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'Die Gemeinde' November 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...

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KULTUR • INLAND<br />

komme immer wieder. Hier geht es<br />

um „das Wissen, wie es an diesem Origi -<br />

nal ort ausgesehen hat“. So könne es mit<br />

Orten dieser Art auch leichter zu ei -<br />

ner emotionalen Begegnung kommen.<br />

Auch Michael John, Historiker mit<br />

Schwerpunkt Erinnerungskultur an<br />

der Universität Linz, betonte, dass es<br />

wichtig sei, nS-Architektur zu erhalten.<br />

Vielfach sei sie heute immer noch<br />

nicht <strong>als</strong> solche ausgewiesen, wie et -<br />

wa der einzige noch in Linz erhaltene<br />

Hochbunker. Hier sei heute „die Erin -<br />

nerungskultur nicht gegeben: es ist nicht<br />

ordentlich gekennzeichnet, was es ist“.<br />

Die Löwen am Hauptbahnhof der<br />

Stadt (Auftragsarbeit des Bildhauers<br />

Jakob Adlhart) wiederum seien, ob -<br />

wohl „eindeutig Symbole aus der NS-<br />

Zeit“ mit einem großen Fest 2004 vor<br />

dem umgebauten Bahnhof wiederaufgestellt<br />

worden. Eine „Karneva li -<br />

sierung“ habe dabei stattgefunden,<br />

wie John meinte, sogar Plastiklöwen<br />

seien an diesem Tag erhältlich gewesen.<br />

Besonders stark gemacht hatten<br />

sich für diese Wiederaufstellung die<br />

Freiheitlichen.<br />

Den möglichen missbrauch von Tä ter -<br />

orten <strong>als</strong> Würdigungsstätte für na ti -<br />

o n<strong>als</strong>ozialisten durch Rechts ra dikale<br />

sehen die Experten heute übrigens<br />

nicht mehr <strong>als</strong> geeignetes Argu ment,<br />

um gegen die Unterschutzstellung<br />

von nS-Architektur zu protestieren.<br />

„Rechts radikale wissen auch so ganz ge -<br />

nau, welche Orte mit ihren Vorstellun -<br />

gen verbunden sind“, sagte Winfried<br />

Ner din ger, Professor für Architektur -<br />

ge schichte an der Technischen Uni -<br />

ver si tät münchen sowie Direktor des<br />

mün chner Architekturmuseums. „Das<br />

ist kein Argument gegen eine Kenn zeich -<br />

nung.“<br />

Auch das Jahrzehnte lange „Dogma<br />

der Trivialisierung“, wie Franz Son nen -<br />

berger, Direktor der museen der Stadt<br />

nürnberg, es formulierte, sei in den<br />

neunziger Jahren überwunden worden.<br />

Die Kongresshalle auf dem ehemaligen<br />

nürnberger Reichspar tei tags -<br />

gelände sei beispielsweise so wohl <strong>als</strong><br />

Lager des Versandhauses Quelle <strong>als</strong><br />

auch <strong>als</strong> Abstellort für abgeschleppte<br />

Fahrzeuge benutzt worden.<br />

Seit 2001 befindet sich auf diesem<br />

„kon taminierten Gelände“ ein Do ku -<br />

men tationszentrum, das jährlich an<br />

die 200.000 Besucher anzieht, die<br />

mei s ten von ihnen kommen aus der<br />

Re gi on. „An diesem düsteren Ort kann<br />

man deutlich machen, wie Vereinnah -<br />

mung funktioniert“, betonte Sonnen -<br />

ber ger. Das nächste Projekt in der<br />

Stadt: im Verhandlungssaal, in dem<br />

die nürnberger Prozesse stattfanden,<br />

soll ein memorial eröffnet werden.<br />

Wie aber geht man richtig vor, wenn<br />

ein Täterort in einen Erinnerungsort<br />

umgewandelt wird? „Es gibt verschiedene<br />

Ansätze, aber es gibt keine Lösung“,<br />

betonte nerdinger. „Was die Denkmal -<br />

pfle ge zu Recht sagt: die Dinge müssen<br />

reversibel sein. Die nächste Generation<br />

muss sagen können, wir wollen es wieder<br />

in einem anderen Zustand sehen.“ Ge nau<br />

hier setzt auch Höhle in der Dis kus si -<br />

on um die neugestaltung der Brücken -<br />

kopfgebäude in Linz an: geplant sind<br />

