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deutschland & europa - lehrerfortbildung-gemeinschaftskunde ...

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Umbr_DuE53.qxd 10.04.2007 14:00 Uhr Seite 31<br />

Entsprechend meint auch J. Arregi, dass über Zugeständnisse<br />

»verhandelt« werden müsse, z. B.<br />

über »einen Friedensrabatt für die Gefangenen.<br />

Und denkbar seien auch Reintegrationshilfen«<br />

(Die Zeit, a. a. o.).<br />

Wenn es zutrifft, dass das baskische Labyrinth<br />

auch ein Identitätskonflikt ist, dann kann die Lösung<br />

nur darin bestehen, dass die Konfliktparteien<br />

sich einem Denken annähern, das R. Forst<br />

als »Respekt-Konzeption« politischer Toleranz beschreibt.<br />

Danach hat jede Gruppe und jeder Einzelne<br />

im Staat den berechtigten Anspruch »auf<br />

vollwertige Mitgliedschaft in der politischen Gemeinschaft«,<br />

ohne dass die jeweilige »ethisch-kulturelle<br />

Identität« in Frage gestellt werden darf (S.<br />

127f ).<br />

Da dieser Anspruch ein wechselseitiger ist, werden<br />

Gruppen, die eine hermetische Identität pflegen,<br />

ihn kaum erfüllen können.<br />

Einziger Ausweg: Es muss ein Weg gefunden werden,<br />

sogenannte »offene bzw. multiple Identitäten«<br />

auszubilden.<br />

Eine solche Forderung hört sich zunächst paradox<br />

an, scheint »ein Widerspruch in sich selbst« zu Abb. 2<br />

sein (Meyer, S. 71). Tatsächlich ist das aber nicht<br />

der Fall und Thomas Meyer macht eine Zunahme<br />

multipler politischer Identitäten aus, »wie sie<br />

heute schon den postmodernen Identitätstyp<br />

kennzeichnet« (Meyer, S. 72).<br />

Konkret bedeutet das: Die baskischen Nationalisten ihrerseits<br />

müssen ihre Mythen sowie die zugehörige Moraldoktrin, aufgeben<br />

– und vice versa auch die spanischen Nationalisten (!) – und<br />

eine »offene Identität« anstreben. Dabei kann die kulturelle Eigenart<br />

durchaus erhalten bleiben, aber die bisher damit verbundene<br />

Grenzziehung muss aufgebrochen oder überlagert werden<br />

durch die Zustimmung zu einem politischen System, das alle<br />

Gruppen über die Partizipation als Staatsbürger verbindet<br />

(I M19I). Dann kann »an die Stelle des ethnischen Zusammenhangs<br />

die demokratische Willensgemeinschaft (treten)«, dann<br />

findet »die Staatsbürgernation…ihre Identität nicht in ethnischkulturellen<br />

Gemeinsamkeiten, sondern in der Praxis von Bürgern,<br />

die ihre demokratischen Teilnahme- und Kommunikationsrechte<br />

aktiv ausüben« (Habermas, S. 636.).<br />

Häufig wird die Frage gestellt, ob nicht der Friedensprozess in<br />

Nordirland als Vorbild für eine friedliche Lösung im Baskenland<br />

dienen könnte, aber dies scheint eher fraglich zu sein, denn wie<br />

Savater zu Recht betont: »geht es in dem Fall, der uns beschäftigt,<br />

nicht um zwei Volksgruppen, die sich bekämpfen, nicht um Terroristen<br />

auf der einen und anderen Seite, noch viel weniger um<br />

Mangel an demokratischen Freiheiten für jemand (außer jenen<br />

Mangel an Freiheit,der aus der gewaltsamen Nötigung durch die<br />

Etarras resultiert). Es handelt sich vielmehr um einen Rechtsstaat,<br />

der versucht, mit einer Mafia Schluss zu machen« (Savater, El País<br />

v. 6. 11. 06).<br />

Ob und wann »Spanien« diese Herausforderung zu einem guten<br />

Ende bringt, hängt nicht zuletzt von den bisherigen »Kriegsgewinnlern«<br />

ab und ist nach dem jüngsten Attentat der ETA und der<br />

zunehmenden Straßengewalt wieder so unsicher wie je. Dabei<br />

bräuchte Spanien seine Kräfte, um die Herausforderungen zu bestehen,<br />

die die fortdauernde Migration aus Südamerika, die aus<br />

den neuen osteuropäischen Staaten (bes. Rumänien) und vor<br />

allem die der Hilfesuchenden aus Afrika mit sich bringen. Dass<br />

dabei auch die anderen europäischen Regierungen, das Europaparlament<br />

etc. gefordert sind, liegt auf der Hand.<br />

Dass sich ein »europäischer Verfassungspatriotismus« (Habermas,<br />

S. 650) herausbilden kann, bleibt zu hoffen, nicht zuletzt<br />

deshalb, weil die Idee einer solchen politischen Identität kein reines<br />

Wolkenkuckucksheim ist, sondern ihre Wurzeln in der europäischen<br />

Aufklärung hat.<br />

Brennende Barrikaden in San Sebastian, Illegale Kundgebung der ETA aufgelöst, 2005 © dpa<br />

Literaturhinweise<br />

Borchard, Ulrike: Politische Instrumentalisierung des Terrorismus. ETA und<br />

die baskischen Wahlen 2004., www.akuf.de<br />

Europäische Kommission (Hrsg.): Ein Europa der Völker bauen. Die Europäische<br />

Union und die Kultur. Europäische Gemeinschaften 2002<br />

Forst, Rainer (Hrsg.): Toleranz. Philosophische Grundlagen und gesellschaftliche<br />

Praxis einer umstrittenen Tugend, Campus Verlag, Ffm 2000<br />

Gerster. Petra/ Gleich, Michael (Hrsg.): Die Friedensmacher. Peace Counts<br />

project. Hanser, München 2005<br />

Habermas, Jürgen (Hrsg.): Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie<br />

des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Suhrkamp Verlag, Ffm<br />

1992<br />

Kasper, Michael: Baskische Geschichte in Grundzügen, WBG, Darmstadt<br />

1997<br />

Kurlansky, Mark: Die Basken. Eine kleine Weltgeschichte, Claasen Verlag,<br />

München 2000<br />

Lang, Josef: Das baskische Labyrinth. Unterdrückung und Widerstand in Euskadi,<br />

isp-Verlag, 1988 Ffm<br />

Meyer, Thomas: Die Identität Europas, Suhrkamp Verlag, 2004<br />

Ott, Konrad: Moralbegründungen, Junius Verlag, Hamburg 2001<br />

Walzer, Michael: Staatsordnung und Toleranz in der multikulturellen Welt,<br />

in: Forst, S. 214–231<br />

Wandler, Reiner (Hrsg.): Euskadi. Ein Lesebuch zu Politik, Geschichte und<br />

Kultur des Baskenlands, edition tranvia, Berlin, 1999<br />

Internethinweise<br />

www.euskadi.net/r33-2220/es/<br />

www.bastaya.org/www2/portada.php<br />

www.elmundo.es/eta/<br />

www.foroermua.com/<br />

31<br />

Heft 53 · 2007<br />

Die baskische ETA – Abkehr vom Terrorismus?

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