ICHbinICH und DUbistDU
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Das Mitgefühl erwacht<br />
Konnte sich Ihr Kind bisher noch nicht in andere hineinversetzen, so beginnt es jetzt<br />
langsam, still <strong>und</strong> leise damit: Ihr Kind entwickelt Mitgefühl. Wenn Sie das bemerken,<br />
vollzieht es gerade wieder einen ganz wichtigen Schritt.<br />
In dieser Entwicklungsphase möchte<br />
es auch schon mal für Sie oder seine<br />
Fre<strong>und</strong>e „sorgen“. Sind beispielsweise<br />
seine eigenen Händchen kalt<br />
<strong>und</strong> brauchen Handschuhe, dann<br />
sollen auch die Hände des anderen<br />
gewärmt werden. Genießen Sie<br />
diese anrührenden, fürsorglichen<br />
Momente, für die Ihr Kind eine<br />
große Leistung erbringt!<br />
Allerdings streiten sich Zweijährige<br />
mitunter auch schon einmal heftig,<br />
sowohl untereinander als auch<br />
mit Ihnen. Sie wollen viel <strong>und</strong> vor<br />
allem am liebsten alles auf einmal<br />
<strong>und</strong> möglichst allein. Doch solche<br />
Auseinandersetzungen müssen sein,<br />
denn sie trainieren die sozialen<br />
Fähigkeiten. Zweijährige stecken<br />
voller unbändiger Entdeck ungslust<br />
<strong>und</strong> Experimentierfreude – nicht<br />
immer zur Freude ihrer Eltern. Denn<br />
unverhofft kommt dabei häufig<br />
Schabernack heraus, auch wenn das<br />
kein Kind böse meint. Ist aber auch<br />
zu interessant, wie lang eine Klopapierrolle<br />
sein kann! Oder wie es<br />
schön spritzt, wenn man tüchtig in<br />
die Pfütze tritt.<br />
Und sonst?<br />
Kontrolle über den Körper<br />
Treppen kann Ihr Kind jetzt schon<br />
ohne Ihre Hilfe bewältigen, beim<br />
Hinuntersteigen hält es sich fest. Es<br />
geht bereits sicher <strong>und</strong> trainiert auch<br />
alle anderen Bewegungsformen mit<br />
Lebenslust. Auch feinmotorisch hat<br />
es sich weiterentwickelt, zum Beispiel<br />
klappt das selbstständige Essen<br />
mit dem Löffel schon recht gut.<br />
Überhaupt kann es jetzt viel aufmerk<br />
samer Körpersignale wahrnehmen.<br />
In dieser Zeit entwickelt es<br />
auch allmählich den Wunsch, seine<br />
Windel „loszuwerden“.<br />
Sprache <strong>und</strong> Denken<br />
„Lilly weg!“, ruft Ihr Kind Ihnen vielleicht<br />
in dieser Entwicklungsphase<br />
zu, wenn es Verstecken spielt. Denn<br />
es kann sich jetzt beim Vornamen<br />
nennen <strong>und</strong> kennt schon die Eigenschaft<br />
„weg“. Ansonsten bereichern<br />
jeden Tag neue Bedeutungen sein<br />
noch junges Sprachrepertoire, <strong>und</strong><br />
es versteht auch „Auf Wiedersehen“<br />
<strong>und</strong> „Tschüss“.<br />
Vorlieben<br />
Nicht immer kann Ihr Kind jetzt alle<br />
auf es einstürmenden Eindrücke<br />
<strong>und</strong> das Neugelernte gleich richtig<br />
sortieren. Hier helfen ihm verlässliche<br />
<strong>und</strong> immer wiederkehrende<br />
Abläufe im Alltag. Sie sorgen auch<br />
für eine Strukturierung des Denkens<br />
das beginnt, immer abstrakter zu<br />
werden. Dann bricht die Zeit der<br />
„So-als-ob-Spiele“ an. Das Kind tut<br />
so, als ob es sein Kuscheltier füttert,<br />
<strong>und</strong> funktioniert den Bauklotz kurzerhand<br />
zum Rennauto um. Für<br />
Eltern besonders schön: Jetzt hilft<br />
Ihr Kind Ihnen bei allen Tätigkeit<br />
allzu gern mit!<br />
› „Braucht Ihrer noch Windeln?“<br />
Sauberkeitserziehung – was für ein merkwürdiges Wort!<br />
Es will uns weismachen, das Kind tue etwas „Schmutziges“<br />
<strong>und</strong> Eltern müssten es zur „Sauberkeit“ erziehen.<br />
Damit soll hier ein für allemal aufgeräumt werden.<br />