15 meter hohe Kuppeln, dazu müss -<br />

ten die Bauten auch innen entfremdet<br />

und ausgehöhlt werden. Das Bundes -<br />

denkmalamt sagt daher dazu nein.<br />

John zu diesem Thema: „Ich möchte kein<br />

politischer Entscheidungsträger sein,<br />

weil das alles nicht so einfach ist.“ Wie<br />

schwierig es mitunter sein kann, eine<br />

allseits befriedigende Lösung zu finden,<br />

zeigte eine Diskussion um die<br />

fehlenden Porträts der Bürgermeister<br />

der Stadt in der nS-Zeit im Renais san -<br />

cesaal des Alten Rathauses, in dem<br />

das Symposium stattfand. Die Ölporträts<br />

der Bürgermeister vor und nach<br />

dieser Zeit hängen hier an den Wän -<br />

den. Bilder von Josef Wolkerstorfer<br />

(1938-1939), Leo Sturma (1940-1943)<br />

sowie Franz Langoth (1944-1945) sind<br />

nicht zu sehen.<br />

Bewältigung der Geschichte durch<br />

Ver drängen, Vergessen. Wäre es besser,<br />

Bilder der Genannten ebenfalls<br />

aufzuhängen? Oder in einer Tafel zu<br />

vermerken, dass man bewusst auf das<br />

Aufhängen dieser drei Porträts verzichtet?<br />

Die einhellige Experten mei -<br />

nung: keine Lösung ist ideal. Auch<br />

nicht der jetzige Zustand, in dem die<br />

Zeit und diese Personen einfach überhaupt<br />

keine Erwähnung finden (wie<br />

übrigens in so vielen anderen österreichischen<br />

Orten auch).<br />

Auf der Homepage der Stadt Linz<br />

www.linz.at werden die nS-Bürger -<br />

meis ter übrigens unter der Überschrift<br />

„nS-Diktatur (1938 – 1945)“<br />

aufgelistet. Auch der internet-Auftritt<br />

der Stadt Wien, www.wien.gv.at, der<br />

alle Bürgermeister seit 1281 anführt,<br />

sind die drei Stadtoberhäupter während<br />

des nS-Regimes vermerkt (Her-<br />

mann neubacher, Philipp Wilhelm<br />

Jung, Hanns Blaschke). Und auf der<br />

Homepage der Stadt Klagenfurt<br />

www.klagenfurt.at, wird Friedrich von<br />

Franz <strong>als</strong> Bürgermeister in der nS-<br />

Zeit angeführt.<br />

Was in der Rubrik „Geschichte“ über<br />

die nS-Zeit in Klagenfurt zu lesen ist,<br />

ist aber mehr <strong>als</strong> rudimentär. Das Ka -<br />

pitel „neuzeit“ lautet wie folgt: „1863<br />

hielt die Neuzeit Einzug – der An schluss<br />

an das Eisenbahnnetz brachte neue wirtschaftliche<br />

Impulse. Klagenfurt wuchs<br />

weiter zum echten Zentrum Kärn tens.<br />

Dann kamen zwei Weltkriege. Kla genfurt<br />

wurde im ‚1000-jährigen Reich‘ zerbombt,<br />

tausende Mitbürger starben an<br />

den Fronten, viele andere in den Konzen -<br />

tra tionslagern der Nazis. Gleich nach<br />

Kriegs ende, noch in der englischen Besat -<br />

zungszeit, ging es tatkräftig an den Wie -<br />

deraufbau und schon bald war die südlichste<br />

Landeshauptstadt Österreichs<br />

wieder für Rekorde gut. (…)“<br />

insgesamt hinke Österreich Deutsch -<br />

land noch stark in Sachen Aufarbei -<br />

tung hinterher, betonte Höhle einmal<br />

mehr. in Bezug auf Täterorte sei nun<br />

die Grundlagenforschung gefragt.<br />

„Wir haben hier einen Nachholbedarf von<br />

60, 70 Jahren.“ noch sei in diesem Be -<br />

reich auch nichts zu Ende gedacht,<br />

meinte nerdinger. „Dass man negativ<br />

besetzte Bauten nun unter Schutz stellt<br />

und dafür Geld investiert, das ist etwas<br />

Neues, und wie man das macht und wie<br />

man das löst, das weiß man noch nicht<br />

und wahrscheinlich gibt es auch keine<br />

Lösung. Jede Generation geht hier anders<br />

heran.“<br />

Die Bahnhofslöwen von Linz<br />

www.linz09.at<br />

www.mauthausen-memorial.at<br />

www.oeaw.at<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 35

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