deutschland & europa - lehrerfortbildung-gemeinschaftskunde ...
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Umbr_DuE53.qxd 10.04.2007 14:03 Uhr Seite 67<br />
M 10<br />
Heinz Czechowski, Die Hinterlassenschaft<br />
Daß ich dich liebe: es ist gesagt.<br />
Der Tag rollt heran. Die Türen der Bistros<br />
Werden geöffnet. So eng<br />
Ist das Leben nicht, daß nicht genügend<br />
Platz wär für all die Toten:<br />
Starr<br />
Hängt der Gekreuzigte. Geh<br />
In die Judenstadt, die<br />
Unbewohnte, suche und deute<br />
Die Zeichen der sprechenden Steine.<br />
So uralt und müde<br />
Ist manchem die Welt, wie hier<br />
Die Häuser, aus denen das Leben<br />
Ausgesperrt ist<br />
Mit siebenfach verschlossenen Türen.<br />
Daß ich dich liebe: es ist gesagt. Aber<br />
Nicht getilgt ist die Schuld,<br />
Nenne sie Auschwitz, Treblinka, Stutthof.<br />
Eingelöst ist unser Wechsel,<br />
Die Zukunft: sie kommt wie der Regen,<br />
Und langsam,<br />
Wie auf dem jüdischen Friedhof die Schnecken,<br />
Geht sie voran<br />
Und kennt weder Ursprung noch Ziel,<br />
Liegt sie in den Königsgräbern begraben?<br />
Geht<br />
Sie mit den Schulklassen durch die Katakomben,<br />
Um einen Wimpel niederzulegen<br />
Am Sarg des Marschalls Pilsudski?<br />
Was du auch tust: du kannst nicht entfliehn<br />
Den ewigen Fragen. Daß die Welt<br />
Keine Antwort bereithält, das<br />
Ist die Hoffnung, hinterlassen<br />
Von all den Gestorbenen, Gemarterten,<br />
Die sich die gleichen<br />
Fragen stellten<br />
Wie wir.<br />
M 12<br />
© Goll, Yvan: Die Lyrik in vier Bänden. Band IV.<br />
© Argon-Verlag, Berlin 1996, S. 75<br />
67<br />
Kraków 1976, in Condrady Otto (Hrsg.): Das Buch der Gedichte. Cornelson Verlag, Oldenburg<br />
2002, S. 133<br />
M 13<br />
Paul van Ostaijen, Vers<br />
M 11<br />
Paul Eluard, Couvre-feu<br />
Que voulez-vous la porte ètait gardée<br />
Que voulez-vous nous étions enfermés<br />
Que voulez-vous la rue était barée<br />
Que voulez-vous la ville était matée<br />
Que voulez-vous elle était matée<br />
Que voulez-vous elle était afamée<br />
Que voulez-vous nour étions désarmés<br />
Que voulez-vous nous nous sommes aimés.<br />
Sperrstunde<br />
So war es halt Bewachung vor der Tür<br />
So war es halt drin eingeschlossen wir<br />
So war es halt die Straße sperrn sie dir<br />
So war es halt die Stadt zu Tode matt<br />
So war es halt kein Mensch mehr aß sich satt<br />
So war es halt seit man uns entwaffnet hat<br />
So war es halt auf einmal kam die Nacht<br />
So war es halt zu uns als Liebesnacht<br />
Eluard, Paul: in: Frankreich meines Herzens. Die Résistance in Gedicht und Essay. Hrsg. von<br />
Irene Selle. Leipzig: Reclam 1987, S. 122<br />
in meinem herzen wohnt ein sonderbares wesen<br />
Das so bizarr den tango tanzt; erstanden, –<br />
Ich weiß nicht wie, so vag<br />
Ist alles, – aus einem sehr sehr alten sarkophag.<br />
Während es tanzt, hör ich es singen<br />
Mit bunter fröhlichkeit von wehmutsschwangern dingen.<br />
M 14<br />
Paul van Ostajen, Selbstmord des Matrosen<br />
Der matrose<br />
er hört die stimme der Loreley<br />
er schaut auf seine uhr<br />
und springt ins wasser<br />
Ostaijen, Paul van, in: Gedichte aus Belgien und den Niederlanden. Hrsg. von Schädlich,<br />
Hans Joachim. Volk und Wissen, Berlin 1977, S. 7 und 66<br />
Heft 53 · 2007<br />
verbindendes kulturelles Gedächtnis durch europäische Lyrik