12.11.2013 Aufrufe

ICHbinICH und DUbistDU

ICHbinICH und DUbistDU

ICHbinICH und DUbistDU

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

54<br />

55<br />

Was für ein Kuddelmuddel!<br />

Mütter <strong>und</strong> Väter stecken ständig in der Zwickmühle zwischen Anspruch <strong>und</strong> Wirklichkeit.<br />

Meist wissen sie genau, was für ihr Kind gut ist – aber manchmal kommt trotzdem<br />

alles ganz anders. Auch Frauke Hoppe (34 Jahre) kennt solche Tage. Hier erzählt<br />

die alleinerziehende Mutter von einem ganz normalen Mittwoch.<br />

Der Wetterbericht hatte Sonne<br />

versprochen, heute Morgen prasseln<br />

dicke Regentropfen gegen mein<br />

Fenster. So hatte ich mir das nicht<br />

vorgestellt! Nele (4 Jahre) übrigens<br />

auch nicht. Meine Tochter will trotz<br />

Miesewetter partout ihr geblümtes<br />

Sommerkleid anziehen. Ich weiß –<br />

Kinder soll man stets der Witterung<br />

entsprechend kleiden. Aber sagen<br />

Sie das mal meinem kleinen Dickkopf!<br />

Nach ewigem Hin <strong>und</strong> Her <strong>und</strong><br />

sieben klammheimlichen Blicken auf<br />

die Uhr einigen wir uns auf Sommerkleid<br />

mit Strick jacke <strong>und</strong> Gummistiefeln.<br />

Das fängt ja heute „gut“ an …<br />

Sonst ist Nele immer stolz darauf,<br />

dass sie sich schon (fast) allein anziehen<br />

kann. Aber heute geht da rein<br />

gar nichts! Also muss die Mama heute<br />

ziehen, zuppeln, ordnen <strong>und</strong><br />

knöpfen. Endlich fertig <strong>und</strong> höchste<br />

Eisenbahn fürs Frühstück! „Das Frühstück<br />

ist eine wichtige Gr<strong>und</strong>lage für<br />

den Tag“, heißt es ja. Bei uns bedeutet<br />

das eine ordentliche Portion Kindermüsli<br />

(zuckerfrei, versteht sich).<br />

Doch Nele rührt heute nur unlustig<br />

in der Schale herum. „Komm, Mäuschen<br />

… du weißt doch … “, lege ich<br />

mich ins Zeug, während mein Kind<br />

unwirsch den Löffel auf den Tisch<br />

knallt. Da zerschellt das ganze ges<strong>und</strong>e<br />

Frühstück samt Schale auf<br />

dem Küchenboden. „Gar nicht<br />

schlimm!“, bringe ich rasch hervor,<br />

als schon ein Tränchen über die<br />

Kinderbacke rollt. Meine innere<br />

Stimme mahnt mich zur Geduld <strong>und</strong><br />

einem kleinen Tröstekuss. Dann fix<br />

aufgewischt <strong>und</strong> Brote für den<br />

Kindergarten geschmiert. Nach dem<br />

elften klammheimlichen Blick auf<br />

die Uhr eilen Nele <strong>und</strong> ich zur Haltestelle.<br />

Hoffentlich hat mein Chef<br />

heute gute Laune …<br />

In der Straßenbahn teilt mir Nele hoheitsvoll<br />

mit, dass sie heute keineswegs<br />

in die Kita gehen wird: „Da ist<br />

Leonie, <strong>und</strong> die ist doof!“ Basta!<br />

Diese Entschlossenheit hat sie doch<br />

nicht etwa von mir?! „Aber da sind<br />

doch noch so viele andere!“, wende<br />

ich ein. Doch Nele macht große<br />

Augen <strong>und</strong> fleht: „Mami, ich will<br />

bei dir bleiben!“ Zack, getroffen!<br />

Wann wird mich das schlechte<br />

Gewissen einer berufstätigen Mutter<br />

