Wirtschaftswoche Ausgabe vom 21.12.13 (Vorschau)
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Politik&Weltwirtschaft<br />
Die rot-schwarze Koalition<br />
REGIERUNG | Die Wirtschaftspolitik der nächsten vier Jahre wird nur von der SPD gemacht.<br />
Diese ökonomische Kapitulation der Union wird für einen zur großen Chance: Sigmar Gabriel.<br />
Wer auf die große programmatische<br />
Rede des neuen Bundeswirtschaftsministers<br />
wartet, der kann<br />
seine Neugier stillen, schon jetzt. Sigmar<br />
Gabriel hat das erste Bekenntnis bereits am<br />
14. November abgelegt. Nicht vor Arbeitgebern,<br />
nicht vor Gewerkschaftlern, auf keinem<br />
Hochschul-Symposium zur Freiburger<br />
Schule und erst recht nicht beim BDI.<br />
Nein, Gabriel wählte für seine wirtschaftspolitische<br />
Grundsatzrede den SPD-Parteitag<br />
in Leipzig. Und legte mit wenigen Strichen<br />
ein bemerkenswertes Bekenntnis zur<br />
Idee der Freiheit ab, wie man es – nur zum<br />
Beispiel – von der Partei mit der Freiheit im<br />
Namen schon lange nicht mehr gehört hat.<br />
„Liberalität“, sagte Gabriel also, „ist ja eine<br />
Geisteshaltung, die den Menschen vor<br />
der Übermacht des Staates ebenso schützen<br />
will wie vor der Übermacht des Marktes.“<br />
Es sei an der Zeit, einen „alten Freiheitsbegriff“<br />
wieder zu entdecken, der Arbeit<br />
und Leben genauso wenig als Gegensätze<br />
begreife wie sozialen Halt und selbstverantwortliche<br />
Lebensgestaltung. „Wir<br />
sollten dieser großen und wichtigen Tradition<br />
des Liberalismus eine neue Heimat<br />
geben.“ So weit ging Gabriel, seinen Genossen<br />
den leisen Zweifel einzuimpfen, ob<br />
wirklich jede sozialdemokratisch-herzerwärmende<br />
„kollektive Lösung“ in einer individualisierten<br />
Gesellschaft noch ein attraktives<br />
Angebot an Wähler darstellt.<br />
Gabriel wäre gewiss nicht Gabriel, wenn<br />
sich in seine Reden nicht immer auch Widersprüche<br />
einschlichen. Einerseits. Andererseits<br />
sollte jeder, der Gabriel die abgenutzten<br />
Attribute des unsteten, sprunghaften<br />
und flüchtigen Hans Dampf anheftet,<br />
seine Antrittsrede als Parteichef aus dem<br />
Jahre 2009 nachlesen. Wer dachte, dass der<br />
SPD-Vorsitzende von freiheitlicher Gesinnung<br />
nur deshalb redet, weil im Jahr des<br />
FDP-Exodus ein bisschen Nachtreten besonders<br />
gut käme, wird hier eines Besseren<br />
belehrt: Gabriel hat über die Idee der Freiheit<br />
2009 nahezu wortgleich geredet wie<br />
heute. Und sie schon damals mit einer Leidenschaft<br />
vertreten, wie man sie häufiger<br />
hören möchte.<br />
»Wir sollten der<br />
Tradition des Liberalismus<br />
eine neue<br />
Heimat geben«<br />
Man darf sich also beim Vizekanzler Sigmar<br />
Gabriel auf ein paar Überraschungen<br />
gefasst machen, für den Rest der SPD-Ministerriege<br />
kann man es zumindest hoffen.<br />
Denn wann immer in den kommenden<br />
vier Jahren wirtschaftspolitische Fragen zu<br />
klären und ökonomisch höchst relevante<br />
Reformen anzustoßen sind, werden die<br />
Antworten und Ansätze von Sozialdemokraten<br />
geliefert. Die Bundestagswahl mag<br />
eine gewisse Angela Merkel gewonnen haben.<br />
Aber Deutschland hat, wenn es um<br />
Industrie, Jobs und Standort geht, eine tiefrot-blassschwarze<br />
Regierung bekommen.<br />
ACHSELZUCKENDE IGNORANZ<br />
Um das in seinem ganzen Ausmaß zu verstehen,<br />
muss man kurz die Ausnahme von<br />
dieser Regel erwähnen: Der einzige Minister<br />
mit Unions-Parteibuch, der in der<br />
nächsten Wahlperiode in ökonomischen<br />
Fragen überhaupt etwas zu sagen haben<br />
wird, wenn ihm der Euro dafür Zeit lässt, ist<br />
der Finanzminister. Ja, natürlich: Wolfgang<br />
Schäubles Stimme und sein verbürgtes<br />
Etat-Vetorecht sind wichtig. Aber dennoch:<br />
Die Partei Ludwig Erhards hat bei der übrigen<br />
Postenverteilung – als es also darum<br />
ging, zu den drängendsten Reformfragen<br />
des Landes die passenden Köpfe zu finden<br />
30 Nr. 52 21.12.2013 WirtschaftsWoche<br />
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