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deutschland & europa - lehrerfortbildung-gemeinschaftskunde ...

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Umbr_DuE53.qxd 10.04.2007 14:01 Uhr Seite 33<br />

M 6<br />

ETA-Gefangene<br />

»Was mein Kind gemacht hat, ist mir egal.<br />

Das hier ist ein Krieg«, sagt Arantza Razkin.<br />

Ihr Sohn Sergio (27) ist einer der über<br />

500 ETA-Gefangenen. Er verbüßt eine<br />

Haftstrafe von 380 (!) Jahren. »Wir wissen<br />

nur, dass sie unsere Kinder schlecht behandeln«,<br />

sagt die 52jährige Angestellte,<br />

die an der Halskette eine silberne Axt mit<br />

einer Schlange trägt, das ETA-Emblem ein<br />

Geschenk ihres Sergio Die resolut auftretende<br />

Frau ist Mitglied bei Senideak, der<br />

Organisation der Angehörigen der ETA-<br />

Gefangenen. »Einmal pro Woche haben<br />

wir 40 Minuten Besuchszeit. Sergio sitzt in<br />

Ciudad Real. Das sind sechs Stunden Autofahrt<br />

hin und sechs Stunden zurück«, erzählt<br />

Arantza. Andere Angehörige hat es<br />

noch übler getroffen: sie müssen in den<br />

äußersten Süden – über 1.100 Kilometer<br />

Landstraße – oder gar auf die Kanarischen<br />

Inseln – fast drei Stunden Flug. »Die Gefangenen<br />

müssen in Haftanstalten im<br />

Baskenland. Denn mit der Aufteilung bestrafen<br />

sie uns Angehörige gleich mit«, beschwert sich Arantza<br />

über die Politik Madrids, in der sie »einen Racheakt für den bewaffneten<br />

Kampf« sieht.<br />

Wandler, in: Wandler (Hrsg.), S. 42<br />

M 7<br />

Innere Sicherheit<br />

Auf die Leibwächter wird Joseba Arregi, Soziologieprofessor an der<br />

baskischen Universität in Bilbao, fürs erste so wenig verzichten<br />

können wie seine Schicksalsgenossen, Frauen und Männer im<br />

Baskenland und im »Exil« irgendwo in Spanien, die alle unter dem<br />

Schutzschild des Staates leben. Doch für diese Menschen, die<br />

wegen ihrer Ablehnung des Separatismus der baskischen Nationalisten<br />

auf die Todesliste der Terrororganisation Eta gerieten,<br />

könnte sich mit der Ankündigung einer »permanenten Feuereinstellung«<br />

durch die Terroristen Hoffnung verbinden. »Das ist ein<br />

Durchbruch«, sagt Professor Arregi und zieht für sich daraus den<br />

Schluss, dass es sich gelohnt hat, dem extremistischen Separatismus<br />

entgegen zu treten – auch um den Preis des Risikos für Leib<br />

und Leben und der beschränkten Bewegungsfreiheit. Er wolle<br />

nicht übertrieben jubeln, sagt Arregi am Telefon seiner Wohnung<br />

im Zentrum von Bilbao, aber auch bei nüchterner Betrachtung<br />

dürfe, ja solle man sogar deutlich sagen: »Wir haben gewonnen.«<br />

Arregi kennt die baskische Situation aus nächster Nähe. In den<br />

Achtziger Jahren hatte er nach längeren Aufenthalten in Deutschland<br />

als Mitglied der konservativen Nationalistenpartei des Baskenlandes<br />

(PNV) die Funktion eines Kulturministers (zuständig<br />

für Sprache, Jugend und Sport) und des Regierungssprechers<br />

inne. Den lebensbedrohlichen Zorn der Eta hat er sich auf Grund<br />

seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem radikalen Separatismus<br />

