stereoplay Klang aus Licht (Vorschau)
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Musik Klassik<br />
Foto: Sony<br />
Despot und<br />
Perfektionist<br />
Zum 50. Todestag des ungarisch-amerikanischen<br />
Dirigenten Fritz Reiner hat Sony auf 63 CDs alle<br />
Aufnahmen veröffentlicht, die Reiner mit dem<br />
Chicago Symphony Orchestra produziert hat. Die<br />
Sammlung ist zugleich eine Reise in die goldenen<br />
Anfangsjahre der Stereophonie. Attila Csampai<br />
berichtet.<br />
bis heute als einer der Größten<br />
seiner Zunft, als Prototyp des „modernen“,<br />
nach absoluter Perfektion<br />
strebenden Musikers. Als ich<br />
den RCA-Produzenten Jack Pfeiffer<br />
einmal fragte, wer der größte<br />
Musiker war, der ihm jemals begegnet<br />
sei, antwortete er sofort:<br />
„Fritz Reiner <strong>aus</strong> Budapest“.<br />
Lehrer und Schüler:<br />
Béla Bartók (links)<br />
und Fritz Reiner<br />
Schon im Alter von zehn Jahren<br />
wurde der Spross einer jüdischen<br />
Familie an die renommierte Budapester<br />
Musikakademie aufgenommen,<br />
wo ihn Béla Bartók und<br />
Leo Weiner unterrichteten; mit 19<br />
dirigierte er an der Budapester<br />
Komischen Oper Bizets „Carmen“,<br />
mit 25 wurde er nach einer<br />
einzigen Vorstellung fest an die<br />
Dresdner Hofoper verpflichtet, wo<br />
er bald mit Richard Str<strong>aus</strong>s<br />
Freundschaft schloss und unter<br />
anderem die deutsche Erstaufführung<br />
der „Frau ohne Schatten“<br />
leitete. 1922, im Alter von 33 Jahren,<br />
übersiedelte Reiner in die<br />
USA und übernahm neun Jahre<br />
lang die Führung des Cincinnati<br />
Symphony Orchestra. Er formte<br />
es bald zu einem Spitzen-Ensemble<br />
und tat dies anschließend auch<br />
in Pittsburgh, dessen Sinfoniker<br />
er von 1938 bis 1948 betreute. Parallel<br />
dazu bildete er am Curtis Institute<br />
in Philadelphia den Dirigentennachwuchs<br />
<strong>aus</strong>, darunter<br />
auch den jungen Leonard Bernstein.<br />
Zwischen 1949 und 1953<br />
leitete er an der New Yorker Metropolitan<br />
Opera zahlreiche legendäre<br />
Opernvorstellungen.<br />
Den Gipfelpunkt seiner über 50<br />
Jahre währenden musikalischen<br />
Karriere aber erreichte er von<br />
1953 an in Chicago. Das Symphony<br />
Orchestra (CSO) der Stadt<br />
formte er mit gnadenloser Strenge<br />
zum weltbesten <strong>Klang</strong>körper. Hier<br />
legte er durch einen Kontrakt mit<br />
RCA auch den Grundstein für seinen<br />
legendären Nachruhm: Von<br />
1954 bis 1963 produzierte Reiner<br />
mit dem CSO in der brandneuen<br />
Stereo-Technik über 60 Alben, die<br />
Unter allen großen Dirigenten<br />
des 20. Jahrhunderts<br />
war Fritz Reiner neben<br />
George Szell vielleicht der unangenehmste:<br />
eine einzigartige Kombination<br />
<strong>aus</strong> Despotie und Kompetenz.<br />
Seine Ansprüche an Disziplin,<br />
Können und Einsatzbereitschaft<br />
waren extrem hoch, seine<br />
Wut<strong>aus</strong>brüche gefürchtet, seine<br />
schlechte Laune der Normalfall.<br />
Musiker, die einmal falsch spielten,<br />
feuerte er mit einer bloßen<br />
Handbewegung.<br />
Trotzdem (oder gerade deshalb)<br />
gilt der 1888 in Budapest geborene,<br />
später in die USA <strong>aus</strong>gewanderte<br />
Dirigent für viele Fachleute<br />
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