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deutschland & europa - lehrerfortbildung-gemeinschaftskunde ...

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Umbr_DuE53.qxd 10.04.2007 13:59 Uhr Seite 3<br />

I. Einführung<br />

1. Identitätskonflikte in Europa –<br />

politische und kulturelle<br />

Beispiele<br />

Jürgen Kalb<br />

»50 Jahre Römische Verträge« wurden im<br />

Jahre 2007 nicht nur in Europa gefeiert. Wer<br />

hätte 1957 mit solch einer Erfolgsgeschichte<br />

gerechnet. Und doch zeigen sich am Horizont<br />

(I Abb. 1 I) auch heute noch Gegentendenzen<br />

ab. »Deutschland & Europa« thematisiert deshalb<br />

hier einzelne ausgewählte »Identitätskonflikte<br />

in Europa«. Dabei werden deutlich zwei<br />

Teile unterschieden: (1) »Religiöse und politische<br />

Identitätskonflikte« sowie (2) »Zwischen<br />

den Kulturen. Identitätskonflikte in der<br />

deutschsprachigen Literatur.« Der zweite Teil<br />

reicht dabei weit in die letzten Jahrhunderte zurück.<br />

Eine europäische Identität lag zunächst<br />

noch in weiter Ferne.<br />

Von Europa ausgehend, aber die globale Sicht mit<br />

bedenkend, untersuchen Andreas Hasenclever und<br />

Michael Hörter Konfliktherde der letzten Jahre. Darüber<br />

hinaus entwickeln sie Thesen, die aufzeigen,<br />

unter welchen Bedingungen Friede unter Religionen<br />

gesichert werden könnte. Cajus Wypior setzt<br />

sich als Historiker im Folgenden einerseits mit den<br />

Kreuzzügen, vor allem aber ihrer Rezeption in der<br />

Moderne auseinander. Die identitätsstiftende Wirkung<br />

der historischen Kreuzzüge des hohen Mittelalters<br />

analysiert er als höchst problematisch, aber<br />

Abb. 1<br />

dennoch gegeben. Auch heute, so Wypior, dienten Vergleiche mit<br />

den Auseinandersetzungen zwischen Christentum und Islam noch<br />

als Legitimationsbasis eines postulierten »Kampfes der Kulturen«.<br />

Der Religionswissenschaftler Michael Blume widmet sich im ersten<br />

Teil zunächst dem Fundamentalismus in ganz unterschiedlichen<br />

Religionen und unterscheidet ihn strikt von jeglicher Gewaltanwendung<br />

oder gar dem aktuellen Terrorismus. Insbesondere beim<br />

Islamismus will Blume mit seiner Untersuchung ein Zeichen gegen<br />

vorschnelle (Vor-)Urteile in den Medien und in den Köpfen der<br />

Menschen setzen. Seiner Ansicht nach sei der islamische Fundamentalismus<br />

deutlich von gewaltbereiten Strömungen zu unterscheiden.<br />

Am Beispiel der gewaltbereiten und -tätigen ETA im Baskenland<br />

untersuchen Angelika Huber-Schiffer und Werner Schiffer<br />

die strukturellen Ursachen für Autonomiebestrebungen im spanischen<br />

Teil des Baskenlandes. Der Chefredakteur von D&E stellt für<br />

dieses Heft einige Aspekte des europäischen Rechtsradikalismus<br />

zusammen. Obwohl zumeist national agierend, ist der Rechtsradikalismus<br />

zu einem <strong>europa</strong>weiten Phänomen geworden, nicht selten<br />

unterstützt von rechtspopulistischen Bewegungen.<br />

Den zweiten Teil des Heftes bilden drei Aufsätze aus der Germanistik.<br />

D&E ist hier als interdisziplinär angelegte Zeitschrift eine<br />

Kooperation mit dem Germanistenverband in Baden-Württemberg<br />

eingegangen. Die Autoren treten zudem in einem gemeinsam<br />

mit D&E veranstalteten Seminar im April 2007 mit dem Titel<br />

»Zwischen den Kulturen« in der Lehrerakademie in Esslingen als<br />

Referenten auf. Ausgangspunkt der Überlegungen war die Frage<br />

nach Identitätskonflikten in der deutschsprachigen Literatur,<br />

zumal wenn die Autoren »Zwischen den Kulturen« aufgewachsen<br />

sind und auch später dadurch wesentlich geprägt wurden. Zusätzlich<br />

sind die Gegenstände der Einzeluntersuchungen die Schwerpunktthemen<br />

für die Abiturienten im Zentralabitur in Baden-<br />

Württemberg. Die Autoren wurden aber gebeten, besonderen<br />

Wert auf die europäische Dimension zu legen. Die europäische<br />

50 Jahre Römische Verträge der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)<br />

© Gerhard Mester 2007<br />

Perspektive sollte, so die Absicht, integrativer Bestandteil auch<br />

des Deutschunterrichts werden. Karlheinz Fingerhut zeigt deshalb<br />

die Dimensionen der Identitätskonflikte des Individuums im<br />

20. Jahrhundert anhand von Frank Kafkas Leben sowie seinem<br />

Romanfragment ›Der Prozess‹ auf. Gleichzeitig entwickelt er angesichts<br />

der Vielfalt von Deutungen dieses »europäischen Klassikers«,<br />

dieses deutschsprachigen Prager Juden, produktionsorientierte<br />

Vorschläge zum Umgang mit Kafka im Unterricht. Auf den<br />

ersten Blick mag Heinrich von Kleist, dem sich Margarete Sander<br />

widmet, alles andere als ein europäischer Schriftsteller gewesen<br />

sein. War es nicht gerade die nationale Identität, nicht zuletzt entwickelt<br />

in den Befreiungskriegen gegen Napoleon, die sein Werk<br />

kennzeichnete? Als die napoleonischen Truppen Berlin besetzten,<br />

wurde er gar als Spion verhaftet. Dennoch ist der in ›Michael Kohlhaas‹<br />

geschilderte Kampf um Recht und Gerechtigkeit, den die<br />

Autorin ausführlich herausarbeitet, ein weit verbreiteter Topos in<br />

den Nationalliteraturen auf europäischem Boden. Thomas<br />

Kopfermann wählt schließlich in seiner Abhandlung über »Liebeslyrik«<br />

in Europa unterschiedliche Belege aus der europäischen Literatur.<br />

Die gegenseitige, nachgewiesene Rezeption, so Kopfermann,<br />

ist inzwischen stilbildend und konstitutiv für moderne Lyrik<br />

in ganz Europa. Die nationalen ›Klassiker‹ wie Boccaccio, Dante,<br />

Baudelaire, Goll, Brecht u. a. sind mittlerweile zu europäischen<br />

Klassikern geworden. Dies gilt im Übrigen auch für die bildenden<br />

Künste. So illustrieren nicht zufällig Gemälde des belgischen Surrealisten<br />

René Magritte Kopfermanns Aufsatz sowie das Titelbild<br />

des Heftes. Die Interpretationen dieser Gemälde mögen vielfältig<br />

sein: Auf alle Fälle ist der Weg zur Herausbildung einer europäischen<br />

Identität ein nicht mehr umkehrbarer Weg, auch wenn er<br />

immer wieder Konflikte und gegenläufige Tendenzen mit einschließt.<br />

Kulturelle und religiöse Ebenen gehören hier ebenso<br />

dazu wie politische und ökonomische. Das Ringen um eine gemeinsame<br />

europäische Identität bleibt ein spannendes Thema.<br />

3<br />

Heft 53 · 2007<br />

Identitätskonflikte in Europa – politische und kulturelle Beispiele

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