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Umbr_DuE53.qxd 10.04.2007 14:03 Uhr Seite 66<br />

M 7<br />

Marcel Proust über Baudelaire<br />

M 9<br />

W. H. Auden: Lay your sleeping Head, my Love<br />

66<br />

Als Albertine wieder in mein Zimmer trat, hatte sie ein schwarzes<br />

Satinkleid an. Es machte sie blaß, und sie ähnelte so dem Typ der<br />

feurigen und doch bleichen Pariserin, der Frau, die, frischer Luft<br />

entwöhnt, durch ihre Lebensweise inmitten von Massen und vielleicht<br />

auch durch den Einfluß des Lasters angegriffen, an einem<br />

bestimmten Blick zu erkennen ist, welcher bei Wangen, denen<br />

kein Rot aufgelegt wurde, unstet wirkt.«<br />

Marcel Proust, zit. Nach Walter Benjamin, Über einige Motive bei Baudelaire. In: W. B., Illuminationen.<br />

Ausgewählte Schriften. Hrsg. v. Siegfried Unseld. FfM 1969, S. 216<br />

M 8<br />

Charles Baudelaire, Tableaux parisiens<br />

XCIII<br />

La rue assourdissante autour de moi hurlait.<br />

Longue, mince, en grand deuil, douleur majestueuse,<br />

Une femme passa, d’une main fastueuse<br />

Soulevant, balançant le feston et l’ourlet;<br />

Agile et noble, avec sa jambe de statue.<br />

Moi, je buvais, crispé comme un extravagant,<br />

Dans son œil, ciel livide où germe l’ouragan,<br />

La douceur qui fascine et le plaisir qui tue.<br />

Un éclair … puis la nuit! – Fugitive beauté<br />

Dont le regard m´a fait soudainement renâitre,<br />

Ne te verrai-je plus que dans l’eternité?<br />

Ailleurs, bien loin s’ici! trop tard! jamais peut-être!<br />

Car j’ignore où tu fuis, tu ne sais où je vais,<br />

Ô toi que j’eusse aimeé, ô toi qui le savais!<br />

Charles Baulelaire, Pariser Bilder<br />

XCIII<br />

An eine, die vorüberging<br />

Der Straßenlärm betäubend zu mir drang.<br />

In tiefer Trauer, schlank, von Schmerz gestrafft,<br />

Schritt eine Frau vorbei, die mit der Hand gerafft<br />

Den Saum des Kleides hob, der glockig schwang;<br />

Anmutig, wie gemeißelt war das Bein.<br />

Und ich, erstarrt, wie außer mich gebracht,<br />

Vom Himmel ihrer Augen, wo mein Sturm erwacht,<br />

Sog Süße, die betört und Lust, die tötet, ein.<br />

Ein Blitz … dann Nacht! – Du Schöne, mir verloren,<br />

Durch deren Blick ich jählings neu geboren,<br />

Werd in der Ewigkeit ich dich erst wiedersehn?<br />

Woanders, weit von hier! zu spät! soll’s nie geschehn?<br />

Da du mich ließest und ich dir entschwand,<br />

O dich hätt ich geliebt, o du hast es geahnt!<br />

Baudelaire, Charles: Die Blumen des Bösen/Les Fleurs du Mal. Dtv, München 1997, S. 192<br />

Lay your sleeping head, may love,<br />

human on my faithless arm;<br />

Time and fevers burn away<br />

Individual beauty from<br />

Thoughtful children, and the grave<br />

Proves the child ephemeral:<br />

But in my arms till break of day<br />

Let the living creature lie,<br />

Moral, gulity, but to me<br />

The entirely beautyful.<br />

Soul and body have no bounds:<br />

To lovers as they lie upon<br />

Her tolerant enchanted slope<br />

In their ordinary swoon,<br />

Grave the vision Venus sends<br />

Of supernatural sympathy,<br />

Universal love and hope;<br />

While an abstract insight wakes<br />

Among the glaciers and the rocks<br />

The hermit’s sensual ecstasy.<br />

Certainty, fidelity<br />

On the stroke of midnight raise<br />

Their pedantic boring cry:<br />

Every farthing of the cost;<br />

All the dreaded cards foertell,<br />

Shall be paid, but from this night<br />

Not a whisper, not a thought,<br />

Not a kiss nor look be lost.<br />

Beauty, midnight, vision dies:<br />

Let the winds of dawn theat blow<br />

Softly round your dreaming head<br />

Such a day of sweetness show<br />

Eye and knocking heart may bless,<br />

Find the moral enough;<br />

Noon of dryness see you fed<br />

By the involuntary powers,<br />

Nights of insult let you pass<br />

Watched by every human love.<br />

Leg dein schlafend Haupt, mein Lieb,<br />

Irdisch auf mein treulos Herz -<br />

Zeit und Fieber aber taun<br />

Kinder-Schönheit fort. das Grab<br />

Zeigt des Kinds Vergänglichkeit.<br />

Dennoch – bis zum Morgengraun<br />

Schmieg dein lebend Sein an mich:<br />

Sterblich, schuldig, aber mir<br />

Makellos und ewig schön.<br />

Körper, Seele, grenzenlos<br />

Liebenden, die hingestreckt<br />

In der Ohnmacht Niedrigkeit<br />

Auf dem Zauberhügel ruhn.<br />

Venus schenkt den großen Traum:<br />

Liebe, Hoffnung, weltenweit,<br />

– Dunkle Schau ins Innre weckt<br />

Trotzdem zwischen Fels und Eis<br />

Dem Asketen Sinnenrausch. (…)<br />

W. H. Auden: Anhalten alle Uhren. Pendo Verlag Zürich München 2002, S. 66<br />

verbindendes kulturelles Gedächtnis durch europäische Lyrik<br />

Heft 53 · 2007

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