utzräUmen ·~ - Hochschule für bildende Künste Hamburg
utzräUmen ·~ - Hochschule für bildende Künste Hamburg
utzräUmen ·~ - Hochschule für bildende Künste Hamburg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Frieder Reininghaus<br />
Ein Künstler,<br />
von der Macht ergriffen<br />
Rzchard Strauss und der Faschismus<br />
Nachspiel<br />
"Es halt sehr sc/zwer, iiber !Im ins rn}ze zu kommen."<br />
(Emst Bloch iiber Richard Strauss 19 18/ 1923)<br />
"Spielverbot aufgehoben" oder "Israelischer<br />
Bann gegen Strauss aufgehoben"<br />
meldeten die Feuilletons der bundesdeutschen<br />
Tageszeitungen am 11. ovember<br />
letzten Jahres. Am Vortag hätten sowohl<br />
die staatliche israelische Rundfunk- und<br />
Fernsehanstalt als auch das Jerusalemer<br />
Sinfonieorchester den Beschluß bekanntgegeben,<br />
den Namen Richard Strauss aus<br />
der Liste der Komponisten, die im Staat Israel<br />
nicht aufgefuhrt werden dürfen, zu<br />
streichen. Doch vierzehn Tage später folgte<br />
das Dementi: das Aufsichtsgremium des<br />
Rundfunks hob mit großer Mehrheit die<br />
Initiative der Musikkommission auf: "Die<br />
Genihle der Überlebenden des Holocaust,<br />
die in Israel lebten, müßten berücksichtigt<br />
werden" (F.A.Z, 26.11.82). Strauss bleibtwie<br />
Wagner (wegen des unflätigen Pamphlets<br />
"Das Judentum in der Musik")- in Israel<br />
weiterhin tabu. Obwohl die Dinge bei<br />
Strauss anders liegen als bei Wagner: der<br />
"Fall Strauss" geht weiter. Immerhin wurde<br />
dieser Komponist am 15.11.1933, ein dreiviertel<br />
Jahr nach der "Machtergreifung",<br />
zum ersten Präsidenten der neugeschaffenen<br />
"Reichsmusikkammer" bestellt, zum<br />
obersten Repräsentanten des "gleichgeschalteten"<br />
Musiklebens berufen.<br />
Vorspiel in der Tiefe<br />
"Er ist gewolwlidz, und man .rieht ,;, 1hm e111en betnebsamen<br />
Mann, der zu gemijfenund das Leben zu<br />
nelmzm weiß " (Emst Bloch, I 9 I 8/ 1 923)<br />
Den allgemeinen deutschen Antisemitismus<br />
bekam Richard Strauss wohl mit der<br />
Muttermilch und dem Musikunterricht<br />
beim Vater, dem Waldhornisten in der Königlich<br />
bayerischen Hofkapelle zu München,<br />
eingeflößt - auch das Bewußtsein<br />
von solider deutscher Handwerklichkeit,<br />
die Leitbilder des "guten Musikers". In den<br />
1949 erschienenen "Betrachtungen und<br />
Erinnerungen" kommt Strauss auf die Anfange<br />
seiner Beschäftigung mit Musik zu<br />
sprechen: "Mein Vater war sehr jähzornig:<br />
32<br />
mit ihm zu musizieren war immer ein etwas<br />
aufregendes Vergnügen ... Er hielt streng<br />
auf Rhythmus, wie oft schrie er mich an:<br />
'Du eilst ja wie ein Jude.' Aber gut musizieren<br />
habe ich von ihm gelernt."<br />
Vorspiel in<br />
höheren Regionen<br />
"Strauss tnianphzert iibenmegend nur mit Schm(ß<br />
und S11mlicllkeit, den Erb,schqfleni!IJLes fnihen, btiitnsch-kriifiigen,<br />
bunten Uberbrettlstzls, die er mit e1~<br />
nem myserordentlic/zen Verstand IJZ snizer .Artfmchtbar<br />
gemacht lzat." (Emsi Bloch, I 9 I 8/ 1 923)<br />
Strauss wurde, gewinn trächtiger Mode<br />
folgend, Wagnerianer. Er war das nicht von<br />
Anfang an. Für den Onkel Pschorr, den gestandenen<br />
und geschäftstüchtigen münchener<br />
Bierbrauer, war Wagner nur der<br />
"Schwindler aus Bayreuth". Der Hornist<br />
Franz Strauss soll sich mehrfach kräftig mit<br />
dem großen Wagner gestritten haben und<br />
schrieb 1882, vom Dirigenten Levi zur<br />
