'Die Gemeinde' November 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...
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IN EIGENER SACHE<br />
me Lösung, unter Einbeziehung der<br />
El tern zu finden, um sowohl den Scha -<br />
lom Beis, <strong>als</strong>o den Hausfrieden, <strong>als</strong><br />
auch die soziale und vor allem emotionale<br />
Einheit der Familie zu bewahren.<br />
Ist es für Sie <strong>als</strong> Rabbiner schwierig, Ju -<br />
gend liche zu beraten, die nicht mehr<br />
religiös leben wollen?<br />
Auch solchen Jugendlichen bringe ich<br />
durchaus Verständnis entgegen. Zwar<br />
kann ich <strong>als</strong> Rabbiner das Bestreben<br />
eines Jugendlichen, nicht religiös zu<br />
werden, nicht <strong>als</strong> solches unterstützen,<br />
muss mich eines derartigen Anlie -<br />
gens aber selbstverständlich dennoch<br />
ernsthaft annehmen. in den allermeisten<br />
Fällen liegt für diese Jugendlichen<br />
das Problem mit der Religion überhaupt<br />
nicht an der Religion. nicht selten<br />
ist die inkonsequent „religiöse“<br />
Le bensführung der Eltern beziehungsweise<br />
deren, mit den jüdischen Wer -<br />
ten und halachischen Vorschriften un -<br />
vereinbares, mangelhaftes zwi schen -<br />
menschliches Verhalten die Wurzel des<br />
Problems für kritisch denkende Ju -<br />
gend liche.<br />
Das soll heißen: die Religion kann sehr<br />
leicht den Respekt in den Augen der<br />
Kinder verlieren, wenn sie tagtäglich<br />
sehen, dass zu Hause zwar auf die<br />
Kaschrut des Apfelsaftes, nicht aber<br />
auf die Kaschrut der Sprache und des<br />
Umgangstons zwischen den Eltern<br />
Wert gelegt wird. meine Aufgabe ist<br />
es, dies mit den Jugendlichen zusammen<br />
aufzuklären, aber gleichzeitig<br />
auch kritische Fragen zur jüdischen<br />
Religion logisch und verständlich zu<br />
beantworten.<br />
Sie arbeiten auch mit Jugendlichen im<br />
Rahmen der Bar- und Bat Mitzwa-Vor -<br />
Rabbiner Schlomo<br />
Eliezer Hofmeister und<br />
Vizeburgermeister<br />
Michael Ludwig<br />
betrachten das<br />
Gedenkbuch für die<br />
Opfer des Nation<strong>als</strong>o -<br />
zialis mus an der<br />
Universität Wien 1938<br />
be reitung. Wer kann diese in Anspruch<br />
nehmen?<br />
Jedes jüdische mädchen, jeder jüdische<br />
Junge. Die Vorbereitung dauert<br />
ein Jahr und beginn ein Jahr vor der<br />
Bar beziehungsweise Bas mitzwa. Der<br />
Unterricht findet für mädchen am<br />
mon tag nachmittag, für Buben am<br />
mitt woch nachmittag an der Zwi Pe -<br />
rez Chajes-Schule statt und ist natürlich<br />
kostenlos.<br />
Ersetzt dieser Unterricht die individuelle<br />
Bar- oder Bat Mitzwa-Vorbereitung?<br />
nein, es ist ein zusätzliches Angebot<br />
und hat nichts mit der Vorbereitung<br />
auf die Feierlichkeiten zur Bar oder Bas<br />
mitzwa zu tun. Hier geht es mir da -<br />
rum, praktisches jüdisches Leben zu<br />
vermitteln, vor allem Kindern, die<br />
nicht aus religiösen Familien stammen.<br />
Gerade jene Eltern sind für diese Art<br />
Ergänzung des Religionsunterrichts<br />
erfahrungsgemäß besonders dankbar.<br />
An Dienstagen und Donnerstagen<br />
