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utzräUmen ·~ - Hochschule für bildende Künste Hamburg

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Das Dilemma von Nähe und Masse 1 "Texte und Zeichen",<br />

das werktätige Kulturjournal<br />

im 3. Programm des Norddeutschen Rundfunks, ist mit dem<br />

Jahreswechsel 1 982-1 983 um zwei Stunden vorverlegt worden:<br />

von 1 9.05 Uhr- 1 9.50 Uhr auf 1 7.05 Uhr bis 17.50 Uhr.<br />

Auch die morgendliche Sendung, die zwischen kurz nach sieben<br />

bis halb neun Uhr die - mit dem Attribut "ernste" zwar unzurreichend<br />

beschriebene, aber immerhin von seichter Unterhaltungsmusik<br />

unterschiedene- Musik ist einem Potpourri aus Elementen der<br />

U- und E-Musik gewichen ...<br />

Wieder einmal sind .,programmstrukturelle<br />

Veränderungen"<br />

wirksam geworden, die allerdings<br />

über Verschiebungen und<br />

Austausch von Sendezeit- Plätzen<br />

hinausgehen und eine seit<br />

Jahren beobachtbare Tendenz<br />

fortsetzen. Opportunistisch ei ­<br />

nem vermeintlichen Hörerbedürfnis<br />

folgend wird einem<br />

.,Programmfluß" gehuldigt, der<br />

das Radio zu einem Instrument<br />

degradiert, dessen Sendungen<br />

man hören kann ohne zuzuhören.<br />

Die Veränderungen der Funkpräsentation<br />

gehen erheblich<br />

über die beschriebenen Beispiele<br />

Morgenmusik und abendliches<br />

Kulturjournal hinaus; sie<br />

stehen im Zusammenfhang mit<br />

umfassenden Programmreformaktivitäten<br />

beinahe aller Anstalten<br />

und beschränken sich<br />

nicht allein auf den Funk, sondern<br />

schließen das Fernsehen<br />

mit ein.<br />

Aber bleiben wir bei unserem<br />

vergleichsweise unerheblichen<br />

Beispiel; als Symptom beschreibt<br />

es präzise, was insgesamt<br />

dieser Trend bedeutet.<br />

Die Vorverlegung des Kulturjournals<br />

verhöhnt eine Stammhörerschaft,<br />

die zugehört hat,<br />

denn bei .,Texte und Zeichen"<br />

kann man nur zuhören oder abschalten<br />

: komplexe Themen aus<br />

dem kulturpolitischen Bereich<br />

bestimm(t)en ihren redaktionel ­<br />

len Rahmen. Daß die Leute, die<br />

abends kurz nach 1 9.00 Uhr<br />

der Berichterstattung und Erörterung<br />

solcher kulturpolitischen<br />

Themen ihr Ohr liehen, zu großen<br />

Teilen dazu gegen 17.00<br />

Uhr keine Zeit und Gelegenheit<br />

haben, kann sicher angenommen<br />

werden. Daß die Redaktion<br />

die Präsentation ihres Kulturjournals<br />

in der Spätnachmittagszeit<br />

unverändert durchhalten<br />

kann, damit neue Hörer gewinnt,<br />

ist wenigstens zweifelhaft.<br />

Einschaltquoten-geile Programmstrategen,<br />

so <strong>für</strong>chte ich,<br />

hielen mindestens auf eine Zerstörung<br />

von Präsentationsformen,<br />

in denen komplexe Sach ­<br />

verhalte musikalischer oder<br />

textlicher Art möglich sind und<br />

gepflegt werden. Und wenn es<br />

nicht ihre erklärte Absicht sein<br />

sollte, so billigen sie es um den<br />

Preis der vermeintlich vervielfachten<br />

Hörer- (nicht Zu - hörer)­<br />

Zahlen.<br />

Immerhin hat der Leiter des<br />

.,Kulturellen Wortes" im NDR­<br />

Funkhaus Hannover genau beschrieben,<br />

wie bisher diese Ent-<br />

58<br />

wicklung vom hehren Anspruch<br />

der Programmgründer über<br />

.,Programmfluß" -Konzepte zum<br />

Verlust ganfzer (kultureller) Anteile<br />

geführt hat. Kesting schildert<br />

in seinem 1981 publizierten<br />

Beitrag .,Uber das allmähliche<br />

Verschwinden einer Spezies.<br />

Literatur im Rundfunk" (in:<br />

H. L.Arnold [Hrsg.]. Literaturbetrieb<br />

in der Bundesrepublik<br />

Deutschland, München 1 981 ),<br />

wie allein in den zehn Jahren<br />

seiner eigenen Rundfunktätigkeit<br />

komplexere und längere<br />

Wortbeiträge sowie ambitionierte<br />

Musiksendungen aus<br />

dem zur Service- und Informationswelle<br />

gestylten 2. Programm<br />

und dem <strong>für</strong> Regionalisierung<br />

vorbehaltenen 1. Programm<br />

ins feine Minderheitenprogramm<br />

des 3. Programms<br />

transformiert wurden, wenn sie<br />

nicht ganz gestrichen wurden.<br />

Kesting konnte vor zwei Jahren<br />

aber noch eine eindrucksvolle<br />

Programmleistung der Minderheitenfrequenz<br />

bilanzieren und<br />

sicher zu Recht feststellen, das<br />

Dritte Orogramm sei selber zu<br />

einer kulturellen Institution geworden.<br />

Klang zwischen solchen Zeilen<br />

noch die Hoffnung heraus, daß<br />

wenigstens dieses Programm<br />

vor der- empirisch höchst frag ­<br />

würdigen - Meßlatte der ausschließlich<br />

auf Einschaltquoten<br />