Um es gleich zu sagen: Ihr Kind hat bis zu seinem<br />
4. Lebensjahr ausreichend Zeit, sich von seinen Windeln<br />
zu verabschieden. Was die die Nacht anbelangt, sprechen<br />
Fachleute sogar vom 6. Lebensjahr. Trotzdem<br />
beginnen viele Eltern mit dem „Sauberkeitstraining“<br />
noch vor dem 2. Geburtstag des Kindes. Aber in diesem<br />
Alter können Kinder meist noch gar nicht „trocken“,<br />
geschweige denn „sauber“ werden. Denn ihrem Gehirn<br />
fehlt dafür die nötige Reife. Reif heißt: Ihr Kind registriert<br />
von sich aus den Ausscheidungsdruck <strong>und</strong> kann ihn<br />
so lange kontrollieren, bis es auf der Toilette oder dem<br />
Töpfchen sitzt. Zudem muss das Kind den eigenen<br />
Wunsch verspüren, sich von der Windel schrittweise<br />
zu verabschieden <strong>und</strong> sozial in die „Sauberkeitsliga“<br />
aufzusteigen. Alle diese Meilensteine brauchen ihre Zeit.<br />
Wie lange dieser schrittweise Entwicklungsprozess dauert,<br />
ist von Kind zu Kind verschieden. Er kann <strong>und</strong> sollte<br />
von den Eltern nicht erzieherisch eingeleitet oder beeinflusst<br />
werden. Das Kind spürt nämlich ganz von allein,<br />
wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Dann wird<br />
Ihnen Ihr Kind von sich aus signalisieren: Ich bin so weit!<br />
Der erste Schritt ist vollzogen, wenn das Kind sein großes<br />
Geschäft in der Hose selbst registriert <strong>und</strong> rasch eine<br />
frische Windel wünscht. Trotzdem wird es ihm im zweiten<br />
Schritt zunächst vorerst gelingen, den Urinabgang<br />
während des Tages zu steuern <strong>und</strong> trocken zu werden.<br />
Die Kontrolle über das Wasserlassen <strong>und</strong> über den Stuhlgang<br />
in der Nacht erfolgt erst im dritten Schritt. Alle<br />
Schritte erfordern von Eltern die nötige Gelassenheit <strong>und</strong><br />
Vertrauen ins Kind.<br />
Doch leider versuchen Mütter <strong>und</strong> Väter immer wieder,<br />
diesen Prozess zu beschleunigen. Sie setzen ihr Kind<br />
zu früh aufs Töpfchen, sie loben es überschwänglich,<br />
wenn es mal nicht in die Windel gemacht hat, sie<br />
sprechen abfällig über die Produkte in der Windel, sie<br />
halten ihrem Kind andere Kinder als Vorbild vor <strong>und</strong><br />
vieles mehr. Solche Verhaltensweisen helfen dem Kind<br />
nicht. Im Gegenteil – sie können schwere Konflikte<br />
er zeugen. Denn das Kind möchte den Eltern zuliebe gut<br />
funktionieren, ist dazu aber noch gar nicht in der Lage.<br />
Deshalb sei allen Eltern gesagt: Lassen auch Sie sich<br />
selbst von niemandem unter Druck setzen. Denn der<br />
Zeitpunkt, wann Ihr Kind verlässlich „sauber“ ist,<br />
hat nichts mit Ihrer erfolgreichen (oder erfolglosen)<br />
Erziehung zu tun! Das hat auch der Kinderarzt <strong>und</strong><br />
Entwicklungsexperte Prof. Remo Largo 1 in der Züricher<br />
Längsschnittstudie bewiesen. Für die Studie wurde<br />
die nächtliche Blasenkontrolle von zwei Kindergruppen<br />
untersucht. Die Eltern der ersten Gruppe begannen<br />
deutlich vor dem 2. Geburtstag mit der „Sauberkeitserziehung“<br />
<strong>und</strong> investierten darin viel Zeit <strong>und</strong> Energie;<br />
die Eltern der zweiten Gruppe reagierten erst auf eindeutige<br />
Signale der Kinder am Ende des 2. Lebensjahres.<br />
In beiden Gruppen war das Ergebnis gleich: Mit durchschnittlich<br />
vier Jahren waren die Kinder auch nachts<br />
trocken. Nur mit dem Unterschied, dass es in den Familien<br />
der zweiten Gruppe viel entspannter zuging.<br />
1<br />
Largo, R.: Kinderjahre, Verlag Pieper 2009.<br />
› 25. bis 30. Monat<br />
› 25. bis 30. Monat