deutschland & europa - lehrerfortbildung-gemeinschaftskunde ...
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Umbr_DuE53.qxd 10.04.2007 14:01 Uhr Seite 34<br />
34<br />
M 10<br />
Demographische Veränderungen<br />
Diese demographischen Veränderungen bewirkten einen markanten<br />
Rückgang der baskischen Sprache …Durch die Zuwanderer<br />
war nicht nur die Sprache bedroht, auch die traditionelle Lebensweise<br />
wurde in Frage gestellt. Gegen diese Bedrohung setzte<br />
sich der baskische Nationalismus zur Wehr, der somit als Reaktion<br />
auf die zunehmende Bedrohung der baskischen Ethnie und<br />
der traditionellen, vom Katholizismus geprägten dörflich-ländlichen<br />
Lebensformen durch die Industrialisierung, die Verstädterung,<br />
die Zuwanderung und den repressiven Zentralismus der Madrider<br />
Regierung entstand.«<br />
Bernecker, in: Wandler (Hrsg.), S. 13f<br />
M 11<br />
Modernisierungsprozess<br />
Die ETA »brach mit der traditionellen, rückwärtsgewandten Ideologie<br />
des PNV; das Baskentum definierte sie nicht mehr mit »Rassezugehörigkeit«,<br />
sondern kulturell und sprachlich. Ihr wichtigstes<br />
Ziel war ein nach innen wie nach außen souveräner baskischer<br />
Staat, in dem die französischen und spanischen Baskenprovinzen<br />
zu einem Staatsgebilde vereinigt sein müssten; dessen künftige<br />
Gesellschaftsordnung sollte »sozialistische« sein. Die ETA verfolgte<br />
somit sowohl ein nationalistisches als auch ein sozialistisches<br />
Ziel.« (…) Die Mittelschicht (Teile des Klerus, der Studenten<br />
und Intellektuellen, der kleinen Gewerbetreibenden) spielte<br />
somit in der ETA eine herausragende Rolle. (…)<br />
Bernecker, in: Wandler (Hrsg.), S. 16 f<br />
M 12<br />
New York Times<br />
Während einiger Jahre beschränkte sich der aktive Widerstand<br />
(der ETA) auf das Verbrennen von spanischen Fahnen und auf<br />
Wandmalereien. Aber es kam das Jahr 1968 und ein junger Mann<br />
von 23 Jahren, Xavier Etxebarrieta, schoss auf einen Guardia Civil,<br />
der seine Papiere verlangt hatte, und tötete ihn. Stunden später<br />
beendete eine Patrouilie der Guardia Civil das Leben des ETA –<br />
Mitglieds. Ich erinnere mich, dass wir an jenem Tag – dem 7. Juni<br />
– Maurer im Haus hatten und dass sich einer von ihnen an meinen<br />
Vater wandte und ihn fragte: »zer gertatuko da orain?«, »was wird<br />
jetzt passieren?« Er ahnte, dass der Vorfall etwas mit Politik zu tun<br />
hatte und dass wir es alle zu spüren bekommen würden. Der Beamte<br />
der Guardia Civil – José Pardines – erhielt eine diskrete Totenfeier<br />
in der Kapelle des Militärkrankenhauses und wurde dann<br />
in seiner Heimat Galizien beigesetzt. Was Xavier Etxebarrieta betrifft,<br />
wurde er sofort zum »ersten Märtyrer der Revolution«: die<br />
Flugblätter die während der auf seinen Tod folgenden Tage verteilt<br />
wurden, priesen seine Entscheidung, eine vielversprechende<br />
Karriere als Volkswirtschaftler aufzugeben, »um näher beim Volk<br />
zu sein« und sie verglichen ihn mit Che Guevara. Sie versprachen<br />
außerdem Rache: »Ab jetzt warnen wir sie. Für uns ist Txabi Etxebarria<br />
viel mehr wert als alle Guardias Civiles. Sie haben uns ihn<br />
geraubt. Und werden dafür zahlen.« Auf die Flugblätter folgten<br />
die Gedichte und die Lieder und sein Bild – ein dünner Junge mit<br />
Streberbrille – wurde so populär wie das eines Künstlers.<br />
Jetzt, 40 Jahre später, brauchen wir keinen speziellen Satelliten<br />
um die Kehrseite jener heldenhaften Taten zu sehen. Am Ende,<br />
wenn wir die Geschichte von hinten lesen, die Erinnerung auf die<br />
grausamen Attentate gerichtet, die die ETA am Ende der der achtziger<br />
Jahre beging, wie das auf den Hipercor in Barcelona<br />
(21 Tote) oder auf die Kaserne der Guardia Civil in Zaragoza<br />
(11 Tote, darunter 5 Mädchen), ist es unmöglich diese Rückseite,<br />
diese unheilvolle Seite, nicht zu sehen. Aber es war nicht so in den<br />
Anfängen. Fast jedermann akzeptierte damals die Version à la<br />
