'Die Gemeinde' November 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...
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WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
Vom Kibbuz auf den Weltmarkt<br />
im Jahr 1965 errichtete der Kibbuz Hatzerim<br />
inmitten der israelischen Wüs te eine erste<br />
Produktionsstätte für Anlagen zur Tröp fc hen -<br />
bewässerung. Der Wassertechnik-ingenieur<br />
Simcha Blass hatte ein Patent für die regelmäßige<br />
Versorgung von Pflanzen mit dem<br />
lebensnotwendigen nass gefunden.<br />
Heu te ist netafim, an dem nach wie vor drei Kibbuzim beteiligt sind, aber<br />
auch private investmentfonds, ein globales Unternehmen. im Vorjahr wurden<br />
US$ 600 mio. umgesetzt, 2.300 mitarbeiter sind weltweit beschäftigt.<br />
netafim verkauft sein System in 121 Ländern, es gibt 30 Auslands-Töchter,<br />
darunter Produktionsstätten in den USA, in Australien, indien, Brasilien,<br />
Südafrika, China, Frankreich und der Türkei. Die Herzstücke der Anlagen,<br />
die membrane, stammen aber ausschließlich aus der israelischen Fabri ka tion.<br />
Der Weinbau ist wohl ein wichtiges Kundensegment von netafim, aber bei<br />
weitem nicht das einzige. Geliefert wird an Gemüse- und Obstbauern, für<br />
Olivenhaine, Kartoffelfelder und Gewächshäuser, in denen Tomaten oder<br />
Gurken gezogen werden. Die globalen Zahlen sind beeindruckend: 86 mrd.<br />
Tropfer sind weltweit im Einsatz, rund vier millionen Hektar landwirtschaftlicher<br />
Fläche werden mit den Anlagen des israelischen Unternehmens<br />
bewässert.<br />
Josef Glatt von der österreichischen<br />
Landwirtschaftskammer schätzt, dass<br />
von den 50,000 Hektar österreichischer<br />
Rebflächen „etwa zehn bis 15<br />
Prozent“ solche Anlagen installiert<br />
haben. „In manchen Gebieten regnet es<br />
ohnehin genug, etwa in der Steiermark,<br />
da brauchen sie es nicht.“ Franz Wanne -<br />
macher, der <strong>als</strong> Gebietsbetreuer der nie -<br />
derösterreichischen Firma Parga die<br />
mehrzahl der israelischen netafim-<br />
Bewässerungsanlagen im Burgenland<br />
verkauft hat, bestätigt diese Rech -<br />
nung: „Etwa die Hälfte der Weingärten<br />
in Österreich würde eine Bewässerung<br />
brauchen, aber nicht überall gibt es ge -<br />
nug Grundwasser oder Flüsse oder Bäche<br />
in der Nähe. Da trifft etwa auf das Wein -<br />
viertel zu. Insgesamt werden in Österreich<br />
rund 9000 Hektar bewässert.“ Damit<br />
liegt Österreich in Relation zur Reb -<br />
flä che international weit vorne, etwa<br />
deutlich vor südlichen Ländern wie<br />
Spanien oder italien. Und von diesen<br />
vielen Anlagen hat netafim mehr <strong>als</strong><br />
70 Prozent verkauft, den Rest teilen<br />
sich andere israelische Anbieter so wie<br />
solche aus italien, Frankreich und<br />
Aus tralien.<br />
Das Bewässern von Weingärten hat<br />
nicht nur Freunde. in manchen Län -<br />
dern, etwa in Frankreich, ist es überhaupt<br />
verboten. Das Argument dabei<br />
lautet, man verwässere den Wein qua -<br />
si schon am Stock. Qualitäts win zer<br />
Umathum gesteht zu, dass das prinzipiell<br />
möglich wäre: „Wenn ich den<br />
Pflanzen früh in ihrer Wachstumsphase<br />
