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'Die Gemeinde' November 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...

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Mélange Oriental<br />

Erich Oskar Hütter<br />

im Gespräch mit<br />

MARCUS G. PATKA<br />

Herr Hütter, Sie landen jedes Jahr bis zu<br />

fünfmal auf Ben Gurion Airport – wie<br />

kam es dazu?<br />

im Oktober 2003 nahm ich die Ein la -<br />

dung von Daniel Barenboim an, im<br />

Rahmen seines Projekts in Ramallah<br />

mit zuwirken, was ich dann zwei Jah re<br />

lang gemacht habe. mir war es wichtig,<br />

aus Österreich raus zu kommen,<br />

andere Kulturen und Gesellschaften<br />

kennenzulernen und nicht nur wie ein<br />

Tourist auf ein paar Tage zu bleiben,<br />

sondern mich wirklich auf das neue<br />

einzulassen. Auch will ich keinen fi -<br />

xen Job, sondern lieber in andere mu -<br />

sik kulturen eintauchen und junge Ta -<br />

lenten fördern, vor allem die musik in<br />

menschen wecken, wo dies bislang<br />

kaum statt findet, eine Art musikalische<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

gestalten. Diese zwei Jahre waren<br />

zugleich eine ziemlich heiße Phase im<br />

nahost-Konflikt, ich habe den mau -<br />

er bau, den Hamas-Umsturz und den<br />

Tod Arafats hautnah miterlebt.<br />

KULTUR • MUSIK<br />

Wie haben sich die ersten Begegnungen<br />

in Ramallah gestaltet?<br />

Oh, schon am ersten Tag fielen etliche<br />

menschen über mich her um mich aus -<br />

zufragen, was ich hier wolle und ma -<br />

che, vor allem aber, um mir ihre Lei -<br />

densgeschichten zu erzählen. Aber das<br />

habe ich auch auf israelischer Seite<br />

erlebt – wenn auch in ganz anderer<br />

Form. Gleichzeitig blieben mir die<br />

menschen in Ramallah lange Zeit in -<br />

nerlich verschlossen, es war so eine mi -<br />

schung aus neugier und mißtrau en.<br />

Da habe ich verstanden, dass es nicht<br />

genügt, einfach mit guten Vorsätzen<br />

irgendwo hin zu gehen, um den „ar-<br />

men Kindern“ zu helfen. Erst nachdem<br />

ich sehr tief in ihre Kultur, ihre<br />

Sprache und ihre Alltagsprobleme<br />

eingetaucht war, hat sich ihr Zugang<br />

zu mir langsam verändert. man darf<br />

sich auch keine großartige Dank bar -<br />

keit erwarten, im Gegenteil, immer<br />

wie der wurden Wünsche an mich<br />

herangetragen, weil ich für sie natürlich<br />

ein Privilegierter war, der in eine<br />

andere Welt zurück kehren konnte.<br />

Danach folgte bald das erste „Sounding<br />

Jerusalem“-Festival.<br />

Ja, da kam uns 2006 die österreichische<br />

EU-Präsidentschaft zu Hilfe, die den<br />

Auf takt finanzierte. Etliche Diplomaten<br />

haben rasch erkannt, dass man bei<br />

einem Konzert viel unbeschwerter in<br />

Kontakt mit lokalen Würdenträgern<br />

kommt, <strong>als</strong> bei den üblichen Empfän -<br />

gen. Darüber hinaus sind wir eine Vi -<br />

si tenkarte europäischer Kultur ge wor -<br />

den und haben verschiedenste men -<br />

schen in einen Konzertsaal gebracht,<br />

die sich nicht an einen Tisch setzen<br />

würden.<br />

ich hatte über die Jahre Kontakte zu<br />

zahlreichen musikern auf beiden Sei -<br />

ten aufgebaut, denn ohne dieses Ver -<br />

