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deutschland & europa - lehrerfortbildung-gemeinschaftskunde ...

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Umbr_DuE53.qxd 10.04.2007 14:00 Uhr Seite 11<br />

M 10<br />

Desmond Tutu, Bischof in Südafrika<br />

und Friedensnobelpreisträger © dpa<br />

M 12 »Dialog der Kulturen« © Berndt A. Skott<br />

M 11 Desmond Tutu: Der Gott der Befreiung –<br />

Die Rolle der Kirche in Südafrika<br />

»(…) Die Kirche ist primär dazu da, Gott zu verehren<br />

und anzubeten. Sie muss seinen allerheiligsten<br />

Namen rühmen und preisen. (…) Jesus zeigte, dass der spirituelle<br />

Gott, sein Reich, absolut zentral bleiben muss; aber eben<br />

deshalb, weil er sich Gott zuwandte, musste er sich zwangsläufig<br />

dem Menschen zuwenden. Er war der Mensch für seine Nächsten,<br />

eben gerade weil er zuallererst Gottmensch war. Wenn das notwendigerweise<br />

so für den Sohn Gottes sein musste, dann könnte<br />

es für seine Kirche nicht anders sein.<br />

Die Kirche ist ständig in Versuchung, sich an die Welt anzupassen,<br />

nach Einfluss zu streben, der aus der Macht, dem Privileg und<br />

dem Prestige erwächst, und sie vergisst unterdessen, dass ihr<br />

Herr und Meister in einem Stall zur Welt kam, dass die Verkündigung<br />

seiner Geburt durch die Engel nicht zuerst den Mächtigen<br />

und Einflussreichen galt, sondern den einfachen Hirten auf dem<br />

Feld. Die Kirche vergisst, dass er sich mit den Armen, den Erniedrigten,<br />

den Sündern, den Verachteten, den Huren, mit dem eigentlichen<br />

Abschaum der Gesellschaft solidarisierte. Das waren<br />

seine Freunde, die, wie er sagte, eher das Himmelreich erlangen<br />

würden als die Selbstgerechten, die Pharisäer, die Schriftgelehrten,<br />

die religiösen Führer seiner Zeit. Die Kirche meint – zu ihrem<br />

Schaden –, sie müsse jeden gegebenen Status Quo absegnen, sie<br />

müsse sich mit den Mächtigen identifizieren und das System stützen,<br />

das unweigerlich in einem gewissen Umfang ausbeuterisch<br />

und unterdrückerisch ist. Wenn sie der Versuchung der Macht unterliegt<br />

und sich mit dem Herrschenden identifiziert, dann droht<br />

der Kirche Unheil, wenn das System gestürzt wird und die Machtlosen<br />

und die Armen an die Macht kommen. (…)<br />

Die Kirche steht immer in der Welt, aber ist niemals von dieser<br />

Welt und muss ständig kritischen Abstand zu dem politischen Regime<br />

wahren, damit sie ihres prophetischen Amtes, des »So<br />

spricht der Herr«, walten kann, das darin besteht, alles zu verdammen,<br />

was gegen den Willen Gottes ist, gleichgültig wie hoch<br />

der Preis ist, den sie dafür zahlen muss. Die Kirche hat nur eine<br />

unverbrüchliche Loyalität einzuhalten, und das ist die gegenüber<br />

ihrem Herrn und Meister Jesus Christus. Die Kirche weiß daher,<br />

dass sie den weltlichen Herrschern, deren Gesetze den Gesetzen<br />

Gottes zuwiderlaufe, sagen muss: »Wir gehorchen lieber Gott als<br />

dem Menschen« (Apostelgeschichte 4,19).<br />

(…) Ich bete um unserer Kinder willen, um unseres Landes willen<br />

und um Gottes willen, dass die Niederländisch Reformierte Kirche<br />

sich zu ihrer wahren Berufung als Kirche Gottes bekehren möge,<br />

denn wenn das geschehen sollte, wenn sie aufhören sollte, dem<br />

seit dem Nationalsozialismus bösartigsten System, Apartheid –<br />

mit falschen biblischen Argumentationshilfen beizuspringen, falls<br />

sie wahrhaft prophetisch werden sollte, falls sie sich mit den<br />

Armen, den Benachteiligten, den Unterdrückten identifizieren<br />

sollte, falls sie für die Befreiung aller Kinder Gottes in diesem<br />

Land eintreten sollte, dann, ja dann hätten wir das wunderbarste<br />

Land in der ganzen Welt. Falls sie diese Dinge nicht tut und nicht<br />

bald tut, dann wird sie, wenn die Befreiung kommt, in die Finsternis<br />

verbannt werden, weil sie den Freiheitskampf behindert und<br />

die Buren in die Irre geführt hat. Das ist mein leidenschaftliches<br />

Gebet für meine Mit-Christen in der Niederländisch Reformierten<br />

Kirche. Wehe über uns, wenn die Gnade Gottes nicht bewirkt,<br />

dass diese große Kirche und alle Kirchen überhaupt sich in den<br />

großen Dienst des großen Gottes Gottes des Exodus, des Erlösergottes,<br />

stellen.«<br />

Bischof Desmond Tutu im März 1981 in der Universität Pretoria. Zitiert nach: Tutu, Desmond<br />

1985: Gott segne Afrika. Texte und Predigten des Friedensnobelpreisträgers, Rowohlt Taschenbuch<br />

Verlag, Reinbek 1981, S. 110ff<br />

11<br />

Heft 53 · 2007<br />

Religionen als Brandbeschleuniger und Friedenskräfte

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