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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 21.12.13 (Vorschau)

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GESUNDHEIT<br />

Süße<br />

Alternative<br />

Arzneimittel und Impfstoffe aus<br />

Zucker sind extrem haltbar. Roboter<br />

stellen sie jetzt preiswert her.<br />

Aus der modernen Medizin sind Eiweiße<br />

nicht mehr wegzudenken. Denn weil diese<br />

auch Proteine genannten Stoffe so wirksam<br />

sind, basieren viele Medikamente – ob<br />

Krebsmittel oder Impfstoff – auf Eiweißen.<br />

Nur leider sind sie wahre Sensibelchen. Sie<br />

zerfallen oft schon bei Zimmertemperatur.<br />

„Mehr als die Hälfte der Impfkosten verschlingt<br />

die Kühlkette; in Afrika und Asien<br />

ist das ein Riesenproblem“, sagt Biomolekülforscher<br />

Peter Seeberger <strong>vom</strong> Max-<br />

Planck-Institut in Golm bei Potsdam.<br />

LEBENSMITTEL<br />

Print-a-Pizza<br />

Mit Pulvern aus Algen und Insekten wollen Forscher künftig die Menschheit<br />

ernähren. Drucker verarbeiten die Nährstoffe zu Pasta und Snacks.<br />

Diese Pizza kommt weder aus dem Backofen,<br />

noch duftet sie. Dafür könnte, was<br />

Forscher des US-Unternehmens Systems &<br />

Materials Research (SMRC) Anfang Oktober<br />

im texanischen Austin vorführten, einen<br />

Vorgeschmack darauf geben, wie wir<br />

uns künftig ernähren: Erst backt eine Heizplatte<br />

am Boden eines neuartigen<br />

3-D-Druckers Mehl zu einem Teig, dann<br />

quillt Tomatensoße aus den Druckdüsen,<br />

und schließlich verteilen diese in dünnen<br />

Fäden Käse über die Printer-Pizza.<br />

Erst einmal sollen die eckigen Happen<br />

Astronauten munden – in der Raumstation<br />

ISS oder auf Mars-Missionen. Dafür hat die<br />

US-Raumfahrtbehörde Nasa den Prototyp<br />

in Auftrag gegeben. Doch SMRC-Chefingenieur<br />

Anjan Contractor ist überzeugt, dass<br />

die künstliche Nahrungserzeugung die<br />

einzige Chance ist, die rasch wachsende<br />

Weltbevölkerung auf Dauer mit Lebensmitteln<br />

zu versorgen. Denn fruchtbare Böden,<br />

um Getreide anzubauen oder Tiere<br />

darauf zu weiden, werden weltweit knapp.<br />

Contractors Team gewinnt daher Kohlenhydrate,<br />

Proteine und Vitamine aus Algen,<br />

Wasserlinsen, Gras, Insekten und Zuckerrübenblättern.<br />

Die Entwickler mahlen<br />

die Nährstoffe zu Pulvern, die sich bis zu 30<br />

Jahre lagern lassen. Und 3-D-Drucker<br />

schmelzen daraus am Ende Schicht für<br />

Schicht Snacks, Nudeln oder eben Pizzas.<br />

Die Amerikaner stehen mit der Idee essbarer<br />

Druckware nicht allein: Der Drucker<br />

der Wissenschaftler des TNO-Labors für<br />

3-D-Lebensmittel im niederländischen<br />

Eindhoven erzeugt aus pulvrigen sogenannten<br />

Spice-Bytes ein Gericht pro Minute<br />

– und zum Nachtisch Pralinen. Abgestimmt<br />

auf den individuellen Nährstoffbedarf<br />

und den persönlichen Geschmack.<br />

dieter.duerand@wiwo.de<br />

MOLEKULARE ANTENNE<br />

Doch Seeberger hat eine Alternative: Medikamente<br />

und Impfstoffe aus Zucker. Drei<br />

solcher Impfstoffe existieren bereits; etwa<br />

gegen Bakterieninfektionen, die Lungenund<br />

Hirnhautentzündungen hervorrufen.<br />

Denn Forscher haben erkannt, dass Zuckermoleküle<br />

im Körper eine mindestens<br />

so wichtige Rolle spielen wie Proteine. Die<br />

Oberflächen von Zellen sind regelrecht gespickt<br />

mit Zuckern. Sie dienen als molekulare<br />

Antennen, mit denen die Zellen untereinander<br />

Kontakt aufnehmen. Und Proteine<br />

wie etwa das Wachstumshormon Erythropoetin<br />

– kurz Epo – docken an diesen<br />

süßen Oberflächen-Molekülen an, um ihre<br />

Botschaft in die Zelle zu übermitteln.<br />

Noch werden zuckerbasierende Impfstoffe<br />

mithilfe von Bakterien hergestellt.<br />

Doch eine neue Generation von Syntheserobotern,<br />

wie sie Seeberger und sein Team<br />

entwickelt haben, könnte das viel preiswerter<br />

erledigen. Solche Systeme nutzt auch<br />

Seebergers Firmenausgründung Glycouniverse<br />

in Berlin.<br />

Die Technik soll auch Grundlage eines<br />

neuen hitzestabilen Zuckerimpfstoffs gegen<br />

die Tropenkrankheit Malaria sein. Bisher<br />

stirbt daran pro Minute ein Kind. Nur<br />

4,5 Kilo des Zuckers wären nötig, um alle 65<br />

Millionen Kinder zu impfen, die jedes Jahr<br />

in den Malaria-Regionen der Welt geboren<br />

werden, sagt Seeberger. Mehr noch: „Eine<br />

Impfung würde pro Kind nur wenige Cent<br />

kosten“, schätzt der Forscher. »<br />

susanne.kutter@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche 21.12.2013 Nr. 52 91<br />

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