Wirtschaftswoche Ausgabe vom 21.12.13 (Vorschau)
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Technik&Wissen<br />
»<br />
Steuersignale abspeichern und analysieren<br />
können. Daraus hat sich ein ganz neues<br />
Verständnis von Intelligenz entwickelt.<br />
Nämlich?<br />
Wir wissen heute sicher, dass Handeln<br />
nicht die Folge von rationalem Denken ist.<br />
Eine Ameise verhält sich rational, sprich<br />
zweckdienlich, wenn sie auf Futtersuche<br />
geht und das Futter zum Nest zurück<br />
bringt. Das ist rationales Verhalten, aber es<br />
ist nicht die Folge von rationalem Denken.<br />
Und der Mensch tickt ähnlich wie die<br />
Ameise, wollen Sie sagen?<br />
Letzte Gewissheit haben wir da nicht. Aber<br />
wahrscheinlich sind es physiologische Bedürfnisse,<br />
dazu gehören auch Emotionen,<br />
die unser Handeln bestimmen.<br />
Mit der Entwicklung seines Verstands hat<br />
es der Mensch immerhin geschafft,<br />
sich zur Krone der Schöpfung zu machen.<br />
Es ist eine ungeklärte Frage der Evolution,<br />
warum sich diese beim Menschen anzutreffende<br />
Komplexität eingestellt hat. Zum<br />
Überleben ist sie ganz offensichtlich nicht<br />
zwingend notwendig. Bakterien sind eine<br />
der erfolgreichsten Spezies, die wir auf unserem<br />
Planeten finden. Sie haben es geschafft,<br />
Millionen Jahre zu überleben, ohne<br />
ihre Komplexität zu erhöhen.<br />
Aber auch die evolutionäre Strategie<br />
des Menschen war erfolgreich. Zu seinen<br />
Stärken gehört es, lernen zu können.<br />
Lässt sich diese Fähigkeit auf Roboter<br />
übertragen?<br />
Das ist unser Ziel. Lange war es üblich,<br />
dem Roboter so viel wie möglich einzuprogrammieren.<br />
Wir wollen die Vorgaben auf<br />
ein Minimum begrenzen, um verstehen zu<br />
können, wie ein Roboter lernt.<br />
Und wie wird er ein gelehriger Schüler?<br />
Wir geben ihm etwa die Aufgabe vor, ein<br />
Glas auf einem Tisch anzuheben. Mehr<br />
nicht. Die Lösung muss er allein finden.<br />
Durch Versuch und Irrtum?<br />
So ähnlich. Im ersten Schritt versucht er,<br />
dem Glas mit einer zufälligen Bewegung<br />
nahe zu kommen. Sein Kameraauge zeigt<br />
ihm: verfehlt. Er speichert die Bewegungsdaten<br />
ab und versucht es erneut und immer<br />
so weiter. Am Ende hat der Roboter<br />
selbst herausgefunden, wie er seinen Arm<br />
steuern muss, damit er das Glas erwischt.<br />
Mit anderen Worten: Er hat selbstständig<br />
gelernt, eine Aufgabe zu lösen – und zwar<br />
aus seiner ganz eigenen Perspektive. Jede<br />
Maschine kann bei diesem Prozess zu einer<br />
eigenen Lösung kommen.<br />
Damit hätten Roboter so etwas wie<br />
Individualität. Dürfen wir ihnen dann noch<br />
einfach den Stecker ziehen?<br />
31Lässt sich die<br />
Privatsphäre<br />
im Web-Zeitalter schützen?<br />
Wirklich anonym ist heute im Netz<br />
fast niemand mehr. Selbst wer aufs<br />
Handy verzichtet (das Netzbetreiber,<br />
Hersteller oder Polizei verfolgen<br />
könnten), legt vielleicht beim Zahlen<br />
mit der EC-Karte digitale Spuren.<br />
Weil die weder vermodern noch zerfallen,<br />
hilft nur Selbstbeschränkung:<br />
Web-Surfen im Inkognito-Modus,<br />
Barzahlung und der Verzicht auf die<br />
nächste Gratis-App, die eben doch<br />
mit den Kundendaten bezahlt wird.<br />
Ein interessanter Punkt. In Korea haben<br />
Forscher im Auftrag der Regierung eine<br />
Charta für Roboterrechte aufgestellt, die<br />
das infrage stellt. Momentan mag uns das<br />
noch absurd erscheinen, aber diese Themen<br />
kommen irgendwann einmal zwingend<br />
auf uns zu. Die Antworten könnten<br />
uns schwerfallen, denn wir werden nie<br />
wissen, was für ein Gefühl es ist, an einer<br />
Ladestation zu hängen.<br />
Vielleicht doch, wenn nämlich eintritt, was<br />
der amerikanische Technologie-Visionär<br />
Ray Kurzweil als Zukunft ausmalt. Bis zum<br />
Jahr 2045 werde sich der Unterschied<br />
zwischen Mensch und Maschine aufgelöst<br />
haben, kündigte er jüngst an.<br />
Solche Geschichten erzählt er schon seit 20<br />
Jahren. Die Medien greifen sie gerne auf,<br />
weil es die Leser sofort schaudert.<br />
Sie nehmen die Ankündigung nicht ernst?<br />
Nicht wirklich. Der Kurzweil, glaube ich,<br />
hat schlicht Angst vor dem Tod. Darum<br />
102 Nr. 52 21.12.2013 WirtschaftsWoche<br />
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