Robin Hood: es handelte sich um einige junge Idealisten, die bereit<br />
waren ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um eine Heimat und eine<br />
Sprache zu verteidigen, die seit der Bombardierung von Guernica<br />
Opfer der franquistischen Pression gewesen war.<br />
Bernardo Atxaga, New York Times, 29. 3. 2006<br />
M 13 Verfassung des Königreiches Spanien, 29. 12, 1978<br />
Präambel<br />
Die spanische Nation, von dem Wunsche beseelt, Gerechtigkeit,<br />
Freiheit und Sicherheit herzustellen und das Wohl aller ihrer Bürger<br />
zu fördern, verkündet in Ausübung ihrer Souveränität ihren<br />
Willen: das demokratische Zusammenleben im Rahmen der Verfassung<br />
und der Gesetze und auf der Grundlage einer gerechten<br />
Wirtschafts- und Sozialordnung zu gewährleisten; einen Rechtsstaat<br />
zu festigen, der die Herrschaft des Gesetzes als Ausdruck des<br />
Volkswillens sicherstellt; alle Spanier und Völker Spaniens bei der<br />
Ausübung der Menschenrechte und bei der Pflege ihrer Kultur und<br />
Traditionen, Sprachen und Institutionen zu schützen; den Fortschritt<br />
von Wirtschaft und Kultur zu fördern, um würdige Lebensverhältnisse<br />
für alle zu sichern; eine fortschrittliche demokratische<br />
Gesellschaft zu errichten; bei der Stärkung friedlicher und von<br />
guter Zusammenarbeit gekennzeichneter Beziehungen zwischen<br />
allen Völkern der Erde mitzuwirken. Kraft dessen beschließen die<br />
Cortes und ratifiziert das spanische Volk die folgende Verfassung:<br />
Art. 1. (1) Spanien konstituiert sich als demokratischer und sozialer<br />
Rechtsstaat und bekennt sich zu Freiheit, Gerechtigkeit,<br />
Gleichheit und politischem Pluralismus als den obersten Werten<br />
seiner Rechtsordnung.<br />
Art. 2. Die Verfassung gründet sich auf die unauflösliche Einheit<br />
der spanischen Nation, gemeinsames und unteilbares Vaterland<br />
aller Spanier; sie anerkennt und gewährleistet das Recht<br />
auf Autonomie der Nationalitäten und Regionen, aus denen sie<br />
sich zusammensetzt, und auf die Solidarität zwischen ihnen.<br />
Art. 3. (1) Kastilisch ist die offizielle Staatssprache. Alle Spanier<br />
haben die Pflicht, sie zu kennen, und das Recht, sie zu gebrauchen.<br />
(2) Die anderen Sprachen Spaniens sind in den Autonomen Gemeinschaften<br />
und gemäß ihren jeweiligen Statuten ebenfalls<br />
Amtssprachen.<br />
(3) Der Reichtum der unterschiedlichen sprachlichen Gegebenheiten<br />
Spaniens ist ein Kulturgut, das besonders zu achten<br />
und zu schützen ist.<br />
M 14<br />
Statut von Guernica<br />
»Im Einklang mit der spanischen Verfassung wurde in diesem sogenannten<br />
Statut von Guernica den Basken eine autonome Regierung<br />
und ein eigenes Parlament, die Gleichberechtigung ihrer<br />
Sprache mit dem Spanischen, eine weitgehende Finanzautonomie,<br />
die Einrichtung eines regionalen Obersten Gerichtshofes<br />
und das Hoheitsrecht über Justiz und Erziehungswesen zugestanden.<br />
Sie wurden ermächtigt, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen<br />
Ordnung anstelle der staatlichen eine eigene Polizei<br />
aufzubauen und erhielten weitgehende Kompetenzen im wirtschaftlichen,<br />
sozialen und kulturellen Bereich eingeräumt. In<br />
einer Zusatzklausel wurde dem »baskischen Volk« die Rückforderung<br />
weiterer »historischer Rechte« erlaubt, allerdings nur im<br />
Rahmen der geltenden spanischen Verfassung. (Trotzdem wird<br />
dieser Satz stets als Umschreibung einer möglichen späteren Unabhängigkeit<br />
des Baskenlandes gedeutet. …<br />
Am 25. Oktober 1979 stimmten sowohl das Baskenland wie Katalonien<br />
über ihre Autonomiestatute ab. In beiden Regionen wurden<br />
die Statute von der Bevölkerung mit überwältigenden Mehrheiten<br />
angenommen – allerdings bei einer hohen Wahlenthaltung<br />
von (in beiden Fällen) rund 40 Prozent.<br />
Bernecker, in: Wandler (Hrsg.), S. 24<br />
Die baskische ETA – Abkehr vom Terrorismus?<br />
Heft 53 · 2007