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utzräUmen ·~ - Hochschule für bildende Künste Hamburg

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die Kunst, diesen Fängern einen Streich zu<br />

spielen. Ich bin verurteilt worden. Zuerst zu<br />

sechs Monaten bedingt, und im zweiten<br />

Fall, nachdem der Staatsanwalt Berufung<br />

eingelegt hatte, zu neun Monaten unbedingter<br />

Strafe. Ich habe einfach immer diesen<br />

Grund: ich gehe dahin, wo fiir mich<br />

Freiheit ist. Bei der Alternative Exil oder<br />

Gefängnis ziehe ich das Exil vor. Nun ist das<br />

Exil auch nicht so, wie man immer denkt,<br />

das sei so eine deprimierende Angelegenheit.<br />

Ich bin recht vergnügt. Jetzt bin ich,<br />

was ich immer irgendwie schon innerlich<br />

wollte, obwohl ich in sehr schönen Verhältnissen<br />

in Zürich lebte. Ich hatte zwei wunderschöne<br />

Räume. Doch ich hatte ständig<br />

einen offenen Koffer bei mir liegen. Wie<br />

symbolisch: jetzt geht es mal auf die große<br />

Reise. Und als ich dann tatsächlich fliehen<br />

mußte, packte ich diesen Koffer und steckte<br />

nur das Allernotwendigste hinein. Und<br />

jetzt ist mein Grundsatz, mir überhaupt keinen<br />

Besitz mehr anzuschaffen; also keine<br />

Bücher zu sammeln, nur die nötigsten Kleider<br />

zu haben, nur das absolut Notwendigste,<br />

so daß ich ständig abhauen oder einfach<br />

weiterreisen kann. Ich bin auch immer bestrebt,<br />

Bekanntschaften zu machen, bei denen<br />

ich kurz mal unterkommen kann. Alles,<br />

worin ich lebe, gehört mir nicht, und das<br />

will ich. Das geht irgendwie von einem<br />

Lao-Tse-Satz aus, der heißt: "Auf etwas<br />

hin wirken, aber nicht auf die Produkte achten,<br />

nichts drauf geben!" Nein, das ist nicht<br />

die Formulierung, sie heißt: "Nur die Wirkung<br />

anstreben, aber nicht auf das Produkt<br />

zurückkommen!" Das will ich mir immer<br />

mehrzur Lebenshaltung machen. Oder anders:<br />

was noch nicht ist, daraufhin muß<br />

man wirken.<br />

Ängste<br />

Ich versuche, Wege einzuschlagen, die<br />

noch nicht gegangen worden sind. Und darum<br />

auch diese Idee: daß ich, obwohl ich<br />

jetzt leicht meine Arbeiten verkaufen<br />

könnte, das niemals machen werde, weil<br />

dieser Weg schon gegangen wurde. Es gibt<br />

Millionen von Künstlern, die einfach fiir ihre<br />

Arbeit Geld genommen haben oder einfach<br />

haben nehmen müssen. Diesen Weg<br />

will ich nicht einschlagen. Mich zwingt es,<br />

ganz andere Lebensformen zu suchen, in<br />

denen ich vielleicht jeden durch mein Dasein<br />

oder durch eine andere Arbeit sozusagen<br />

entschädigen kann dafiir, daß ich aufgenommen<br />

werde. Damit kann ich auch irgendwie<br />

eine Idee verwirklichen, die der<br />

wertfreien Kunst. Nicht wertlos, aber wertfrei.<br />

achaußen sieht das Ganze zukunftslos<br />

aus. Ich werde ja auch älter, ich bin nicht<br />

mehr jung. 43 Jahre Wt:!de ich, da habe ich<br />

es auch mit gewissen Angsten zu tun. Ich<br />

werde wahrscheinlich nicht immer aktionieren<br />

können. Ich merke schon heute, daß<br />

es mit 38 Jahren, als ich begann, sehr viel<br />

leichter ging. Ich konnte leichter springen,<br />

und auch den Streß konnte ich leichter ertragen.<br />

Es ist eigentlich ein anachronistischer<br />

Lebensrhythmus, den ich zu spät begonnen<br />

habe. In den Abendstunden oder<br />

im Morgengrauen die intensivste Arbeit zu<br />

machen, wo ich bislang immer geschlafen<br />

hatte, drei Jahrzehnte lang. Und das ergibt<br />

eine Bruchstelle im Rhythmus, die sich sofort<br />

auf den anderen Tag auswirkt, an dem<br />

man fast kaputt daliegt. Aber es ist auch immer<br />

eine Art Aufj:mtschung da, wie bei einer<br />

Droge; andererseits ist das aber auch eine<br />

starke Streß-Situation, und wie lange ich<br />

das machen kann, weiß ich nicht. Aber<br />

wenn das überhaupt nicht mehr geht, dann<br />

werde ich andere Fonneo suchen.<br />

Andere Formen<br />

Ich habe übrigens sehr viele andere Aktionen<br />

gemacht, nicht nur mit dem Spray.<br />

Das waren eigentlich sozusagen rein diabolische<br />

Aktionen, ohne besonders konstruktive<br />

Gedanken, mit denen ich die Leute nur<br />

außerordentlich irritieren und verärgern<br />

wollte. Zum Beispiel habe ich in Zürich ein<br />

Lokal gesehen, in das nur reiche Menschen<br />

hineingehen. Die gingen mit ihren ausgeputzten<br />

Freundinnen in dieses Lokal und<br />

haben ihre Cadillacs oder Rolls Royce<br />

draußen herumstehen lassen und sind in<br />

weißen, sauberen Anzügen herumgegangen.<br />

Und einmal wollte ich selbst in dieses<br />

Restaurant gehen mit meinem Hund. Und<br />

man sagte mir gleich: Hier können Sie<br />

nicht herein, Hunde sind nicht erlaubt, machen·<br />

Sie, daß Sie wegkommen. Und ich<br />

dachte mir: Na schön, euch will ich mal!<br />

Und ich hatte auf einem meiner StreifZüge<br />

durch die Stadt eine ganze Dose mit Drukkerschwärze<br />

gefunden, und von dieser<br />

ekelhaften Druckerschwärze habe ich eine<br />

Partie unter die Türklinke der Autos gestrichen.<br />

Ich wußte, daß man das ja nur nach<br />

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