.RUWLNDOH /LQJXLVWLN - cortical linguistics
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154 Kochendörfer, Kortikale Linguistik, Teil2<br />
Manchmal wird gesagt, dass der Kortex ein inhaltsadressierter“ Speicher<br />
”<br />
sei. Ein inhaltsadressierter Speicher im technischen Bereich kann so aussehen,<br />
dass anstelle einer in der Hardware unveränderlich verankerten Adressstruktur<br />
Adressen verwendet werden können, die variable Informationen<br />
sind, also auch inhaltlichen Charakter haben können. Der Zugriff auf ein Datenelement<br />
geschieht mit Hilfe eines solchen inhaltlichen Schlüssels, es muss<br />
aber keinen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dieser Art von Adresse<br />
und dem adressierten Datenelement geben. Die Adresse ist nicht Bestandteil<br />
des Datenelements, oder muss nicht Bestandteil des Datenelements sein,<br />
an dem man interessiert ist. Im Kortex ist auch diese Form der Adressierung<br />
nicht möglich.<br />
Es ist ein grundsätzliches Umdenken erforderlich. Man muss sich klar machen,<br />
dass jedes Einspeichern von Information im Kortex identisch ist mit<br />
einer Bearbeitung, Erweiterung oder Spezifizierung vorhandener Information.<br />
Es ist mit angeborenen Inseln von Inhalten (vielleicht identisch mit den<br />
primären sensorischen und motorischen Arealen des Kortex) zu rechnen,<br />
von denen aus über Lernprozesse Erweiterungen geschehen. Die Erweiterungen<br />
müssen in dem Sinne an die angeborenen Inseln anschließen, dass<br />
sie neuronal mit ihnen verbunden sind. Wenn man hinzunimmt, dass viele<br />
Verbindungen, die ein Neuron ausbildet, relativ kurz bleiben, kann das auch<br />
die Konsequenz einer konkret räumlichen Nachbarschaft haben.<br />
Erweiterung“ heißt also, grob, dass ein neuer Inhalt gebildet wird durch<br />
”<br />
einen vorhandenen Inhalt plus einem Element, das wiederum auf vorhandene<br />
Inhalte zurückgeht. Wenn man überhaupt von einem Inhalt als einem<br />
Ganzen sprechen möchte, wird er immer auch durch einen Anteil angeborener<br />
Verbindungsstrukturen repräsentiert, der mit anderen Inhalten, nicht<br />
mit allen, gemeinsam ist.<br />
Diese Verhältnisse haben erhebliche Konsequenzen für die Idee einer Adressierung<br />
von Inhalten. Es ist schon allein schwierig, vom Ergebnis“ eines<br />
”<br />
Adressierungsvorgangs zu sprechen. Es ist irreführend, zu sagen, dass es in<br />
der Aktivierung einer Großmuttereinheit oder einer Bahn besteht, denn dadurch<br />
würde die Vorstellung begünstigt, dass die Adressierung von dieser<br />
Aktivierung getrennt werden kann. Richtig ist allerdings, dass man in diesem<br />
Zusammenhang an die Rolle des Kontexts als wesentliches Bestimmungsmoment<br />
innerhalb der Adressierung erinnern kann. Ein Kontext besteht<br />
in einer Menge von Erwartungspotenzialen, die innerhalb eines bestimmten<br />
Zeitfensters innerhalb der Zellen bestimmter Zelltypen vorhanden sind.<br />
Der Kontext ist aber, wenn man an den Perzeptionsprozess denkt, in dem<br />
Sinne praktisch immer mehrdeutig, als er eine Menge möglicher Bahnen<br />
charakterisiert, von denen nur eine Auswahl in der Folge wirklich ein Ak-