endlich verlassen?! Schweren Herzens<br />

verfrachte ich meine protestierende<br />

Tochter trotzdem in die Kita<br />

<strong>und</strong> haste zurück zur Haltestelle.<br />

Es ist 8.30 Uhr, gefühlt 18.30 Uhr.<br />

In der U-Bahn fällt mein Blick auf<br />

die Tageszeitung meines Gegenübers.<br />

„Experten fordern mehr Zeit<br />

für Kinder“, lautet die Schlagzeile.<br />

„Eine aktuelle Studie hat herausgef<strong>und</strong>en,<br />

dass …“ – ich will es gar<br />

nicht wissen! Natürlich wäre ich mit<br />

meiner Tochter jetzt auch lieber im<br />

Zoo (mal unterstellt, die Sonne würde<br />

scheinen). Aber irgendwer muss<br />

schließlich die Brötchen verdienen.<br />

Als ich Nele um Punkt 14.17 Uhr aus<br />

der Kita abhole, ernte ich erst mal<br />

schiefe Blicke. „Ja, ja, Abholzeit ist<br />

nur bis 14 Uhr, ich weiß, aber mein<br />

Chef …“ Dann berichtet mir die<br />

Erzieherin, dass meine Tochter nichts<br />

zu Mittag heruntergebracht habe.<br />

Oje, auch das noch! Und wir müssen<br />

noch einkaufen gehen! „Tätigen Sie<br />

Ihre Einkäufe nie mit einem hungrigen<br />

Kind“, sagen Experten. „Wie soll<br />

ich das heute bloß bewerkstelligen?“<br />

Beim Obstladen an der nächsten<br />

Ecke kann ich ihr wenigstens eine<br />

Banane schmackhaft machen, Bananen<br />

sollen ja sehr ges<strong>und</strong>.<br />

Dass meine Tochter heute nichts<br />

essen mag, hat sie genau vor dem<br />

Süßigkeitenregal im Supermarkt<br />

schon vergessen. Und kommen Sie<br />

mir jetzt bitte nicht mit Konsequenz<br />

– das weiß ich selbst! „Nimm noch<br />

ein Haps Banane“, lasse ich also<br />

meine beste Werbestimme erklingen.<br />

„Aber Mama, Mama …!“ Meine<br />

Konsequenz reicht gerade noch bis<br />

zur Kasse, an der uns reihenweise<br />

Überraschungseier in Kinderaugenhöhe<br />

überraschen. Hier endet meine<br />

Kraft. Nachdem ich meinen schokoladenverschmierten<br />

Nachwuchs <strong>und</strong><br />

die Einkäufe nach Hause geschleppt<br />

habe, kriecht die Sonne heraus.<br />

Statt Haushalt setzen wir kurzerhand<br />

einen Spielplatzbesuch aufs Programm.<br />

Wir Eltern sollen schließlich<br />

flexibel sein!<br />

Neben mir auf der Bank sitzt eine<br />

wie aus dem Ei gepellte Mutter. Sie<br />

ist bestimmt noch viel flexibler als<br />

ich. Aber egal, jedenfalls erfahre ich<br />

sehr bald, was für ein W<strong>und</strong>erkind<br />

ihr Niklas ist. Windeln braucht er<br />

natürlich schon laaange nicht mehr,<br />

<strong>und</strong> begabt ist er auch ohne Ende.<br />

„Welche Talente hat denn Ihre Tochter?“<br />

Darüber muss ich erst nachdenken,<br />

aber schon flötet es neben mir:<br />

„Ach, machen Sie sich keine Sorgen.<br />

Irgendwie kommt doch jedes Kind<br />

durchs Leben.“ Sehr tröstlich! Aber<br />

ich sorge mich doch gar nicht. Oder<br />

doch? „Was für Kurse besucht denn<br />

Ihre Kleine? Man kann ja nicht früh<br />

genug damit anfangen!“, sagt meine<br />

Banknachbarin nun. Da platzt es<br />

aus mir heraus: „Cheerleading, Frühchinesisch,<br />

