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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 21.12.13 (Vorschau)

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STROMSPEICHER<br />

Lückenfüller<br />

Wenn Sonne und Wind keinen<br />

Strom liefern, sollen neuartige<br />

Energiepuffer einspringen.<br />

Bereits als das Orkantief Xaver Anfang Dezember<br />

noch weit draußen auf dem Atlantik<br />

lag, rauschte der Strompreis an der<br />

Leipziger Strombörse in den Keller. Der<br />

Grund: Die Händler erwarteten, dass die<br />

Windturbinen im Land wegen des starken<br />

Sturms drei bis vier Mal so viel Elektrizität<br />

produzieren würden wie üblich. Dieses<br />

enorme Angebot sei nur mit großen Preisnachlässen<br />

loszuschlagen, glaubten sie.<br />

Die Reaktion der Trader illustriert ein<br />

zentrales Problem der Energiewende. Je<br />

mehr Strom Wind- und Solaranlagen produzieren,<br />

desto dringlicher wird die Aufgabe,<br />

das unstete Angebot auszugleichen.<br />

Das Ziel dabei: Statt Überschüsse mehr<br />

oder weniger zu verschenken, sollen sie für<br />

Zeiten gehamstert werden, in denen Wind<br />

und Sonne pausieren.<br />

Weltweit sind Forscher daher in einem<br />

Wettlauf um die Entwicklung neuer, leistungsfähiger<br />

und bezahlbarer Speichersysteme.<br />

Sie sollen kurzzeitige Schwankungen<br />

in der grünen Stromproduktion ebenso<br />

kompensieren können wie längere Ausfälle,<br />

wenn tagelang kein Lüftchen weht oder<br />

Wolken den Himmel verhüllen.<br />

Der Bedarf an Speicherkapazität ist gewaltig:<br />

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung<br />

schätzt ihn für Deutschland<br />

im Jahr 2050 auf mindestens 16 000<br />

Megawatt – was der Leistung von 16 Kernkraftwerken<br />

entspricht. Aber auch in vielen<br />

Gegenden der USA entstehen derzeit große<br />

Wind- und Solarparks, deren Strom gelagert<br />

werden will. Das erklärt, warum sich<br />

gerade dort so viele Spitzenforscher in<br />

spektakuläre Speicherprojekte stürzen.<br />

Einer von ihnen ist Donald Sadoway,<br />

Professor am Massachusetts Institute of<br />

Technology (MIT). Er hat eine Batterie entwickelt,<br />

in der Strom in preiswerte flüssigen<br />

Metallen statt wie bisher in Feststoffen<br />

zwischengelagert wird. Schon im kommenden<br />

Jahr will der Chemiker mit seinem<br />

Startup Ambri einen Prototyp testen. Die<br />

Speicher in Containergröße sollen zwei<br />

Megawattstunden Strom aufnehmen können.<br />

Damit ließen sich 70 US-Haushalte einen<br />

Tag lang mit Elektrizität beliefern.<br />

Künftig will Sadoway die Zellen zu Großspeichern<br />

mit einem Fassungsvermögen<br />

von mehreren Hundert Megawattstunden<br />

zusammenschalten. Sie könnten dann<br />

ganze Stadtteile versorgen. Als weitere Vorzüge<br />

der Technologie nennt der Forscher:<br />

Auch nach Jahren intensiver Nutzung verliert<br />

der Flüssigmetall-Akku, anders als seine<br />

Feststoff-Pendants, kaum Ladekapazität.<br />

Und er lässt sich preiswerter herstellen.<br />

Vinod Khosla, Mitgründer von Sun Microsystems<br />

und heute Risikokapital-Legende,<br />

sowie Microsoft-Gründer Bill Gates<br />

hat Sadoway überzeugt. Mit 15 Millionen<br />

Dollar finanzieren sie den Bau einer ersten<br />

Produktionsstätte für die neuen Speicher.<br />

Beide sind als Geldgeber auch beim kalifornischen<br />

Startup Lightsail an Bord. Dessen<br />

Entwickler kombinieren Druckluft und<br />

