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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 21.12.13 (Vorschau)

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Politik&Weltwirtschaft<br />

BERLIN INTERN | Wahlkreis, Partei, Regierungsjob –<br />

für Politiker ist Familie, was sonntags im Kalender frei<br />

bleibt. Manche steigen aus. Neu ist, dass Männer<br />

ihr Privatleben als Grund nennen. Von Cordula Tutt<br />

Doppelleben<br />

FOTOS: WERNER SCHUERING FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, PICTURE-ALLIANCE/DPA<br />

Presseball statt immer am Ball bleiben<br />

Jörg Asmussen mit Henriette Peucker<br />

Es gibt nur drei Sorten Spitzenpersonal<br />

in Berlin. Konservative, Liberale<br />

und Alternative – zumindest<br />

wenn es drum geht, wie sie<br />

Politikberuf und Privatleben vereinbaren.<br />

Schwer ist es allemal: Die meisten pendeln<br />

zwischen Wahlkreis und Hauptstadt.<br />

Sie drehen Extrarunden in der Partei, um<br />

sich abzusichern. Aufhorchen lässt, dass<br />

zwei Männer nicht mehr wollen wie bisher.<br />

Nehmen wir an, ihre Argumente sind<br />

ernst gemeint und verschleiern keine anderen<br />

Motive. Der vorige Kanzleramtsminister<br />

Ronald Pofalla (CDU) zog sich aufs Mandat<br />

zurück. Er wolle mit seiner Freundin, einer<br />

Anwältin im Rheinland, eine Familie gründen.<br />

Pofalla hat zwei Scheidungen hinter<br />

sich. Jörg Asmussen (SPD), Direktor bei der<br />

Europäischen Zentralbank, lässt Frankfurt<br />

und viele Dienstreisen zurück für den<br />

Staatssekretärsposten im Bundesarbeitsministerium.<br />

Er verweist auf zwei kleine Töchter;<br />

Partnerin Henriette Peucker hat einen<br />

anspruchsvollen Job bei einer PR-Agentur.<br />

Bei Männern ist dieser Verzicht neu. Erstmals<br />

in Deutschland begründen sie ihn mit<br />

Sehnsucht nach der Familie. Ihre Angst<br />

schwindet, schwach zu wirken. Oft wollen<br />

auch beide Partner im Beruf etwas erreichen.<br />

Das geht kaum ohne Abstriche.<br />

Pofalla und Asmussen sind Alternative.<br />

Sie schränken das Politische zugunsten des<br />

Privaten radikal ein. Zu ihnen gehört Eckart<br />

von Klaeden (CDU), der <strong>vom</strong> Kanzleramt als<br />

Lobbyist zu Daimler wechselte. Bei allen<br />

Querelen über politische Nähe zu seinem<br />

Arbeitgeber vor dem Wechsel gerät in Vergessenheit,<br />

dass auch er „familiäre Gründe“<br />

nannte. Von Klaeden hat mit Frau Maren, einer<br />

Ärztin, drei Töchter. Interessant, dass ein<br />

Industriejob zwischen Stuttgart, Berlin und<br />

Brüssel stressfreier auf ihn wirkt.<br />

Auch Ex-Familienministerin Kristina<br />

Schröder (CDU) ist nun einfache MdB und<br />

erwartet ihr zweites Kind. Hildegard Müller<br />

verabschiedete sich einst als Staatsministerin<br />

im Kanzleramt und als Abgeordnete<br />

für Düsseldorf. Die Tochter in Berlin und der<br />

Partner in Heidelberg kamen zu kurz. Heute<br />

führt sie den Bundesverband der Energieund<br />

Wasserwirtschaft (BDEW).<br />

Anders die Liberalen – sie praktizieren<br />

das Prinzip „Leben und leben lassen“. Im<br />

Alltag ziehen sie das Private dem Politischen<br />

manchmal vor, scheuen sich aber,<br />

das publik zu machen. Sie wohnen mit ihrer<br />

Familie in Berlin. Seltener tauchen sie womöglich<br />

im Wahlkreis auf. Das geht leichter<br />

für Abgeordnete kleiner Parteien, die keinen<br />

Wahlkreis per Direktmandat betreuen.<br />

Etliche Grüne, so auch Fraktionsvize<br />

Kerstin Andreae, leben mit Mann und<br />

Kindern in Berlin. Doch auch Bundesaußenminister<br />

Frank-Walter Steinmeier<br />

(SPD) zählt dazu. Sein Wahlkreis liegt in<br />

Brandenburg an der Havel, er selbst wohnt<br />

in der Hauptstadt.<br />

Zahlreicher sind die Konservativen. Sie<br />

ziehen das Private ins Politische, zeigen<br />

Fotos der Lieben und traditionelle Rollen.<br />

Die Familie wohnt im Wahlkreis. Mancher<br />

sagt stolz: „Meine Frau kümmert sich quasi<br />

allein erziehend um unsere vier Kinder.“<br />

Es gibt auch aufgeklärte Konservative.<br />

Sie suchen den Imagegewinn als Familienmensch.<br />

SPD-Chef Sigmar Gabriel nahm<br />

2012 eine Auszeit für Töchterchen Marie.<br />

Doch twitterte er, schrieb Thesenpapiere<br />

und gab Interviews samt Foto mit fremdem<br />

Kinderwagen. Ähnlich aktiv war Tübingens<br />

OB Boris Palmer (Grüne), der die Elternzeit<br />

für engagierte Einsätze gegen das Bahnprojekt<br />

S21 nutzte. Jüngst gab er bekannt,<br />

dass Partnerin Franziska Brantner (MdB)<br />

und er sich trotz Tochter getrennt haben:<br />

„500 Kilometer Entfernung, jeder mit<br />

einem 200-Prozent-Job – das ist zu viel.“<br />

WirtschaftsWoche 21.12.2013 Nr. 52 53<br />

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