geben Sie in der Seitenstettengasse ebenfalls<br />
Schiurim. An wendet sich dieser?<br />
Am Dienstag gibt es Unterricht für<br />
Kin der und Jugendliche ab einem Al -<br />
ter von etwa neun Jahren, am Don -<br />
ners tag für Erwachsene. Hier geht es<br />
um die Vermittlung von praktischer<br />
Halacha, aber auch um das Beant wor -<br />
ten allgemeiner Fragen zu jüdischen<br />
Themen sowie jüdischer Philosophie<br />
und Denkweise. Ein paar Beispiele<br />
für solche Fragen: wie können wir das<br />
Thema Evolution mit unserem Welt -<br />
bild vereinbaren? Wie ist Sterbe hilfe<br />
zu bewerten? Was sagt die Halacha<br />
zu Themen wie Empfängnisver hü tung<br />
und Abtreibung?<br />
Werden Mädchen und Burschen, Frauen<br />
und Männer hier ebenfalls getrennt<br />
unterrichtet?<br />
nein, sie sitzen nur jeweils auf einer<br />
Seite des Raums. Der Unterricht wendet<br />
sich übrigens an alle, egal ob sä -<br />
kular, traditionell oder streng religiös<br />
und wird auch von allen Gruppen gut<br />
angenommen. Und dabei zeigt sich,<br />
dass Fragen, die von säkularen men -<br />
schen gestellt werden, durchaus auch<br />
für Religiöse interessant sein können.<br />
Es werden in diesen Stunden übrigens<br />
immer sehr viele Fragen gestellt.<br />
Jugendarbeit macht einen großen Teil<br />
ihrer Arbeit hier in Wien aus. Welche<br />
Zielsetzung haben Sie hier vor allem im<br />
Auge?<br />
Es geht darum, die Zukunft der Ge -<br />
mein de zu sichern. Und gleichzeitig<br />
die gesamte Gemeinde mit ihren verschiedenen<br />
Synagogen auch in der<br />
Wahr nehmung aller unserer mitglie -<br />
der miteinander zu verbinden. Die<br />
Betreuung von Jugendlichen ist aber<br />
nur ein Teil meiner Arbeit. meine Auf -<br />
gaben erstrecken sich über alle Be rei -<br />
che des jüdischen Lebenszyklus, und<br />
somit kümmere ich mich um Gemein -<br />
demitglieder jeden Alters. Egal, ob es<br />
um die Beschneidung eines neugeborenen<br />
Buben geht, die bereits erwähnte<br />
Betreuung von Schülern und Jugend -<br />
li chen, Probleme vor und nach der<br />
Eheschließung, bis hin zur Betreuung<br />
Sterbender, wobei es gerade säkulare<br />
Gemeindemitglieder sind, die mich<br />
häufig darum bitten zu kommen, um<br />
mit ihnen oder ihren sterbenden An -<br />
ge hörigen die letzten Gebete zu sprechen.<br />
Dies ist eine ganz wichtige Sache<br />
und ich stehe für solche notfälle<br />
zu jeder Tages- und nachtzeit zur<br />
Verfügung.<br />
Das Besuchen von Kranken, vor al lem,<br />
wenn es sich um alleinstehende und<br />
mittellose, ältere Gemein demit glie der<br />
handelt, ist ebenfalls eine wichtige<br />
Aufgabe eines Gemeinderabbiners, die<br />
mir auch aus menschlicher Sicht sehr<br />
wichtig ist. Da dies aber im Allge mei -<br />
nen sehr zeitaufwändig und schwer<br />
in meinen sehr vollen Tages ab lauf<br />
einzufügen ist, kümmere ich mich da -<br />
rum meistens am Abend be zie hungs -<br />
weise an den freien Sonn ta gen.<br />
Und was zählt noch zu Ihren Aufgaben?<br />
Dazu gehört natürlich vor allem auch<br />
10 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770