"Parsifal"-Urauffiihrung verpflichtet, aus<br />
Bayreuth: "Du machst Dir keinen Begriff,<br />
welch Götzendienst mit diesem besoffenen<br />
Lumpen getrieben wird. In mir hat sich die<br />
Meinung entschieden festgestellt, daß der<br />
Mensch an maßlosem Größenwahn und<br />
Delirium krank ist." Der Sohn sollte und<br />
wollte also groß werden ohne Wahn, das<br />
Leben genießen, ohne das bürgerliche<br />
Maß zu verlieren, ein gmndordentlicher<br />
Meister der deutschen Musik werden und <br />
gottbewahre- kein "Mephisto der Musik".<br />
An Selbstbewußtsein hat es Jung-Richard<br />
nicht gefehlt. Der komponierende<br />
Gymnasiast verspottet Wagners "Lohengelb".<br />
Das Urteil des gestrengen Herrn Vater<br />
und der einflußreichen Verwandtschaft<br />
im Ohr, so berichtet er, habe er sich in einer<br />
"Siegfried"-Auffiihmng gelangweilt "wie<br />
ein Mops". Mit dem "Tristan" wußte er<br />
nichts anzufangen- außer den "Liebestod"<br />
zum ausgelassenen Walzer fur eine Tanzparty<br />
zu verarbeiten. Doch dann schlägt die<br />
Stimmung um, folgt die Emanzipation aus<br />
der Musikerautorität des Vaters; Strauss<br />
begreift, wie sehr Wagner auf der Höhe der<br />
Zeit ist; er spürt, daß er an den großen Partituren<br />
nicht vorbeikommt, wenn er große<br />
Zukunft besitzen will. Und das will er.<br />
Richard Strauss wird, wie er selbst<br />
schreibt, "Voll-Wagnerianer". 1889 pilgert<br />
er zum zweitenmal nach Bayreuth- als getreuer<br />
Korrepetitor. Frau Cosima findet<br />
Gefallen an dem dynamischen und anpassungsfähigen<br />
jungen Kapellmeister; die<br />
"Herrin von Bayreuth" soll sich gar damm<br />
bekümmert haben, daß Strauss eine ihrer<br />
Töchter heiratet - aber Strauss ließ sich<br />
nicht ins Familien-Imperium einholen, geriet<br />
wegen seiner eigenen weitgesteckten<br />
Karrierepläne und trotz mütterlicher Fördemng<br />
durch Cosima Wagner, trotz anfänglicher<br />
Duzfreundschaft mit dem<br />
gleichfalls opernkomponierenden Siegfried<br />
Wagner in wachsenden Widerspruch<br />
zu Richard Wagners Erben. Cosima über<br />
"Salome" (1905): "Das ist Wahnsinn!" und:<br />
"Nichtiger Unfug, vermählt mit Unzucht!"<br />
Sohn Siegfiied noch deutlicher: "Salome,<br />
Elektra und der jämmerliche Rosenkavalier<br />
können unmöglich mehr sein als Augenblickssensationen,<br />
Momenterfolge, Eintagsfliegen.<br />
Kaum etwas anderes als eine<br />
große Geldschneiderei. Der Komponist<br />
spekuliert auf die unlautersten, niedersten<br />
Triebe seiner Zuhörer, nützt sie aus, um<br />
Geld zu machen." - Strauss blieb Wagnerianer,<br />
auch ohne furderhin von den Hohepriestern,<br />
Schriftgelehrten und Managern<br />
des Wagner-Kults geliebt zu werden. Der<br />
Bannfluch aus Bayreuth hat sich - gerade<br />
auch in Presse-Kritiken - ausgewirkt, den<br />
Höhenflug des Komponisten jedoch nicht<br />
ernsthaft beeinträchtigt.<br />
Wachsender Erfolg,<br />
steigende Einnahmen<br />
.Strauss mzys es sich gqallen lassm, mzt Meyerbeer<br />
verglichen zu werden." (Ernst Bloch, 1918/ 1923)<br />
"Salome" war so umstritten wie erfolgreich.<br />
Der Berliner Kritiker Krebs sah<br />
zwar die "Künstlerschaft" des Richard<br />
Strauss "sich seit dem 'Heldenleben' in rapid<br />
absteigender Linie" bewegen; die<br />
"Kreuz-Zeitung" gab - zu spät - die Empfehlung,<br />
Herr Strauss hätte den Salome<br />
Stoff"doch fuglich den Gynäkologen überlassen<br />
sollen"; Berlins allerhöchster Theaterherr,<br />
Kaiser Wilhelm IL, soll prophezeit