die Vergangenheit gerichtete Zugriffe auf<br />
vorausliegende Daten. Wenn Kontexte als Erwartungen zu verstehen sind,<br />
sind sie auf der Seite der aktuellen Vorgänge angesiedelt, wenn sie durch<br />
Rückgriff auf zurückliegende Informationen entstehend denkt, sind sie bei<br />
den Repräsentationen vergangener Prozesse angesiedelt.<br />
Wenn von Zugriffen auf vorausliegende Daten die Rede ist, liegt es nahe,<br />
an symbolverarbeitende Architekturen zu denken, in denen von Daten und