deutschland & europa - lehrerfortbildung-gemeinschaftskunde ...
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Umbr_DuE53.qxd 10.04.2007 13:59 Uhr Seite 2<br />
Vorwort des Herausgebers<br />
Geleitwort des Ministeriums<br />
Vorwort & Geleitwort<br />
2<br />
Die Herausbildung von Identitäten läuft selten konfliktfrei. Europäische<br />
Identität steht nicht für sich allein, nationale und landsmannschaftliche<br />
Identitäten, Glaubens- und Religionsfragen, politisch-historische<br />
und kulturelle Hintergründe begründen und<br />
differenzieren sie zugleich. Nachdem in Heft 52 von »Deutschland&Europa«<br />
die historischen Wurzeln der europäischen Identitätsfindung<br />
näher beleuchtet wurden, widmet sich das vorliegende<br />
Heft stärker der Gegenwart. Separatismus, Extremismus<br />
und politischer wie religiöser Fundamentalismus fordern das<br />
Selbstverständnis Europas heraus und gefährden das Zusammenwachsen<br />
unseres Kontinents. Bisweilen wird überdeckt, wie viel<br />
mehr die Europäer eint als sie trennt.<br />
Die europäische Idee – nach dem Zweiten Weltkrieg von einer Begeisterungswelle<br />
gerade junger Menschen in weiten Teilen<br />
Europas getragen – muss mehr emotionale Unterstützung bekommen,<br />
wenn sie wieder stärker tragfähig werden soll. Nachlassende<br />
Wahlbeteiligungen, die nach wie vor offenkundigen Demokratiedefizite<br />
der Brüssel-EU, die Spaltung der Wählerschaften in<br />
vielen Ländern in annähernd gleich große pro- und antieuropäische<br />
Lager und die zunehmend autokratischen und autoritären<br />
Züge vieler noch junger Demokratien in Ost<strong>europa</strong> deuten leider<br />
in eine andere Richtung. Aber: Wo die Gefahr ist, wächst das Rettende<br />
auch. Es scheint, als beginne man in Europa, sich wieder<br />
auf seine gemeinsamen Grundlagen zu besinnen – nicht zuletzt<br />
die »Berliner Erklärung« vom März 2007 macht Hoffnung, dass<br />
nach den für die Integration der ost- und mitteleuropäischen Länder<br />
notwendigen Erweiterungsrunden nunmehr der eigentlich<br />
schon im Zuge des Verfassungsprozesses beabsichtigte qualitative<br />
Ausbau der Union wieder auf die Tagesordnung kommt.<br />
Man kann nur hoffen, dass die europäische Idee so wieder an<br />
Fahrt gewinnt. Als Wirtschaftsgemeinschaft allein wird die Europäische<br />
Union die Menschen nicht auf Dauer für sich einnehmen<br />
können. Mehr Demokratie und mehr Bürgernähe sind dafür mindestens<br />
genauso wichtige Voraussetzungen.<br />
2007 ist das Jahr der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. So rückt<br />
das Thema Europa in Deutschland durch die Berichterstattung in<br />
den Medien wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein. Die neuen<br />
Bildungspläne geben unseren Schulen die Möglichkeiten, im Unterricht<br />
entsprechende Akzente zu setzen. Keine Frage: Die europäische<br />
Idee, die Besinnung auf gemeinsame Werte verbunden<br />
mit dem Bekenntnis zu entsprechenden Verbindlichkeiten, ist<br />
wieder im Aufwind. Sie ist glücklicherweise wieder im Aufwind,<br />
möchte man hinzufügen. Denn sie war zuletzt nicht mehr en<br />
vogue. Ablehnende Voten in Volksabstimmungen über die EU-<br />
Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden und die offen<br />
zu Tage getretenen innereuropäischen Differenzen in wichtigen<br />
außenpolitischen Fragen hatten die politische Integrationskraft<br />
der Europäischen Union empfindlich beeinträchtigt.<br />
Eine Selbstvergewisserung über den eigenen Wertekanon und<br />
über die Frage, wie verbindlich dieser zu gestalten ist, tat dringend<br />
Not. Diesen Prozess wieder in Gang zu bringen und behutsam<br />
zu moderieren, ist die besondere Aufgabe, der sich die deutsche<br />
Ratspräsidentschaft zu stellen hat. Die Bundeskanzlerin hat<br />
es also mit einem ambitionierten Projekt mit zahlreichen Chancen<br />
und Risiken zu tun.<br />
Das vorliegende Heft befasst sich mit Identitätskonflikten in<br />
Europa: mit Konflikten, die religiöse, kulturelle oder ideologische<br />
Wurzeln haben. Konfliktbewusstsein ist unabdingbar, um zur Entkrampfung<br />
beitragen zu können. Deshalb ist es kein pessimistisches<br />
Heft. Europa ist multipolar und wird es bleiben. »Die EU hat<br />
gute und schlechte Tage«, schreibt der amerikanische Politikwissenschaftler<br />
Charles Kupchan in seinem viel beachteten Buch The<br />
End of American Era, das 2002 erschienen ist. Gelegentlich verliere<br />
sie an Dynamik und an Unterstützung in ihren Mitgliedsstaaten.<br />
»Doch dann«, so bilanziert Kupchan zuversichtlich, »findet sie<br />
ihren Willen wieder und geht ihren Weg«. Es ist der deutschen EU-<br />
Ratspräsidentschaft zu wünschen, dass sie dazu einen Beitrag<br />
leisten kann.<br />
Lothar Frick<br />
Direktor der Landeszentrale<br />
für politische Bildung<br />
in Baden-Württemberg<br />
Jürgen Kalb, LpB,<br />
Chefredakteur<br />
von<br />
»Deutschland & Europa«<br />
Dr. Markus Hoecker<br />
Ministerium für<br />
Kultus, Jugend und Sport<br />
Vorwort & Geleitwort<br />
Heft 53 · 2007