trauen auf persönlicher Basis geht gar<br />

nichts. Dann kam das hinreißende<br />

Angebot von markus Bugnyar, dem<br />

Rektor des Österreichischen Hospizes<br />

in Jerusalem, der schon davor eine<br />

ähn liche idee zu einem Kammer mu -<br />

sik-Festival hatte. Alle musiker wohnen<br />

im Hospiz und werden auch dort<br />

verköstigt, ohne dieses einmalige<br />

Spon soring wäre das alles nicht möglich.<br />

Zudem findet sich dort ein Kon -<br />

zertsaal und auch zu den anderen Gäs -<br />

ten des Hospizes ergeben sich immer<br />

wieder interessante Kontakte.<br />

Weitere Konzertbühnen befinden sich<br />

in West- und Ost-Jerusalem, in Ein<br />

Kerem, Abu Gosh, mitunter spielen<br />

wir auch in nablus, Jericho und sogar<br />

in kleinen Dörfern. Den Höhepunkt<br />

bildet jedes Jahr das „Konzert auf den<br />

Dächern“ der Altstadt Jerusalmes: da<br />

sitzen musiker und Publikum auf Kir -<br />

chen, dem Hospiz und Wohnhäusern;<br />

Juden, moslems und Christen, jeder<br />

auf seinem Hausdach – und die mu sik<br />

wird vom einem zum anderen weitergegeben.<br />

Was ist die Idee hinter dem Festival?<br />

Unser primäres Anliegen ist es, niemanden<br />

auszuschließen. Wir sind we -<br />

der ein israelisches noch ein palästinensisches<br />

Festival. Aber das ist nur<br />

schwer in die Köpfe der menschen hi -<br />

nein zu kriegen, weil es so etwas vor<br />

Ort nicht gibt. man ist immer Ent we -<br />

der–Oder. Es gibt nur sehr wenige<br />

men schen in Jerusalem, die mit ei nem<br />

Bus nach Tel Aviv und mit einem ganz<br />

anderen nach Ramallah fahren. Daher<br />

wird man auch von beiden Seiten mißtrauisch<br />

beäugt. Vielfach wurde ver -<br />

sucht, uns zu vereinnahmen, aber wir<br />

lassen uns weder vor den einen noch<br />

vor den anderen politischen Karren<br />

spannen.<br />

Wie ich gehört habe, gab es auch diesen<br />

Sommer etliche heikle Situationen.<br />

Ja, wir mussten das Konzert in Ra mal -<br />

lah absagen, weil man uns vorwarf, im<br />

Sinne der „normalisation“ zu arbeiten<br />

– mit diesem Schlagwort wird neuerdings<br />

operiert. Es war ein langes Hin<br />

und Her, weil die Clans sich nicht eini -<br />

gen konnten, wir haben sogar Dro -<br />

hun gen erhalten. Daraufhin bin ich an<br />

diesem Tag dann an den Strand von<br />

Tel Aviv gefahren. Drei Tage danach<br />

gab es dann eine Fast-Absage in Ein<br />

Ke rem, weil im Vorfeld eine palästinensische<br />

Besucherin vom israelischen Ver -<br />

anstalter für den Fall ihres Kommens<br />

bedroht wurde. Daraufhin wurde der<br />

Standort des Konzertes auf eine andere<br />

Spielfläche 150 meter weiter oben am<br />

Hügel verlegt und es kamen zahlreiche<br />

Besucher aus beiden Teilen Jeru -<br />

sa lems. im Endeffekt war es das stimmungsvollste<br />

und athmosphärisch ge -<br />

lungenste Konzert in diesem Jahr.<br />

Ein ganz anderer Fall war das Kon zert<br />

in Gaza außerhalb des Festiv<strong>als</strong> im<br />

Jahr 2008, für das wir vielfach kritisiert<br />

wurden. niemand will einbekennen,<br />

dass wir mit unserer musik allen men -<br />

38 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770

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