fixierten Programmschema-lngenieure<br />

verschont bleibe, so<br />

hat sich diese Hoffnung als trügerisch<br />

erwiesen. Denn es sind<br />

eben jene vermeintlich höreropportunistischen<br />

Begründungen,<br />

die die Morgenmusik ka ­<br />

striert und .,Texte und Zeichen"<br />

den günstigeren Sendeplatz gekostet<br />

haben. Damit steht das<br />

3. Programm insgesamt zur Di ­<br />

sposition, ist sein anspruchsvolles<br />

kulturelles Abendprogramm<br />

gefährdet. Dem einmal bewußt<br />

als Alternativ- und Minderheitenprogramm<br />

konzipierten<br />

3. Programm wird eben diese<br />

Legitimation entzogen. Die<br />

Rundfunkpolitik der 80er Jahre,<br />

die ja zu guten Teilen in den Anstalten<br />

selbst gemacht wird,<br />

verhichtet auf die Notwendigkeit<br />

der Vermittlung komplexer,<br />

schwieriger und längerer Gegenstände<br />

und definiert Radio<br />

zum puren Kurzinformationsgerät<br />

mit ganztägiger Hintergrundgeräusch-Produktion.<br />

Damit<br />

gibt sich ein Radio auf, zu<br />

dem private Sendeeinrichtungen<br />

erst noch in die offenbar<br />

sehr ge<strong>für</strong>chtete Konkurrenz<br />

treten sollen. Denn natürlich<br />

werden .,Programmflüsse" und<br />

., Regionalisierungen" nicht um<br />

ihrer selbst willen betrieben,<br />

sondern um der Privatisierungsabsicht<br />

konservativer Medienpolitiker<br />

zuvorzukommen bzw.<br />

sogar, um etwa das Programm<br />

zu senden, das in etwa auch von<br />

privaten Betreibern erwartet<br />

werden kann, um damit durch<br />

Selbstaufgabe originären und<br />

kritischen Rundfunks den Pri ­<br />

vatfunk unnötig zu machen.<br />

Es kennzeichnet den Widerspruch<br />

konservativer Medienpolitiker,<br />

die sich zwar als Apologeten<br />

<strong>für</strong> Ordnung, Sitte und<br />

Anstand hervortun und die sich<br />

wenigstens dann und wann als<br />

Bewahrer einer konservativ verstandenen<br />

Kultur betätigen, daß<br />

sie mit ihrer Option <strong>für</strong> die privatwirtschaftliche<br />

Konkurrenz<br />

auch im Berich der bisher ausschließlich<br />

öffentlich-rechtlich<br />

betriebenen Medien der Willkür<br />

gewinnorientierter Privatprogramme<br />

die Schranken öffnen.<br />

So wird, um im Jargon und den<br />

Kategorien der Konservativen<br />

zu reden, das kapitalistische<br />

Konkurrenzprinzip die Errungenschaften<br />

abendländischer<br />

Kultur zerstören.<br />

ln einem ausführlichen Positionspapier<br />

hat Ende Januar die dju<br />

(Deutsche Journalisten Union)<br />

in der IG Druck und Papier, Lan ­<br />

desbezirk Niedersachsen und<br />

Bremen, ihre Auffassung zu den<br />

medienpolitischen Absichten<br />

der CDU ausführlich erläutert.<br />

Die dju wehrt sich gegen die<br />

Absicht des Niedersächsischen<br />

Ministerpräsidenten Albrecht,<br />

durch ein Landresrundfunkgesetz<br />

die Voraussetzungen <strong>für</strong><br />

den Privatfunk zu schaffen.<br />

Mit dem Hinweis auf die totale<br />

Konzentration der privatwirtschaftlich<br />

betriebenen Printmedien<br />

- hier seien publizistische<br />

Motive ausschließlich ökonomischen<br />

Erwägungen gewichen -<br />

fordert sie nicht nur den Erhalt<br />

der öffentlich-rechtlichen Organisationsform<br />

<strong>für</strong> Funk und<br />

Fernsehen, sondern die Anwendung<br />

dieses Systems auch bei<br />

den Printmedien.<br />

Stephan Lohr, Hannover.<br />

Bzldnachweis:<br />

S. 9: Aus "Zivilschutz heute,<br />

Bonn 1980; S.ll, S.lS: aus:<br />

"Die Sirene", der "Luftschutzzeitschrift"<br />

der Nationalsozialisten;<br />

S.13, S.l6, S.17: die Fotos<br />

von Arbeiten des Zürcher<br />

Sprayers stellte uns freundlicherweise<br />

Hubert Maessen zur<br />

Verfiigung; S.l8, S.25: Jochen<br />

Hiltmann; S.21: aus dem Katalog<br />

der documenta 7, 1982;<br />

S.29: Josef Czapski, Chaussettes<br />

rouge, 1957; S.30: Josef<br />

Czapski, Danone, 1970 (beide<br />

Abbildungen entnahmen wir<br />

dem Buch: Czapski, La mein et<br />

L'espace, Lausanne 1974; S.31:<br />

Der Bildhauer UHrich Rückriem<br />

errichtet Steine auf einem <strong>Hamburg</strong>er<br />

Platz, an dem in den 30er<br />

Jahren Juden zur Deportation<br />

zusammengetrieben wurden,<br />

Foto von Brigitte Konrad; S.37:<br />

Foto von Susanne Klippe!; S.SO:<br />

Dieses Labyrinth hätte Ecos<br />

Vorbild sein können, entnommen<br />

dem Buch von Jantzen,<br />

Kunst der Gotik, Harnburg<br />

1957.<br />

Alle anderen Abbildungen:<br />

Fotos aus öffentlichen <strong>Hamburg</strong>er<br />

Atomschutzbunkern von<br />

Jochen Hiltmann.

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