Wasser zu einem hocheffizienten Speicher.<br />

Produzieren Solarkraftwerke mehr Strom,<br />

als gerade benötigt wird, presst ein Motor<br />

mit der überschüssigen Energie Luft in einen<br />

Behälter. Damit die bei der Kompression<br />

entstehende Wärme nicht ungenutzt<br />

bleibt, sprühen die Kalifornier Wasser hinzu,<br />

das die Wärme aufnimmt. Anschließend<br />

trennen sie Druckluft und das erhitzte<br />

Wasser und speichern sie separat.<br />

WARMER SPRÜHNEBEL<br />

Wird Strom gebraucht, kehrt sich der Prozess<br />

um: Die Druckluft strömt aus dem Behälter<br />

und treibt einen Generator an; ein<br />

warmer Sprühnebel beschleunigt die Ausdehnung<br />

der Luft. Dank dieses Kniffs, behaupten<br />

die Lightsail-Entwickler, würden<br />

von zehn Kilowattstunden, die in den Speicher<br />

hineinfließen, sieben zurückgewonnen.<br />

Das System wäre damit ähnlich effizient<br />

wie gute Batterien – aber zu einem<br />

Zehntel der Kosten. Die Londoner Marktforscher<br />

von Navigant Research sagen<br />

Druckluftspeichern deshalb eine große Zukunft<br />

voraus. Schon 2023 sollen weltweit<br />

Anlagen mit einer Kapazität von mehr als<br />

11 000 Megawatt installiert sein.<br />

Eine vollkommen neue Speicheridee<br />

verfolgt das US-Unternehmen Ares aus<br />

Santa Barbara. Die Kalifornier lassen mit<br />

überschüssigem Strom Elektroloks einen<br />

Hügel hinauffahren. Wird Strom gebraucht,<br />

rollen die Loks wieder bergab. Die<br />

anfallende Bremsenergie wird in Strom zurückgewandelt<br />

und fließt ins Elektrizitätsnetz.<br />

In Nevada plant Ares das erste Schienenspeicherwerk<br />

der Welt. Es soll rund<br />

drei Millionen US-Haushalte etwa acht<br />

Stunden lang mit Strom versorgen.<br />

dieter.duerand@wiwo.de<br />

DISPLAYS<br />

Freie Entfaltung<br />

Bildschirme lassen sich biegen, ohne<br />

zu brechen, und laden Handys.<br />

Displays von Smartphones und Tablets haben<br />

in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte<br />

gemacht. Ihre Auflösung wurde immer<br />

höher, und die Farben wurden brillanter.<br />

Nun steht der nächste Entwicklungssprung<br />

an: Bildschirme werden flexibel. Seit<br />

diesem Jahr verkaufen die Technikriesen<br />

Samsung und LG Handys mit leicht gebogenen<br />

Displays. Sie sollen sich wegen der Wölbung<br />

besonders gut halten und dabei ohne<br />

Fingerverrenkungen bedienen lassen. Ihr<br />

Preis liegt bei mindestens 750 Euro.<br />

In der nächsten Stufe wollen die Hersteller<br />

bald schon Telefone mit flexiblen Displays<br />

auf den Markt bringen. Die sollen<br />

sich sogar wie eine Zigarre zusammenrollen<br />

lassen – oder von selbst die Form verändern.<br />

So präsentierten kanadische Forscher<br />

kürzlich einen Display-Prototyp, dessen<br />

Ecken sich krümmen, wenn eine<br />

E-Mail eintrifft. Das Handy oder Tablet der<br />

Zukunft winkt seinem Besitzer also zu.<br />

Aber nicht nur flexibel werden die mobilen<br />

Geräte der Zukunft sein, sie produzieren<br />

auch ihren eigenen Strom. Das französische<br />

Startup Sunpartner hat dafür eine<br />

Folie aus transparenten Solarzellen entwickelt,<br />

die sich unauffällig in das Display integrieren<br />

lässt. Liegt das Telefon eine Stunde<br />

in der Sonne, erzeugt sie genug Strom<br />

für ein zehnminütiges Gespräch. »<br />

benjamin.reuter@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche 21.12.2013 Nr. 52 95<br />

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