viel Wasser gebe, dann entwickeln sie riesige<br />
Trauben, wie Luftballons. Aber die<br />
haben dann kaum Geschmack.“ Gerade<br />
in Österreich hat sich der Schwer punkt<br />
des Weinbaus nicht erst seit dem Wein -<br />
skandal deutlich weg von der mas sen -<br />
produktion und hin in Richtung hö -<br />
here Qualitäten verschoben. Und da<br />
bekommt die Bewässerung ganz an -<br />
dere Aufgaben, <strong>als</strong> bloß die mengen<br />
zu erhöhen. Umathum: „Wenn die<br />
Pflanze zu viel Trockenstress hat, dann ist<br />
sie für den Winter geschwächt, im schlimm -<br />
sten Fall kann sie auch kaputtgehen.“<br />
Die ersten, die in Österreich in den<br />
frühen 90er Jahren mit der Tröpfchen -<br />
be wässerung experimentierten, wa ren<br />
Wachauer Weinbauern, die auf ihren<br />
steinigen Terrassen über der Donau<br />
vor allem Rieslinge und Grüne Velt -<br />
liner auspflanzen. „Richtig losgegangen<br />
mit dem Boom ist es dann Ende der<br />
90er,“ erinnert sich der Lieferant Wannemacher.<br />
Ein großer Anreiz, in die<br />
neue Technologie zu investieren, kam<br />
von staatlichen und europäischen För -<br />
derungen. Das Burgenland war einige<br />
Jahre lang Ziel-Eins-Gebiet der EU, da -<br />
m<strong>als</strong> wurden 75 Prozent der Kosten<br />
ge fördert, den Bauern blieb nur ein<br />
Viertel, heute steht die Relation 50:50.<br />
Dabei kauften nicht alle Weinbauern<br />
eine eigene Einzel-Anlage wie Josef<br />
Umathum. manche schlossen sich zu<br />
Wassergemeinschaften zusammen, sei<br />
es in Abschnitten der Wachau, sei es<br />
im Burgenland, in Gols oder in ilmitz.<br />
Der Vorteil liegt darin, dass es nur<br />
einen einzigen Brunnen braucht, und<br />
wenn nicht alle gleichzeitig bewässern,<br />
sind auch nicht Rohre und Pum -<br />
pen der größten Kapazität notwendig.<br />
im Hintereinander liegt aber auch das<br />
Potential für Zank und Hader: Ge rade<br />
wenn es trocken ist, muss dann das<br />
eine oder andere mitglied der Genos -<br />
sen schaft warten, bis es endlich an<br />
der Reihe ist.<br />
Selbst wenn ein Großteil der Wein ber -<br />
ge, die das Wasser am notwendigsten<br />
haben, in Österreich bereits erschlossen<br />
ist, sieht der Anbieter Wanne ma -<br />
cher noch genug Potential für weitere<br />
Anlagen: „Unser Hoffnungsgebiet liegt<br />
jetzt südlich von Wien, in der Ther men -<br />
re gion.“ Kräftige Unterstützung kommt<br />
dabei von den Klimaveränderungen.<br />
Netafim-Gebäude im Kibbuz<br />
Hatzerim.<br />
„Es ist heute tatsächlich anders <strong>als</strong> vor 30<br />
Jahren,“ bestätigt Weinbauer Uma -<br />
thum. „Zwar fällt heuer im gesamten Jah -<br />
resverlauf nicht unbedingt weniger Re gen<br />
<strong>als</strong> dam<strong>als</strong>, aber das Wetter ist un be stän -<br />
diger geworden, auf heftige Un wet ter folgt<br />
dann wieder Trockenheit.“ Da mit er<br />
dann seine großen Roten – etwa den<br />
Haideboden – keltern kann, dreht er<br />
den Wasserhahn auf. Ohne die Reb -<br />
stöcke gleich zu verwöhnen.<br />
Josef Umathum liebt seine Weinstöcke –<br />
verwöhnt sie aber nicht.<br />
november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 25