zugezogen, der auch in seiner eigenen Partei anzutreffen<br />

ist. »Das sind je eigentlich zwei Parteien«, sagt er. In diesem Konflikt<br />

zwischen den beiden Lagern innerhalb der regierenden PNV<br />

unterstützt er den gemäßigten Parteivorsitzenden Imaz, dem<br />

auch ein gutes Verhältnis zum sozialistischen Ministerpräsidenten<br />

in Madrid, Zapatero, nachgesagt wird. Ihm gegenüber steht der<br />

stärker separatistisch orientierte Flügel um den baskischen Regierungschef<br />

Ibarretxe.<br />

Die Zeit online, 23. 3. 06<br />

M 8 Beerdigung der Opfer des ETA-Anschlags von Madrid, 6. 1. 2007 © dpa<br />

M 9<br />

Baskischer Nationalismus<br />

Die ideologische Grundlage für den Nationalismus schuf Sabino<br />

Arana Goiri der 1865 in Bilbao in einer karlistischen Familie geboren<br />

worden war. Im Gegensatz zum Karlismus berücksichtigte die<br />

Ideologie von Sabino Arana die sozioökonomischen Veränderungen,<br />

die die Industrialisierung gebracht hatte und die zu einer<br />

fortschreitenden Zerstörung der traditionellen Lebensformen<br />

führten. Das Grundübel war für Arana die massenhafte Einwanderung<br />

aus nichtbaskischen Gebieten, was in den Industriegebieten<br />

tatsächlich zur Verdrängung der baskischen Sprache geführt<br />

hatte. Dazu kam die erst kürzlich erfolgte Verletzung der baskischen<br />

Traditionen durch die Abschaffung der Fueros. Dieser frühe<br />

Nationalismus widersetzte sich kategorisch der Industrialisierung<br />

und Einwanderung und stützte sich auf die katholische Religion.<br />

Aranas Interpretation der baskischen Geschichte ging von einer<br />

Quasiunabhängigkeit der baskischen Territorien bis zum Ende<br />

des Ersten Karlistenkriegs im Jahr 1839 aus. Sein politisches Projekt<br />

empfahl eine Rückkehr zu den traditionellen Formen baskischen<br />

Lebens, gestützt auf das alte Gewohnheitsrecht (Fueros).<br />

Alles Übel würde enden, wenn die Basken zur Tradition zurückkehrten,<br />

in einer Gesellschaft freier Bauern »baskischer Rasse«<br />

lebten und an einer perfekten Demokratie teilhätten in der Liberalismus<br />

und Españolismus keinen Platz hätten. Sabino Arana<br />

schlug eine Föderation der sieben baskischen Territorien vor, die<br />

die Möglichkeit haben sollten, ihre Unabhängigkeit vom spanischen<br />

und französischen Staat auszurufen. Damit begründete er<br />

eine Art baskisches Nationalbewusstsein.<br />

Aranas Nationalismus war von traditionalistischen und romantischen<br />

Modellen geprägt. Fünf Elemente rechtfertigten nach seiner<br />

Auffassung die Forderung nach einer baskischen Nation:<br />

Rasse, Sprache, Recht und Institutionen, Charakter und Gewohnheiten<br />

sowie die historische Einheit. Wichtigstes Element war die<br />

»Rasse«, deren »Reinheit« von der nichtbaskischen Einwanderung<br />

bedroht sei. Er ging von einer »reinen Rasse« aus, die aber nicht<br />

weiter definiert wurde als durch ihre »Originalität«, die durch die<br />

Existenz der baskischen Sprache bewiesen sei… Seine früheren radikaleren<br />

Modelle blieben die Grundlage des baskischen Nationalismus,<br />

wenn auch fortan eine regionalistische »Realpolitik«<br />

mit dem Nahziel der Autonomie betrieben wurde, um die Konfrontation<br />

mit dem Staat zu vermeiden; das Fernziel eines unabhängigen<br />

Baskenlandes wurde jedoch nie aufgegeben.«<br />

Kasper, Michael: Baskische Geschichten in Grundzügen, WBG, Darmstadt 1997, S. 130<br />

33<br />

Heft 53 · 2007<br />

Die baskische ETA – Abkehr vom Terrorismus?

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