Internet für Anfänger <strong>und</strong><br />

Karate!“ Prompt fragt mich der Vater<br />

auf der anderen Bankseite, wo man<br />

denn einen „PC-Kurs 3plus“ buchen<br />

könne. Ich glaub das nicht! Zum<br />

Glück lenkt uns in diesem Moment<br />

lautes Geschrei aus der Sandkiste ab:<br />

Nele hat W<strong>und</strong>er-Niklas ganz emanzipiert<br />

den Plastikeimer geklaut. Da<br />

gibt die flexible Niklas-Mama sehr<br />

unflexible Äußerungen von sich –<br />

<strong>und</strong> wir verkrümeln uns schnell<br />

auf den Heimweg. Gefühlte Zeit:<br />

mindestens Mitternacht.<br />

Zu Hause erwartet uns nicht nur die<br />

Hausarbeit, sondern auch Oma!<br />

Ehrlich, ich liebe meine Mutter <strong>und</strong><br />

bin ihr unendlich dankbar für ihren<br />

unermüdlichen Einsatz in puncto<br />

Kinderbetreuung. Aber an so einem<br />

Tag wie heute, <strong>und</strong> dazu noch unangemeldet<br />

… Nele fliegt ihr in die<br />

Arme. „Das Kind fühlt sich aber heiß<br />

an!“, stellt Mutter skeptisch fest.<br />

Das Fieberthermometer bestätigt erhöhte<br />

Temperatur. Auch das noch!<br />

Eine innere Stimme belehrt mich sofort:<br />

„Kränkelnde Kinder brauchen<br />

viel Zuwendung!“ Wo ist heute<br />

bloß mein Umschaltknopf für den<br />

Kuschelkurs? Wie gut, das die Oma<br />

Nele nun ein Märchen vorlesen will,<br />

meine Mutter ist wirklich ein Schatz,<br />

denke ich. Zumindest denke ich das<br />

bis zu ihrer Frage, wann ich eigentlich<br />

das letzte Mal Fenster geputzt<br />

hätte …<br />

Als Oma weg ist, will Nele fernsehen.<br />

Auf keinen Fall! Und schon<br />

gar nicht allein! Und ich muss noch<br />

kochen <strong>und</strong> bügeln <strong>und</strong> staubsaugen<br />

… In Wirklichkeit bin ich fix <strong>und</strong><br />

fertig. Also engagiere ich ganz unpädagogisch<br />

heute doch die Glotze<br />

für eine Sonderschicht <strong>und</strong> koche<br />

rasch Nudeln mit Ketchup. Ketchup<br />

enthält Zucker, ich weiß, aber auch<br />

jede Menge wichtige Karotinoide …<br />

Kurz darauf würde ich am liebsten<br />

gleichzeitig mit meiner Tochter in<br />

Morpheus Armen liegen, am besten<br />

noch vor ihr. Trotzdem schaffe ich<br />

unter Mobilisierung letzter Energiereserven<br />

sogar noch die obligatorische<br />

Gutenachtgeschichte. Rituale<br />

geben Kindern nämlich Gewissheit,<br />

dass alles in Ordnung ist. Und ich bin<br />

schließlich eine gute Mutter! Nele<br />

schläft, ich verschiebe den Haushalt<br />

auf morgen <strong>und</strong> zappe durch alle<br />

TV-Kanäle. Da, die „Super-Nanny“!<br />

Kann es noch schlimmer kommen<br />

als am heutigen Tag? Es kann. Endgültig<br />

den Rest gibt mir der nächste<br />

Kanal. Dort diskutieren Experten<br />

über das Thema „Können Eltern<br />

Grenzen setzen?“. Und wie ich kann:<br />

genug für heute <strong>und</strong> ab ins Bett!<br />

Alltag mit Kind<br />

„… Ja, ja, Abholzeit im Kindergarten ist nur bis 14 Uhr,<br />

ich weiß, aber mein Chef …“<br />

Alltag mit Kind

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!